Nach dem Anschlag: So lebte Farhad Stickstoffgas. seit 2016 in München | ABC-Z

München – In einer zweistündigen Vernehmung durch die Kripo hat der 24-Jährige die Tat eingeräumt und gestanden. Er sei bewusst in die Menschenmenge in der Maxvorstadt gefahren. Seine Begründung sei so ausgefallen, sagt Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann, Leiterin der bayerischen Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus (ZET), dass „ich mich trauen würde, von einer islamistischen Tatmotivation zu sprechen.“
Ermittlungsrichter erlässt Haftbefehl
Farhad N. ist am Freitagnachmittag beim Ermittlungsrichter vorgeführt worden. Ihm wird Mordversuch in 36 Fällen und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der Verdächtige sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.
36 Menschen im Alter von zwei bis 60 Jahren wurden bei der Attacke verletzt. Laut Polizei handelt es sich um 32 Männer, drei Frauen und ein Kind. Viele sind in Kliniken. Ein Mann und ein zweijähriges Mädchen seien noch immer in einem äußerst kritischen Zustand, hieß es am Freitagnachmittag.

© Daniel von Loeper
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Der Fahrer des Minis wurde bei seiner Festnahme leicht verletzt. Er kam zur Untersuchung ins Rotkreuzklinikum. Dort wurden ihm auch die EKG-Elektroden auf die Brust geklebt, die im Internet zunächst wilde Spekulationen über seinen Gesundheitszustand auslösten.
Psychiatrische Begutachtung des Verdächtigen
Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann stellte am Freitag klar: Es liegen keine Informationen über eine psychische Erkrankung vor. Nach der Festnahme wurden Schnelltests auf Alkohol und Drogen gemacht, Blutproben genommen.
Es sei bei ihm nichts gefunden worden, was seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt haben könnte, so die Oberstaatsanwältin, oder Auswirkung auf die Tat gehabt habe. Eine Unterbringung in der Psychiatrie sei nicht nötig. Allerdings werde eine psychiatrische Begutachtung bei ihm vorgenommen.
Immer wieder religiöse Posts
Derzeit werten die Ermittler das Handy des Fahrers und dessen Aktivitäten auf diversen Social-Media-Kanälen aus. Man stehe noch ganz am Anfang, sagte Gabriele Tilmann. Über Social Media habe der Tatverdächtige regelmäßig auch religiöse Inhalte gepostet und sich zudem in Whatsapp-Gruppen religiös geäußert.
Farhad N. schrieb beispielsweise, er bete regelmäßig, oder auch „Allah beschütze uns“. Zudem besuchte er nach Angaben der Ermittler eine Moschee in München. Hinweise, dass dort islamistische Inhalte verbreitet werden, gebe es aber nicht, sagte Gabriele Tilmann.
Genauso wenig gebe es derzeit Hinweise auf eine Radikalisierung des Verdächtigen oder Belege, dass er Kontakt zum IS oder anderen islamistischen Gruppierungen unterhalten habe. Die Wohnung des 24-Jährigen in Solln wurde bereits am Donnerstag durchsucht. Doch auch hier fand sich kein belastendes Material, dass er sich einer radikalen Gruppierung angeschlossen haben könnte.
Verdächtiger sei „durch den Wind“ gewesen
Ein Post lässt allerdings aufhorchen. Den Ermittlungen zufolge hat Farhad N. einem Angehörigen vor der Tat geschrieben: „Vielleicht bin ich morgen nicht mehr da.“ Einer seiner Arbeitskollegen meldete sich bei der Polizei und erzählte, dass der 24-Jährige zuletzt „etwas durch den Wind gewesen“ sei.
Bizarres Verhalten nach Festnahme
Das würde zum Verhalten von Farhad N. nach der Tat passen. Erst raste er mit seinem Mini nach eigenen Angaben absichtlich in das Ende einer Verdi-Demo auf der Seidlstraße.
Als er anschließend von Polizisten aus dem Wagen gezerrt wurde, habe er „Allahu akbar“ gerufen und sagte dann zu Polizisten, dass er beten wolle, berichtet Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann am Freitag im Polizeipräsidium. Das sei auch der Grund gewesen, dass das ZET sehr schnell die Ermittlungen übernommen habe.

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Beim LKA wurde inzwischen eine Sonderkommission mit dem Namen „Seidlstraße“ mit 140 Beamtinnen und Beamten ins Leben gerufen. Die Soko arbeite mit Hochdruck, rund um die Uhr und auch am Wochenende, sagte LKA-Vizepräsident Guido Limmer.

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Alle Kontakte werden überprüft
Derzeit werden die Telefonkontakte des 24-Jährigen ausgewertet. Laut Oberstaatsanwältin Tilmann überprüfen die Ermittler zudem Verkehrs- und Standortdaten von Menschen, mit denen Farhad N. im Kontakt gestanden hat.
Dabei geht es auch darum herauszufinden, ob Farhad N. Unterstützer hatte, Menschen, die ihm im Vorfeld geholfen haben oder von seinen Plänen vorab informiert waren. Bisher gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich am Tatort Komplizen aufgehalten haben könnten.
Suche nach dem Auslöser
Die Ermittlungen konzentrieren sich laut ZET auf die Persönlichkeit und die Tatmotivation des 24-Jährigen. Völlig unklar ist, warum Farhad N. sich am Donnerstag ausgerechnet die Verdi-Demo für die Attacke aussuchte.
Was könnte der Auslöser für die Tat gewesen sein? War es tatsächlich eine bewusste Entscheidung oder doch nur alles Zufall? Das versuchen die Ermittler nun Schritt für Schritt aufzuklären. Man gehe aber von einem „islamistischen Motiv“ aus, sagte Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann.
Im Internet er erfolgreiche Sportler
Ein zu allem entschlossener islamistischer Attentäter? Das passt so gar nicht zu dem Bild, das Farhad N. von sich im Internet präsentierte. Auf seinen Social-Media-Kanälen ist er Sportler. Ein Bodybuilder, der erfolgreich an Wettkämpfen teilnimmt und ein Sport-Influencer.

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Farhad N. zelebriert geradezu den Körperkult, indem er sich mit aufgepumpten Muskelpaketen zeigt und sich von seinen Followern feiern lässt. „Bruder siehst gigantisch aus“, schrieb ein Fan.
Im Mai 2024 trat Farhad N. als Junior bei einer deutschen Amateur-Bodybuilder-Meisterschaft an, im Oktober wurde er bei einem Wettbewerb Fünfter in der Rubrik „Men’s Physique“.
Viele Posts auf Dari
Mal posierte er in Fast-Food-Läden beim Burgeressen. Mal zeigt er sich mit schnellen Autos, schicken Klamotten, im Anzug und mit teurer Uhr am Handgelenk. Auf einem Foto sitzt er auf der Motorhaube des cremefarbenen Mini Cooper, mit dem er in die Menge raste.
Der Wagen ist schon älter, hat ein Rosenheimer Kennzeichen, das er vom Vorbesitzer übernommen hat, wie Münchens Polizeivizepräsident Christian Huber erklärte. Viel postete Farhad N. auf Dari – der zweiten offiziellen Amtssprache in Afghanistan. Die Flagge des Landes zierte seine Profile und fast alle seine Posts.
Er schien perfekt integriert
Farhad N. lebt seit seiner Flucht aus Kabul in Deutschland. Er kam Ende 2016 als unbegleiteter Minderjähriger. Eine Jugendhilfeeinrichtung in München nahm ihn in Obhut. Er besuchte die Schule, absolvierte dann eine Berufsausbildung. Früher arbeitete er als Ladendetektiv, zuletzt offenbar als Sicherheitsfachmann für ein großes Unternehmen in München.
Korrigieren mussten Innenministerium und Präsidium Informationen über Farhad N.. Er hat eine gültige Aufenthaltserlaubnis für Deutschland. Gegen ihn wurde auch nicht wegen Diebstahl und Drogen ermittelt. Er sei lediglich Zeuge gewesen. Nur einmal wurde gegen ihn ermittelt. Da hatte er kurzzeitig Arbeitslosengeld kassiert, obwohl er wieder einen Job hatte.