Politik

Münchner Sicherheitskonferenz: „Russland wird euch zerreißen“ | ABC-Z

Solche Worte sollten eigentlich niemanden mehr schockieren,
drei Jahre nach Kriegsbeginn in Europa. Es ist Samstagvormittag, als Wolodymyr Selenskyj zu stehenden Ovationen die Bühne im Hotel Bayerischer Hof betritt.
Der ukrainische Präsident beginnt eine alarmierende Rede. Fast 20 Minuten lang
fordert er Europa dazu auf, endlich eine effektive Verteidigung und eine eigene
Armee aufzubauen. Dann kommt er zum Höhepunkt: Europas gesamtes Militär sei
heute schwächer als das russische. „Russland wird euch zerreißen“, sagt der ukrainische
Präsident. Und auch, wenn viele frustriert seien über Brüssel: „Wenn es nicht
Brüssel ist, dann wird es Moskau sein“, fügt Selenskyj hinzu. Die Zuschauer im Saal schweigen, nur einige wenige klatschen.

Selenskyj ist nicht für warmen Applaus nach München gekommen. Viel zu viele in Europa, so wirkt es aus ukrainischer Perspektive, scheinen sich der Gefahr aus dem Osten nicht bewusst zu sein. Einige hofften jetzt gar vorschnell
auf eine Art Frieden, ist aus der ukrainischen Delegation zu hören. Gerade jetzt, da die USA offenbar über die Köpfe der Ukraine selbst Putin Zugeständnisse machen wollen und die Lage so bedrohlich ist wie lange nicht.

Probleme an der Front, Probleme mit den Verbündeten

Zu keinem Zeitpunkt der vergangenen drei Jahre stand Selenskyj
so sehr unter Druck wie jetzt und hier in München. Nicht nur, weil russische Truppen jeden Tag einen
neuen Fetzen ukrainisches Land besetzen und Hunderte Soldaten töten. Schwerer
zu handhaben sind die Probleme mit den Verbündeten. 

Auf der einen
Seite stehen US-Präsident Donald Trump und sein Team, die den Krieg in der Ukraine so
schnell wie möglich beenden wollen – im „Trump-Tempo“, so nennt es Keith Kellogg, Trumps Ukrainebeauftragter. Dafür telefoniert Trump mit Putin und
macht immer wieder deutlich, dass es den USA weder wichtig ist, die Ukraine in die
Nato zu holen, noch eine Rückeroberung der besetzten Gebiete zu ermöglichen. 

Auf der anderen Seite hat es Selenskyj mit einem Europa zu tun, dessen Politiker nach 36 Monaten Krieg der Ukraine
versprechen, ganz schnell mehr zu helfen, jetzt aber wirklich. Und zu allem Überfluss sind diese beiden Verbündeten, USA und Europa, auch noch dabei, sich zu zerstreiten.

Trumps Cowboy-Angriff

In dieser Lage hat Selenskyj beschlossen, den Kopf so weit oben zu halten, wie es geht. In seiner Rede formuliert er drei zentrale
Punkte. 

Erstens: Trump muss sich erst mit der Ukraine einigen, und
erst danach Druck auf Putin ausüben. Zweitens: Die Ukraine braucht Garantien für ihre Sicherheit, entweder
in Form einer Nato-Mitgliedschaft oder durch so viel Hilfe, dass es eine 1,5-Millionen-Mann-starke Armee unterhalten kann. Drittens: Europa muss sich einen Platz am künftigen Verhandlungstisch erobern, und zwar durch Stärke. 

Parallel dazu wehrt sich der ukrainische Präsident schon konkret gegen die Trump’sche Politik. Auf einer Pressekonferenz erklärte Selenskyj, er habe das von Trump persönlich geforderte
Abkommen über den Zugriff auf ukrainische Rohstoffe und Seltene Erden nicht
unterschrieben: „Es schützt unsere Interessen
nicht und enthält keine Sicherheitsgarantien.“

Tatsächlich haben Trumps ungestüme Friedensbemühungen viele
in der Ukraine zunächst verunsichert. Die Vorstöße glichen einem „Cowboy-Angriff“, sagte der ehemalige ukrainische Außenminister
Dmytro Kuleba bei einer Diskussion am Rande der Konferenz in München. Trump müsse „seine
Pferde ein wenig zurückhalten“. Gleichzeitig bleibe aber alles weiterhin
möglich, auch eine Nato-Mitgliedschaft.

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