Frank Erbguth: Ist das nicht irre? | ABC-Z

Völlig verrückt geworden, diese Welt. Der Neurologe und Psychiater Frank Erbguth im Gespräch über Wahnsinn und Normalität in einer gereizten Gesellschaft
© [M] Klaus Pichler/Anzenberger
DIE ZEIT: Die Nachrichten scheinen sich gegenwärtig von Tag zu Tag an Irrsinn zu überbieten. Das wirkt auf viele beunruhigend. Wie geben Ihnen die aktuellen Verrücktheiten zu denken?
Frank Erbguth: Mich beschäftigt der allgegenwärtige Irrsinn auf der individuellen Ebene wie auf der politischen. Die Tötungsdelikte in Aschaffenburg oder Magdeburg schockieren uns auch, weil die Täter als psychisch krank diagnostiziert sind. Viele rufen nach wirksamen Maßnahmen, auch Robert Habeck will jetzt Geflüchtete gleich bei der medizinischen Erstuntersuchung auf psychische Erkrankungen prüfen lassen, um ihnen frühzeitig Behandlung zukommen zu lassen. Aber ich denke zugleich auch über den Irrsinn im großen politischen Raum nach, mit Blick auf Amerika oder Argentinien, wo einem das politische Handeln als irrsinnig erscheinen kann. Die Verwandlung des verwüsteten Gazastreifens in eine neue Riviera, wie sie Trump nun vorschwebt, ist für Anhänger der Vernunft nur ein jüngstes Beispiel für die irritierende Frage nach dem Irrsinn.