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Bewunderer trifft Manipulator: So fiel Donald Trump in Wladimir Putins Honigtopf | ABC-Z


Bewunderer trifft Manipulator

Deshalb fiel Trump in Putins Honigtopf

Es ist eine historische Wende: US-Präsident Trump möchte Russland rehabilitieren und könnte die Ukraine dafür fallen lassen. Aber weshalb?

Vor einem Monat hätte diese Nachricht zu immenser Erleichterung in halb Europa geführt: „Wir stimmen vollständig mit der amerikanischen Regierung überein“, ließ der Kreml am Donnerstag wissen. Doch sie löst Entsetzen aus. In einer historischen Kehrtwende hat der erst wenige Wochen im Amt befindliche US-Präsident Donald Trump die wesentlichen russischen Positionen zum Ukraine-Krieg übernommen und schwere Vorwürfe gegen den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj erhoben.

Was ist diese neue Übereinstimmung? Frieden in der Ukraine, so schnell wie möglich – und ohne die früheren Grundbedingungen Kiews, welche die USA und die westliche Allianz öffentlich teilten: die Wiederherstellung des ukrainischen Territoriums von 2014, also vor der russischen Annektierung der Krim und Verlust der östlichen Gebiete. Trump könnte Russland die Ukraine auf dem Silbertablett servieren und ganz Europa mit den Trümmern allein lassen. Vom Vertrauensbruch innerhalb der Nato ganz zu schweigen.

Seit Jahren ist Putin im Westen ein Ausgestoßener. „Trump ist dabei, einen der atemberaubendsten Wendepunkte der amerikanischen Außenpolitik seit Generationen zu vollziehen, eine 180-Grad-Wende, die Freunde und Feinde zu einer grundlegenden Neuausrichtung zwingen wird“, schreibt die „New York Times“. Der Präsident ignoriere die Hunderttausenden Toten von Moskaus Angriffskrieg, wolle Russland wieder in die internationale Gemeinschaft holen und zum Freund machen. Der russische Machthaber kann nun ohne Eile auf Maximalforderungen beharren. Moskau hat militärisch die Oberhand. Je länger der Krieg andauert und je weniger der Westen die Ukraine unterstützt, desto besser für Putin.

Was sind die Gründe für diese historische Wende? Wie konnten die jahrelangen Lobpreisungen in Washington für Selenskyj und dem Kernsatz der westlichen Allianz „so lange wie nötig“ („as long as it takes“) so abrupt enden? Wie ließ sich Trump überzeugen, oder: Wie fiel er in den Honigtopf russischer Propaganda?

Rätselraten und unterwürfige Republikaner

Der US-Präsident wiederholte in den vergangenen Tagen mehrfach russische Propaganda: Die Verantwortung für den Krieg liege bei der Ukraine („Sie hätte ihn niemals beginnen dürfen“), sie habe ja drei Jahre Zeit für „einen Deal“ mit Putin gehabt, behauptete er, und nannte Selenskyj einen „Diktator“. In einem Posting bezeichnete er Ukraines Staatschef als einen „mittelmäßig erfolgreichen Komödianten“, der die USA bequatscht hätte, 350 Milliarden Dollar für einen Krieg auszugeben, der nicht zu gewinnen sei. Am Donnerstag erklärte Trump: „Russland hat für das Land in der Ukraine gekämpft und eine Menge Soldaten dabei verloren, also sollte Russland es behalten.“

Ist das Strategie? Erklärungsansätze dafür sind rar. „Soll das den Weg für die amerikanische Öffentlichkeit bereiten, im Grunde eine Kapitulation gegenüber Putin zu akzeptieren?“, wird etwa Thomas Graham, ehemaliger Sicherheitsberater für russisch-amerikanische Beziehungen unter US-Präsident George W. Bush, von der „Washington Post“ zitiert. Und eine hochrangige Geheimdienstmitarbeiterin aus Trumps erster Amtszeit meint: „Ich glaube, er will einfach nur sagen können, dass er den Krieg beendet hat.“ Alles andere sei Trump egal – solange es nicht in seiner Präsidentschaft geschieht.

Trumps Vorgänger Joe Biden betrachtete den Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien als Orientierungspunkt seiner Außenpolitik. Die Ukraine war nach dieser Logik eines weltweiten Kampfes der erste Dominostein, der nicht fallen durfte. Doch Trump geht es nicht um politische Systeme oder Ideologien. Sondern ums Geschäft und Profit: Die Unterhändler aus Russland und den USA sprachen am Dienstag in Saudi-Arabien stundenlang über Krieg und Frieden, also auch über ihre zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen. Eine Partnerschaft mit den Russen bringe „unglaubliche“ geopolitische und wirtschaftliche Möglichkeiten, schwärmte US-Außenminister Marco Rubio.

Aber: Es gibt eine ganze Reihe weiterer Faktoren, die zu Trumps 180-Grad-Wende geführt haben. Da wäre zunächst die Tatsache, dass Trump zwischen seinen beiden Amtszeiten mit Putin mindestens ein halbes Dutzend Mal telefonierte. Als er in der vergangenen Woche mit einem eineinhalbstündigen, „hochproduktiven“ Telefongespräch mit Putin die Friedensgespräche in Saudi-Arabien vereinbart hatte, informierte er danach Selenskyj wesentlich knapper.

Ein weiterer Faktor ist das veränderte Umfeld. In seiner ersten Amtszeit hatte Trump größtenteils ein Team erfahrener Experten um sich. Diesmal ist das anders. Er regiert mit Unterstützern, die ihm größtenteils nach dem Mund reden. Die Republikaner sind auf Linie. Solche, die sich im Kongress um Sicherheits- und Außenpolitik kümmern und jahrelang für Militärhilfen an Kiew stimmten, ducken sich größtenteils weg. Nur einzelne äußern sich öffentlich. Laut US-Medien gab es keine Gespräche zwischen ihnen und Trump. „Im Moment muss man ihm etwas Freiraum geben“, sagte John Thune, der republikanische Mehrheitsführer im Senat über den Präsidenten.

Starke Männer in Trumps Ohr

Doch der ist nicht nur aktuell, sondern auch im Rückblick kein so unabhängiger Verhandler im Interesse der USA, wie er behauptet. Die Russlandexpertin Fiona Hill warnt schon seit vielen Jahren davor, dass Trump den russischen Machthaber wie keinen anderen verehre. Hill hatte Trump jahrelang beraten, kennt Putin kennt und den Kreml-Machthaber eingehend beobachtet. Putin sei ein Meister der Manipulation. Trump bewundere den russischen Staatschef für seine Macht, seinen Reichtum und Ruhm. Der US-Präsident halte ihn für den „ultimativen, knallharten Typen“, wie Hill im Jahr 2021 sagte.

Schon in seiner ersten Amtszeit übernahm Trump immer wieder Positionen anderer, die im Widerspruch zu seinen eigenen Beratern oder Geheimdiensten standen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan etwa brachte Trump dazu, die Kurden in Nordsyrien fallen zu lassen, obwohl diese eine Schlüsselrolle im Erfolg gegen den Islamischen Staat hatten. Die Türkei griff danach die Kurden an.

Oder das Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi: Die CIA berichtete an Trump, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman habe Khashoggis Ermordung angeordnet. Trump wiederholte jedoch öffentlich bin Salmans Behauptung: Der Kronprinz wisse von nichts. Trump glaubte auch Nordkoreas Anführer Kim Jong Un, als dieser ihm sagte, er habe keine Kenntnis über eine schlechte Behandlung des in Nordkorea inhaftierten US-Amerikaners Otto Warmbier. Der wurde entlassen, starb aber kurz danach völlig entkräftet.

Im Jahr 2018 klagte Trumps Justizministerium zwölf russische Geheimdienstmitarbeiter an, weil sie vor der US-Wahl 2016 in Computer der Demokraten eingedrungen waren und E-Mails veröffentlicht hatten. Russische Akteure platzierten zudem Falschmeldungen in sozialen Medien und beeinflussten damit mutmaßlich die Wahl zugunsten von Trump. Der sprach persönlich mit Putin in Helsinki, aber der russische Staatschef stritt alles ab. Der US-Präsident fand das überzeugend. Seine eigenen Geheimdienste ignorierte er.

„Eitelkeit eine große Schwachstelle“

Über ihre Zeit an Trumps Seite schrieb Russlandexpertin Hill, dieser verlange ständige Aufmerksamkeit und Bewunderung. In internationalen Beziehungen sei deshalb die „Eitelkeit und das fragile Selbstwertgefühl des Präsidenten eine große Schwachstelle“. Um den US-Präsidenten zu manipulieren, mache der russische Staatschef ihm Komplimente oder halte sie zurück, spiele regelrecht mit ihm. Dies sei bei Trump wirksamer als Kompromat und Erpressung, meint Hill. Trump sei zudem von Putins Fähigkeit, das russische politische System zu manipulieren, um möglicherweise auf unbestimmte Zeit an der Macht zu bleiben, beeindruckt.

Schon nach Beginn des russischen Angriffs auf breiter Front vor rund drei Jahren hatte Hill von einem „gesamtgesellschaftlichen“ Krieg gesprochen. Russland mache „den Feind weich“ und bringe Leute wie Trump dazu, die Arbeit für einen zu erledigen, sagte sie damals „Politico“: „Die Tatsache, dass Putin es geschafft hat, Trump davon zu überzeugen, dass die Ukraine zu Russland gehört und dass Trump bereit wäre, die Ukraine kampflos aufzugeben, ist ein großer Erfolg für Putins Informationskrieg.“ Jetzt könnte ein noch größerer folgen.

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