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Bundestagswahl: Der jüngste Kandidat im Wahlkreis – Starnberg | ABC-Z

Was ihn politisiert hat? Ganz klar: die Sache mit der Buslinie. Paul Friedrich war 16 Jahre alt, als es 2019 in Tutzing um eine neue Buslinie ging. Eine Verbindung, die nicht nur im Ortskern verkehrt, sondern auch die Ortsteile miteinander verbindet. Für Teenager in einer Gemeinde kann so eine Buslinie sehr wichtig werden. Deshalb haben sich Friedrich und ein paar Freunde gesagt: Wir wollen uns dafür einsetzen. Eins schon mal vorab: Es sollte ein langer Kampf werden.

Sechs Jahre später, ein Januarnachmittag in der Münchner Innenstadt. Friedrich bestellt sich Spinatknödel. Er hat noch nichts gegessen, im Wahlkampf bleibt oft nur wenig Zeit dafür. „Ist halt so“, sagt Friedrich. Er wusste ja, worauf er sich einlässt. Aber dass es so stressig werden würde? „Hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht.“ Zum Wahlkampf gehört ja so viel mehr dazu, als an Infoständen zu stehen oder sich für Diskussionen auf Podien zu setzen. Dazu kommen die Kontaktpflege mit Wählern und Parteifreunden, die Spendenakquise, die ständige Eigenwerbung. Das alles macht Friedrich neben seinem Jurastudium. Andere gehen in ihrer Freizeit feiern, er klebt Plakate mit dem eigenen Gesicht darauf. „Partys sind eh nichts, was ich unbedingt brauche“, sagt er.

Der Tutzinger Paul Friedrich, 21, will für die FDP in den Bundestag. Es sind keine einfachen Zeiten für die Liberalen, das unrühmliche Ampel-Aus hat seine Spuren in der Wählergunst hinterlassen. Dennoch steht für Friedrich fest: Die FDP ist seine politische Heimat. Ihm gefällt es, dass die Partei die individuelle Freiheit in den Vordergrund stellt, wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Das stört ihn zum Beispiel an der Union: Die verfolge zwar ökonomisch den Freiheitsgedanken, aber verbietet den Leuten dann zu kiffen oder zu gendern. „Warum traut man den Menschen nicht mehr zu?“, fragt Friedrich. „Jeder weiß doch selbst am besten, wie er leben möchte.“ Deshalb ist er mit 17 Mitglied der FDP geworden. Und weil er findet, dass man selbst die Dinge anpacken muss, wenn einen etwas stört. „In einer Demokratie ist jeder Politiker“, sagt Friedrich. „Nur zu sagen, es läuft nicht gut, finde ich Quatsch.“

Das Wort gefällt ihm überhaupt ganz gut. Klimaschutz und Wirtschaftswachstum gegeneinander auszuspielen? Migration begrenzen zu wollen und die Vorteile, die Einwanderung für eine Volkswirtschaft bringt, einfach unter den Tisch kehren? Alles Quatsch, sagt Friedrich. „Unser Wirtschaftswachstum fußt auf Einwanderung“, erklärt der Kandidat.

Und: Wenn sich eine demokratische Gesellschaft darauf einigt, die Erderwärmung zumindest verlangsamen zu wollen, dann könne die Wirtschaft laut Friedrich dazu beitragen, dass sich dieses Ziel erreichen lässt. Wichtig dabei: größtmögliche Freiheit für klimafreundliche Technologien, da ist Friedrich ganz Liberaler. Der Markt regele so gut wie alles. „Marktwirtschaft ist ein Instrument für Klimaschutz“, sagt der Kandidat und schiebt seinen Teller zur Seite. Der Staat solle sich da möglichst wenig einmischen. Friedrich wünscht sich einen schlanken Staat, der sich auf seine Pflichtaufgaben besinnt: innere und äußere Sicherheit zum Beispiel.

Friedrich kommt nicht aus einer FDP-Familie. Er ist auch kein Parteisoldat, der für eine mögliche Karriere seine Meinung vielleicht mal lieber nicht äußert. Es gibt einiges in seiner Partei, das ihm nicht gefällt, in der D-Day-Affäre habe er seinen Parteivorsitzenden scharf für sein Verhalten kritisiert. „Christian Lindner muss reinen Tisch machen“, habe er damals gefordert. Jetzt, im Café, sagt Friedrich: „Für mich ist Politik dann sozial, wenn sich jeder selbst verwirklichen kann.“ Dafür braucht es für ihn vor allem eines: Bildung.

„Leistung muss sich wieder lohnen.“

Möglichst gleiche Chancen lassen sich nur mit einem möglichst gleichen Zugang zu Bildung erreichen, glaubt Friedrich. Wer viel arbeitet, solle auch etwas davon haben. Und dann fällt er, der Satz, den jeder Liberale kennt: „Leistung muss sich wieder lohnen.“ Ob das durch die größtmögliche Freiheit im Kapitalismus zu erreichen ist, darüber lässt sich streiten. Friedrich weiß das. Und er mag das. Demokratie lebt von der Diskussion, findet er. Deshalb freut er sich, wenn an seinen Wahlkampfstand auch mal Leute kommen, die ihn ziemlich sicher nicht wählen werden, aber mit ihm reden wollen. Neulich habe er mit ein paar Tierrechtsaktivisten diskutiert. Nicht ganz sein Ding, genau wie die Aktivisten wohl nichts mit der FDP anfangen können. Aber: „Sehr interessant“ sei das Gespräch gewesen.

Friedrich hat eigentlich schon immer viel mit Menschen zu tun gehabt. Seit Jahren ist er in der Feuerwehr in Tutzing ehrenamtlich aktiv. Dabei lerne man eine Menge Leute kennen, unter anderem Politiker. Mit denen hat er auch gesprochen, als um die Buslinie ging, 2019, als er 16 war. Vier Jahre hat es gedauert. Aber jetzt gibt es die Verbindung tatsächlich. Friedrich hat damals gelernt, dass sich Dinge bewegen lassen, „auch wenn es manchmal etwas länger dauert“. Außerdem hat er gelernt, dass es sich lohnt dranzubleiben. Die erste Kandidatur dürfte also nicht die letzte Kandidatur von Friedrich gewesen sein – ganz egal, wie das Rennen am Sonntag ausgeht.

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