Trump telefoniert mit Putin: Ein Anruf mit Folgen – Politik | ABC-Z

Der Kreml hatte mit dem Anruf gerechnet, man war dort schon fast ein bisschen ungeduldig geworden. Donald Trump ist schließlich seit mehr als drei Wochen im Amt – und hatte er nicht immer von einem schnellen Deal mit Wladimir Putin gesprochen? Das Gespräch zwischen den beiden Präsidenten jedenfalls war bereits seit Wochen Thema in russischen Medien und unter kremlnahen Experten, stets mit gemischtem Tenor. Es gab verhaltenen Optimismus, dass mit Trump nun einiges besser würde für Russland. Gleichzeitig warnten Putins Sprecher unablässig davor, in der Ukraine-Frage bloß nicht auf eine Einigung mit Washington zu bauen. Ein paar nette Worte über Trump, die übliche Verteufelung der USA, das war die Mischung.
Der Anruf wird jetzt ähnlich vorsichtig kommentiert: als ein Anfang, nicht mehr. Was in Europa Aufregung verursacht, möchte Moskau als Selbstverständlichkeit verstanden wissen. Natürlich ruft ein Präsident den anderen an, so stellt es Sergej Lawrow dar, als ein „normales, elementares Gespräch zwischen zwei höflichen Menschen“. Der Außenminister gab sich konsterniert angesichts der Reaktionen in Europa.
Was er nicht sagte: Das Gespräch ist natürlich schon deswegen ein Erfolg für Putin, weil der seit seinem Angriff auf die Ukraine von westlichen Staatschefs gemieden wird. Erst recht wollte niemand mit ihm ohne ukrainische Beteiligung über die Ukraine sprechen, umso größer ist jetzt sein Triumph. Putin betrachtet die USA als den entscheidenden Faktor in der Ukraine und als Russlands eigentlichen Gegner. Aus seiner Perspektive ist nur Trump mit ihm auf Augenhöhe.
Putins Sorge ist, dass Trump den Konflikt in der Ukraine nur einfrieren will
Die beiden Präsidenten hätten „eine Menge zu besprechen“, sagte Putins Sprecher Dmitrij Peskow nach dem Anruf, jetzt solle schnell ein Treffen stattfinden, wo, wann und mit wem, das sei noch unklar, am liebsten wäre Putin natürlich ein Besuch in Moskau. Es sei zu früh, über eine europäische Beteiligung bei den Verhandlungen sprechen, sagte Peskow am Donnerstag, und Lawrow schrieb Europa gleich ganz ab: Dort gebe es offenbar Leute, die glaubten, dass jeder Kontakt zwischen Moskau und Washington ihre Interessen verletze. Sie hätten gespürt, „auf welchen Platz in der Welthierarchie sie gesunken sind. Es wird nicht leicht sein, da wieder herauszukommen“.
Wie gern Putin mit Trump sprechen wollte, wurde schon am Tag von dessen Amtseinführung deutlich. Putin traf sich damals hinter verschlossenen Türen mit seinem Sicherheitsrat. Lawrows Auftritt aber wurde später öffentlich gemacht, er sprach lange über den Führungswechsel in Washington. Trump habe deutlich gemacht, dass er Russlands Position verstehe, sagte Lawrow, etwa wenn es um eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine gehe. Nun müssten Trumps Worten aber auch Taten folgen, das war die Quintessenz aus Lawrows Vortrag.
Danach fand Putin warme Worte zu Trumps „Widerstandsfähigkeit“ im Wahlkampf und seinem „entscheidenden Wahlsieg“. Er, Putin, sei offen für einen Dialog über den Ukrainekonflikt, der Schwerpunkt müsse dann aber auf der „Bekämpfung seiner Ursachen“ liegen. Das ist das alte Lied von Moskaus Sicherheitsinteressen und seiner angeblich bedrohten Souveränität. Putins Kernforderung, die Ukraine aus der Nato und jegliche Nato-Hilfen aus der Ukraine herauszuhalten, hat sich nicht geändert.
Putins Sorge ist nun, dass Trump den Konflikt in der Ukraine nur einfrieren, einen schnellen Erfolg erzielen möchte. Seit Monaten betont der Kreml, dass ihm das nicht ausreicht, genauso wie ihm territoriale Gewinne nicht ausreichen werden. Er möchte die politischen Bedingungen in der Ukraine verändern, sie zu einem dauerhaft russlandfreundlichen Staat machen, mit einer drastisch reduzierten Armee und ohne militärische Bündnisse.
Einen Waffenstillstand lehnt Putin ab, weil er seine Armee im Vorteil sieht. Zuletzt wurde spekuliert, dass Putin bei einer Gegenleistung zustimmen würde – zum Beispiel Neuwahlen in der Ukraine. Immer wieder hat Putin betont, dass er Wolodimir Selenskij nicht als legitimen Präsidenten betrachtet, Gespräche mit ihm ausgeschlossen. Erst kürzlich sagte er dann in einem Interview, man könne mit jedem verhandeln, aber Selenskij habe „aufgrund seiner Illegitimität kein Recht, irgendwas zu unterschreiben“.
Der Verhandlungsprozess dürfte zäh und langwierig werden. Bisher hat Putin wenig Gründe, von seinen Kernforderungen abzuweichen. Schließlich rechnet er damit, sie früher oder später militärisch durchsetzen zu können. Solange eine Einigung mit Trump ihn schneller ans Ziel bringt, hat er nichts dagegen, dem US-Präsidenten zu schmeicheln und ihm zu kleinen Erfolgen zu verhelfen, wie der Freilassung eines Amerikaners aus russischer Haft.
So kann man dann auch das gemischte, manchmal widersprüchliche Feedback der Moskauer Beamten deuten. Unter den wenigen, die sich nach dem Anruf optimistisch äußerten, war Andrej Klimow, im Föderationsrat für internationale Angelegenheiten zuständig. „Trump hat nicht die Russophobie, die seine Vorgänger hatten“, sagte er am Donnerstag, Trump sei ein rationaler Mensch. Er hoffe jetzt zwar nicht auf eine glückliche Zukunft, aber doch auf Normalisierung.
Ganz anders der Putin-treue Außenpolitikexperte Dmitrij Trenin: Das Ergebnis jeder Verhandlung werde auch von der Situation auf dem Schlachtfeld abhängen, zitierte ihn die Nachrichtenseite RBK. Eine diplomatische Lösung komme für Moskau nur infrage, wenn sie als Sieg betrachtet werden könne. Wenn also alle Forderungen Moskaus erfüllt werden. „Wir sollten uns nichts vormachen – wir haben viele Enttäuschungen durch die Politik westlicher Länder hinter uns“, so Trenin.