Schweizer gewinnen Team-Kombination: Machtdemonstration beim Nachbarn – Sport | ABC-Z

Die Farbe hätte schon gepasst, sechs Männer in rot-weißen Rennanzügen sprangen und kugelten durch den Zielraum von Saalbach. Ein Dreifacherfolg stand zu Buche, Gold, Silber und ‒ weil es so schön war ‒ gleich noch Bronze hinterher. Das Publikum im Stadion der Ski-WM schwenkte artig seine Flaggen, mit so viel Schwung, wie es sich eben schwenkt, wenn die Männer in den rot-weißen Rennanzügen nicht für Austria unterwegs waren, sondern für ein benachbartes Alpenland, das den Veranstaltern so langsam aber sicher ihre Heim-WM kapert.
Die zweite Ski-WM in Saalbach entwickelt sich zunehmend zu Festspielen für die Schweiz. Speziell die Premiere der neuen Team-Kombination der Männer am Mittwoch ließ erahnen, wie sich das Kräfteverhältnis im internationalen Skisport verschoben hat. Im Duett aus Abfahrer und Slalomspezialist gewann Franjo von Allmen seine zweite Goldmedaille im Glemmtal, sein Teampartner Loïc Meillard brachte den Sieg ins Ziel, Silber ging an Alexis Monney und Tanguy Nef. Stefan Rogentin und Marc Rochat komplettierten den Schweizer Medaillensatz. Der beste Skifahrer der Gegenwart, Marco Odermatt, schaute vergnügt im Stadion zu. Erdrückender kann eine sportliche Machtdemonstration kaum sein.
:Ausgerechnet die Nervenstarke verpasst eine Stange
Lena Dürr, einer der konstantesten Slalom-Spezialistinnen, unterläuft bei der WM in Saalbach kurz vor dem Ziel ein Fehler: Der schöne Vorsprung von Emma Aicher – und die Medaille in der Teamkombination – sind dahin.
Mitten im Getümmel stand ein Mann aus einem der kleinsten Teams dieser Ski-WM und freute sich über den achten Platz. Simon Jocher fährt für den Deutschen Skiverband (DSV), dessen Athleten derzeit unter Artenschutz gestellt gehören, so wenige sind übrig geblieben. Jocher jedenfalls wird sich noch länger an die vergangenen 48 Stunden erinnern, da er seine WM-Reise bereits als beendet wähnte. Er lag längst bei sich daheim im Schongau auf der Couch, die Erholungsphase war eröffnet, da klingelte das Telefon. Ein Anruf von Bundestrainer Christian Schwaiger, erzählt der 28-Jährige. „Ich soll sofort meine Sachen packen und herfahren.“
Die Liste der verletzten DSV-Rennfahrer ist lang, nur Romed Baumann blieb zuletzt verschont – nun erwischte ihn ein Infekt
Hintergrund ist, dass der für die Teamkombi vorgesehene Romed Baumann wegen eines Infekts kurzfristig passen musste. Der 39-Jährige ist einer der wenigen im DSV-Team, der in den vergangenen Jahren von Blessuren verschont geblieben war. Die Liste der aktuell verletzten Skiprofis ist enorm: Andreas Sander, Alexander Schmid, Jacob Schramm, Nickco Vincent Palamaras, Sebastian Holzmann ‒ allesamt WM-Kandidaten, die am Mittwoch zuschauten. So wie es auch Jocher vorgehabt hatte.
So aber stieg er am Dienstag ins Auto, ehe er sich am Mittwochfrüh ein letztes Mal auf die Abfahrtspiste vom Zwölferkogel stürzte und trotz monatelanger Verletzungsprobleme auffällig rasant ins Tal rauschte. Ein Fehler unterlief dem Oberbayern dann doch, und so musste Slalom-Ass Linus Straßer am frühen Nachmittag mit einer Hypothek von zwei Sekunden Rückstand auf die Spitze ins Finale gehen. Die Kurzfristigkeit sei eine Herausforderung gewesen, klar, erklärte Jocher später. „Viereinhalb Stunden Autofahren vor dem Wettkamptag ist alles andere als optimal.“ Aber Jocher lieferte ab, und er wusste ja noch einen Trumpf an seiner Seite.
Auch Straßer ist gesund geblieben. Und der letzte Weltklasseathlet der DSV-Männer lieferte ab. Der 32-Jährige blieb ohne erkennbare Schwächen und kam als Zweitschnellster aller Slalomfahrer ins Ziel, so ging es für Team Deutschland von Rang 18 noch zehn Plätze nach vorn. „Ich finde, dass der Simon eine extrem beherzte Fahrt gezeigt hat“, sagte Straßer. Bei seiner eigenen Herangehensweise im Slalom habe er bei schwieriger Sicht zwischen Kontrolle und Angriff dosiert.
Über dem Glemmtal lag am Mittwoch Nebel, und würde man ins Metaphorische abdriften wollen, so passte das zu diesem Tag, an dem sich erahnen ließ, dass zur Renaissance der Saalbacher Sonnen-WM aus dem Jahr 1991 noch einiges fehlt. Meteorologie und Medaillenspiegel werden aus Sicht der Österreicher mit einigem Glanz jedenfalls nicht annähernd so schillernd wie einst in Erinnerung bleiben. Die zweite Saalbacher WM hat dagegen ganz eigene Anekdoten, nicht zuletzt die von Simon Jocher, der nach einer heftigen Fersenprellung und den Folgen eines Bandscheibenvorfalls eigentlich alles andere als renntauglich für die Weltmeisterschaften zu sein schien ‒ und nun zum bisher besten Ergebnis der DSV-Männer beitrug.