Geopolitik

Hohe Sicherheitsanforderungen: Wenn der Karneval wegen Terrorgefahr ausfällt | ABC-Z

„Sicherheitslage nach den Taten radikalisierter Einzeltäter ist angespannter“: Die Angst vor Terroranschlägen erschwert die Planung des Karnevalsfests in vielen Kommunen. Einige Faschingsvereine finden kreative Lösungen – andere geben auf.

In Marburg soll es an Rosenmontag immerhin „Hessens längste Polonaise“ geben. Ein „neues Format“ inklusive Schunkel-Spektakel ersetzt eine lieb gewordene Tradition. Denn dieses Jahr fällt der Wagenumzug in der Universitätsstadt aus.

Der Festausschuss Marburger Karneval, das Ordnungsamt und die Polizei hatten lange über ein Sicherheitskonzept beraten. Nach mehreren tödlichen Anschlägen, zuletzt in Magdeburg, Aschaffenburg und München, hat sich die Gefahrenlage verschärft.

Am Ende sahen sich die Karnevalisten, die als Veranstalter auftreten, überlastet von den Sicherheitsvorgaben und vom Kostenanstieg. „Die Anforderungen sind der blanke Wahnsinn geworden. Man fragt sich wirklich, ob der ganze Aufwand überhaupt noch zu rechtfertigen ist“, sagt Lars Küllmer, Präsident des Festausschusses, im Gespräch mit WELT AM SONNTAG.

Stattdessen probiert man am Montag, 3. März, das „neue Format“ aus: ein Karnevalsfest vor der Stadthalle. Einige Umzugswagen werden dort stehen. Von oben werden Kamelle auf die Gäste herunterregnen, so wie bei einem Umzug. Zwischendurch die Polonaise.

Bundesweit beschäftigen sich Karnevalsvereine und Kommunen damit, wie sie Rosenmontagszüge und andere Paraden in der fünften Jahreszeit sicher organisieren können. Der Bund Deutscher Karneval vertritt etwa 5300 Vereine mit 2,6 Millionen Mitgliedern und rechnet mit 3500 kleineren, mittleren und größeren Umzügen bis Aschermittwoch, 5. März.

„Die Polizei bereitet sich seit Langem intensiv auf den Karnevalseinsatz vor und wird mit zahlreichen Kräften besonders die Umzüge begleiten“, sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) auf Anfrage. Die Beamten könnten nicht überall sein, dennoch appelliert Reul an die Menschen, sich nicht einschüchtern zu lassen: „Gehen Sie raus, feiern Sie Karneval, und genießen Sie die jecken Stunden.“ Reul selbst wird wieder am Rosenmontagsumzug in Köln teilnehmen.

„Keine Zufahrtsmöglichkeiten dürfen ungeschützt bleiben“

Die großen Karnevalsstädte Köln, Düsseldorf und Mainz sind seit Langem darin geübt, mit Hunderttausenden feiernden Menschen umzugehen. Der „Mainzer Carneval-Verein“, betont auf Anfrage, dass das Sicherheitskonzept „verschärft“ worden sei. Die Gemeinnützige Gesellschaft des Kölner Karnevals mbH beruft sich auf ein „erprobtes, seit Jahren gültiges Sicherheitskonzept“, das mit Polizei und weiteren Behörden aktualisiert werde. Allein in Köln sind 1,5 Millionen Menschen an der Zugstrecke zu erwarten.

„Die Sicherheitslage nach den Taten radikalisierter Einzeltäter ist angespannter als in den Vorjahren“, sagt Martin Lotz, Einsatzleiter der Polizei Köln. Man werde „einige Maßnahmen anpassen“. 1500 zusätzliche Beamte werden anwesend sein, zudem 300 Mitarbeiter des Ordnungsamtes und 1200 private Sicherheitskräfte.

Im nordrhein-westfälischen Neukirchen-Vluyn wäre der Rosenmontagszug fast gescheitert. Die Stadt hat sich gerade noch mit den Karnevalsgesellschaften einigen können. In der Nachbarstadt Moers kann ein kürzerer „Nelkensamstagszug“ ebenfalls stattfinden.

Anderswo fand man keine Lösung. Ein Faschingsumzug in Heidenheim (Baden-Württemberg), der Mitte Februar hätte stattfinden sollen, wurde abgesagt. 12 von 14 Vereinen hatten ihre Teilnahme wegen zu strenger Auflagen und zu hoher Kosten zurückgezogen. Auch im bayerischen Kempten wird es keinen Faschingsumzug geben. Dort hat die „Faschingsgilde“ als Veranstalterin vor den Anforderungen kapituliert.

Heiko Breidenbach ist Fachmeister für Veranstaltungssicherheit in Hessen und bekommt täglich Anfragen aus dem Bundesgebiet. „Grundsätzlich ist der lückenlose Ansatz sehr wichtig. Es dürfen keine Zufahrtsmöglichkeiten ungeschützt bleiben“, sagt Breidenbach.

Bei kurzzeitigen Veranstaltungen wie Karnevalsumzügen sei es „nicht zwingend, dass an allen Stellen ausschließlich zertifizierte Sperren eingesetzt werden müssen“. Oft genügten Fahrzeuge aus kommunalem Bestand. Es gehe um viel Geld, sagt Breidenbach, „sonst wird es viele öffentliche Veranstaltungen bald nicht mehr geben“.

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