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Schädlingsbekämpfer packt aus: Was in München alles krabbelt, zwickt und beißt | ABC-Z

ABENDZEITUNG: Herr Puschmann. Viele Leute hätten Angst vor Ihrem Beruf.
JASON PUSCHMANN: Ich hatte als Kind schon ständig Spinnen auf den Händen.

Warum?
Weil ich sie mir genauer ansehen wollte. Alles, was krabbelt, ist extrem faszinierend.

Bis heute?
Ich war kürzlich in Asien. Sobald sich was bewegt auf dem Boden, schau ich genauer hin. Wenn man sieht, was für Fähigkeit diese krabbelnden Tiere haben…

Nämlich?
Nehmen wir die Bettwanze. Ein häufiger Parasit. Sie kann ein Jahr hungern, hält Temperaturen bis zu Minus 18 Grad aus, drei Tage lang. Oder Papierfische.

Was sind Papierfische?
Eine Unterart der Silberfische. Sie werden bis zu neun Jahre alt, wirklich ein hohes Alter für ein Insekt der Größe. Außerdem: Sie paaren sich nur einmal, können dann ihr ganzes Leben lang Nachwuchs zeugen, also Eier ablegen. Das sind Details, die faszinieren mich.

Aber dann hätten Sie ja auch Biologie studieren können.
Das war der Plan. Meine Mutter wollte, dass ich erst einmal eine Ausbildung mache, in Stuttgart, wo ich herkomme. Und so blieb ich bisher bei dem Beruf, weil ich so mit meinem Hobby Geld verdienen kann. Und es gibt genug zu tun in München.

„Ich liebe auch Reptilienhäuser“

Ich frage mich gerade, wie dann Ihr Kinderzimmer ausgesehen hat. Poster von Insekten?
Nein, viele Bücher. Alles aus der Bibliothek, natürlich über Insekten. Und ich hatte dieses Glas mit der aufgesetzten Lupe. Darin habe ich alles Krabbelnde eingefangen und genauer angeschaut. Stundenlang.

Alles, was kreucht und fleucht also.
Ich liebe auch Reptilienhäuser.

Sie scheinen Ihre Bestimmung gefunden zu haben.
Total.

Wie sieht so ein Tag eines Schädlingsbekämpfers in München aus?
Morgens hatte ich einen Einsatz gegen Bettwanzen. Thermische Bekämpfung. Ich habe den befallenen Raum in Schutzkleidung isoliert und auf 70 Grad erhitzt. Zwei Tage lang. Das tötet sie ab.

Was passiert bei 70 Grad?
Das Eiweiß in den Tieren gerinnt und sie sterben ab. Alle. Das ist die sicherste Maßnahme. Wir Menschen würden es bei 70 Grad ja auch nicht lange aushalten. Der zweite Auftrag des Tages: Mäuse in der Wohnung.

Wie gehen Sie da vor?
Ich schaue erst mal, woher die kommen und warum. (Das Telefon klingelt). Darf ich kurz?

Ja klar.
(Geht ans Telefon) Puschmann, hallo? Ja. Okay. Aha. Ja, wenn wir Insektizide spritzen, funktioniert das nicht wie ein Lichtschalter. Die Bettwanzen müssen das Gift erst aufnehmen. Über die Beine. Es kann schon sein, dass man ein oder zwei Wochen eine von denen sieht. Nicht verrückt machen lassen. Sie können auch ein Stück Toilettenpapier nehmen, das Tier zerquetschen und ins Klo werfen. Ja. Genau. Alles klar. Tschüss (legt auf).

Eine Kundin mit Bettwanzenbefall?
Genau. Wir haben dort im ersten Schritt ein Insektizid versprüht. Die thermische Bekämpfung kommt normal im zweiten Schritt, wenn das Gift nicht hilft. Die Kundin dachte, dass die Tiere sofort sterben. Aber das dauert ein wenig.

Wie heißt denn dieser Wirkstoff?
Alpha Cypermethrin zum Beispiel. Es gibt viele Wirkstoffe. Manchmal gibt es Resistenzen.

Wie kommt das?
Die Leute greifen oft erst mal zu Internetprodukten. Ähnliche Wirkstoffe, aber viel geringer dosiert als unsere Mittel. Viel geringere Insektizid-Werte. Bettwanzen sind so zäh, dass sie gegen die Stoffgruppe dann Resistenzen entwickeln.

Was macht man dann?
Die Stoffgruppe wechseln. Ist also ein lösbares Problem. Unsere professionellen Mittel sind nicht frei verkäuflich.

Wenn die Stoffe nicht wirken?
Hitze. Den Raum isolieren wie einen Backofen und aufheizen, mit einem Heizpropeller und einem Gegenpropeller.

Und dann zwei Tage das Zimmer verschließen.
Genau.

„Auch in heißen Ländern überleben die Bettwanzen“

Heißt das, in heißen Ländern wie Saudi-Arabien können solche Wanzen kaum überleben?
Naja, das kann man so nicht sagen. Menschen kühlen ihre Räume ab, vor allem die Schlafzimmer. Da haben Sie in heißen Ländern das gleiche Problem.

Wie überträgt sich die Bettwanze?
Man könnte sagen, von Mensch zu Mensch. Im Urlaub zum Beispiel. Wenn dort welche sind, verkriechen sie sich im Koffer, weil die Kleidung nach Mensch riecht. Und dann nehmen Sie die mit nach Hause. Oder umgekehrt. Sie haben welche zu Hause, wissen es nicht, schleppen sie mit ins Hotel und sie versteckt sich dort, vermehrt sich, verkriecht sich wieder in andere Koffer und reist weiter.

Wie noch?
Auf Flohmärkten. In Büchern oder Second-Hand-Klamotten können sie sich auch verstecken. Gerne auch in gebrauchten Möbelstücken.

Das heißt, lieber genau hinschauen.
Absolut.

Erkennt man die?
Die kleinen sind schwer zu erkennen, sehen wie Punkte aus. Die größeren können bis zu neun Millimeter wachsen. Das erkennt man schon deutlich.

Was machen die Bettwanzen eigentlich genau?
Sie saugen Blut, dort, wo die Haut am dünnsten ist. Sie haben nicht die besten Beißwerkzeuge, probieren es immer wieder, bis sie durchkommen. Deswegen hat man dann mehrere Punkte auf der Haut, wenn man auf sie reagiert. Manche reagieren nicht, könnten welche haben, aber werden es nie feststellen.

Wenn Sie so fasziniert sind von diesen Krabblern und Blutsaugern, tut es Ihnen nicht in der Seele weh, wenn Sie sie professionell bekämpfen?
Man muss immer genau unterscheiden. Mein Logo ist eine Hornisse. Die kann man gut umsiedeln. Viele Leute haben Angst vor Hornissen. Die sind aber ungefährlich, menschenscheu und nützlich. Sie fressen Mücken. Sehr wichtig für die Umwelt. Wenn man dann den Leuten das erklärt, sagen viele: Ja dann lassen wir sie doch da!

Einfache Lösung, ohne Insektenmord.
Ja, oder die Wespe. Die Leute sind schnell genervt, sagen, die machen ja keinen Honig, die sind nutzlos. Aber so ist es nicht. Das sind Jäger, fressen auch Mücken. Sie halten das natürliche Gleichgewicht. Manchmal siedle ich auch Hornissen in meinen Hinterhof um, wenn es sein muss.

„Wer den Wespen eine Portion abgibt, hat meistens Ruhe“

Aber Wespen kommen ja gern zum Essen. Da muss man immer aufpassen.
Es gibt zwei Arten, deutsche Wespe und gemeine Wespe. Das sind die Big Player, die sich auf das Essen stürzen. Wenn es zu viele werden, ist irgendwo ein Nest. Man kann sie mit etwas Süßem locken und eine Portion abgeben. Dann hat man meistens Ruhe.

Aber wenn sie nicht locker lassen?
Es gibt Wespenfallen, in denen man sie einfangen kann und dann irgendwo anders aussetzen.

Eine weitere Methode?
Hornissen aussetzen. Sie fressen Wespen. Die sind dreimal so groß und vertreiben sie. Oder sie verputzen sie ganz locker.

Kommen wir kurz zurück zum Tagesablauf.
Mäusebefall hatte ich heute. Danach wurde ich gerufen wegen Papierfischen. Später Rattenbefall. Dann ein Angebot abgegeben wegen Taubenabwehr. Da stellte sich heraus, dass im Umfeld jemand Tauben füttert. Großer Fehler. Die vermehren sich ohne Ende, wenn man sie anfüttert. Tauben sind enorm standorttreu. Was hatte ich noch: Papierfische und am Ende wieder Ratten. Also man kann sagen, ich hatte einen ratten- und mäuselastigen Tag.

„Paperfische verbreiten sich über die Kartons des Onlinehandels“

Wie verbreiten sich Papierfische eigentlich?
Onlinehandel. Eine große Plage. Sie verstecken sich in den Ritzen und Öffnungen der Kartons. Nicht zu erkennen. Schon hat man sie in der Wohnung. Versandkartons sollte man am besten gleich entsorgen. 

Hier lesen Sie Teil zwei des Interviews

Was ist der häufigste Einsatz in München?
Unangefochten auf Platz eins: Mäuse und Ratten. Mäuse eher oberirdisch, Ratten unterirdisch. Ratten sind oft in der Kanalisation. Wenn es stark regnet, werden die Kanäle geflutet und die Ratten kommen raus. Sie werden hochgespült. Und manche wundern sich dann im achten Stock, wie denn eine Ratte in die Wohnung gekommen ist.

Platz zwei?
Schon die Bettwanzen. Auf die habe ich mich ein wenig spezialisiert. Gefolgt von Papier- und Silberfischen, Motten, Käfer, Vorratsschädlinge. Und natürlich Tauben.

Im nächsten Teil unseres AZ-Interviews erfahren Sie, warum ein Rattenbiss schnell gefährlich werden kann und wie man sich bei Schädlingsbefall verhält.

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