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Ukraine-Gipfel in Paris: „Wir sind noch nicht beim Frieden, sondern in einem brutalen Krieg“ | ABC-Z

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Debatte über die mögliche Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine kritisiert. Nach einem Treffen europäischer Staats- und Regierungschefs in Paris zur Lage in der Ukraine sagte Scholz, es sei „völlig verfrüht und der völlig falsche Zeitpunkt, diese Diskussion jetzt zu führen“. Er sei „sogar ein wenig irritiert“ über die Debatte. „Wir sind noch nicht beim Frieden, sondern mitten in einem brutal von Russland vorgetragenen Krieg, der ohne Rücksicht weiter vorangetrieben wird“, sagte der Kanzler in Paris.

Dass derzeit über das Ergebnis von Friedensgesprächen debattiert werde, die zum einen noch nicht stattgefunden hätten und zum anderen über die Köpfe der Ukraine hinweg geführt würden, halte er für „höchst unangemessen“, sagte Scholz. Hinsichtlich der von den USA und Russland einberaumten Gespräche sagte der Bundeskanzler: „Wir wissen gar nicht, was das Ergebnis sein wird.“ Für ihn sei es daher „ganz klar“, dass die Gespräche über einen Friedenseinsatz europäischer Truppen „eine unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema ist“.

Zudem wiederholte Scholz eine schon zuvor artikulierte rote Linie. Demnach dürfe es „keine Aufteilung der Sicherheit und der Verantwortlichkeit geben zwischen Europa und den USA“. In anderen Worten: Sollten die USA sich ihrerseits nicht zu einer militärischen Beteiligung an einem Friedenseinsatz in der Ukraine bereit erklären, würde Scholz sich gegen die Entsendung europäischer Friedenstruppen aussprechen. „Die Nato beruht darauf, dass wir immer gemeinsam handeln und gemeinsam im Risiko sind und darüber unsere Sicherheit gewährleisten. Das darf nicht infrage gestellt werden“, sagte Scholz nach dem Gipfel in Paris.

Scholz begrüßt Friedensentwicklungen – und warnt doch vor Diktatfrieden

An dem Treffen in Paris nahmen neben Scholz auch die Regierungschefinnen und -chefs aus Großbritannien, Dänemark, Polen, Italien, Spanien und den Niederlanden teil sowie Nato-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa. Wichtige Entscheidungen würden im Europäischen Rat und der Nato getroffen, der Gipfel selbst sei daher eher ein „informelles Miteinander-Sprechen“ gewesen, sagte Scholz im Anschluss. Auf dem Treffen sei über die Unterstützung der Ukraine ebenso diskutiert worden wie über die europäische Sicherheit und „unsere eigene Stärke“. „Für uns ist sehr klar: Wir müssen die Ukraine weiter unterstützen – und sie muss und kann sich auf uns verlassen“, sagte der Kanzler.

Die jüngsten „Friedensentwicklungen“ begrüßte Scholz. Allerdings dürfe es keinen Diktatfrieden für die Ukraine geben. „Das Land muss seinen Weg weitergehen können in die Europäische Union, es muss seine Demokratie und seine Souveränität verteidigen können und es muss in der Lage sein, eine eigene starke Armee zu unterhalten“, sagte der Bundeskanzler. „Dafür werden dann auch wir gebraucht, zusammen mit unseren amerikanischen und internationalen Freunden und Partnern, damit das in Friedenszeiten auch tatsächlich gelingen kann.“

Hinsichtlich der europäischen Sicherheit und Verteidigung schlug Scholz größere Flexibilität im Umgang mit Schulden vor. Für die Zukunft Europas sei es wichtig, dass alle Länder das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllten. Es sieht vor, dass Nato-Mitgliedsländer mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung investieren. Ländern, die mehr als diese Summe ausgeben wollen, sollte dafür mehr Raum gegeben werden, sagte Scholz. Ein entsprechendes Vorgehen dürfe nicht blockiert werden „von den Kriterien, die wir in der Europäischen Union für staatliche Kreditfinanzierung haben“.

Auch für Deutschland gelte: „Es ist ganz klar, dass unsere fortgesetzte und weiter notwendige Unterstützung für die Ukraine nur möglich ist, wenn wir uns entschließen können, das gesondert zu finanzieren.“ Versuche, die Verteidigungsausgaben über Kürzungen in Bereichen wie der Infrastruktur zu finanzieren, „werden scheitern und keine Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger bekommen“, sagte Scholz. Deutschland müsse zusätzlich 30 Milliarden Euro jährlich mobilisieren. „Und das gelingt nur, wenn wir uns zusätzlichen Spielraum im Rahmen unserer Schuldenregeln des Grundgesetzes schaffen“, sagte der Kanzler.

Treffen zwischen Vertretern Russlands und der USA am Dienstag

Hintergrund des Sondergipfels in Paris sind auch Gespräche zwischen den USA und Russland über einen Frieden in der Ukraine. Gesandte beider Länder treffen sich am Dienstag im saudi-arabischen Riad. Zwar sei das Treffen nicht als Beginn von Verhandlungen zu verstehen, hieß es aus dem US-Außenministerium. Doch US-Präsident Donald Trump hatte nach einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Gespräche über ein Ende des russischen Angriffskriegs angekündigt.

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reist eigenen Angaben zufolge am Mittwoch nach Riad. Europäische Vertreter sind an den Gesprächen nicht beteiligt. Vor dem Gipfel in Paris hatte Selenskyj mit Nachdruck für eine europäische Friedenstruppe geworben. Die Stationierung einer Friedenstruppe auf dem Territorium der Ukraine könne der erste Schritt zu einer europäischen Armee sein. „Ich glaube, dass dies die erste Plattform für die künftigen Streitkräfte Europas ist, die im Falle eines unprovozierten Krieges durch Russland fähig ist, zurückzuschlagen“, sagte Selenskyj am Ende seines Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Zuvor hatten sich Großbritannien und Schweden offen gezeigt für die Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine. Anders Deutschland: Zwar hieß es aus dem Verteidigungsministerium, Deutschland werde sich „nicht wegducken“. Allerdings signalisierte die Bundesregierung, die aktuelle Debatte über einen Friedenseinsatz komme zu früh.

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