Kultur

Deutsche Athleten im Netz massiv angefeindet | ABC-Z

Deutsche Sportlerinnen und Sportler, die an den Olympischen Spielen von Paris teilgenommen haben, sind in rund 150 Fällen in strafrechtlich relevanter Art und Weise online beleidigt worden. In einer einstelligen Zahl von Fällen geschah dies in volksverhetzender Form. Im Zeitraum der Spiele, zwischen dem 26. Juli und dem 11. August des vergangenen Jahres, hatte ein Dienstleister im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbunds DOSB Kommentare auf dessen Social-Media-Accounts und den Konten angemeldeter Athletinnen und Athleten mittels Künstlicher Intelligenz gefiltert. 454 deutsche Sportlerinnen und Sportler waren in Paris am Start, 299 Kommentare wurden dabei als „potenziell strafrechtlich relevant“ erkannt. Diese wurden der Zentralstelle für Bekämpfung von Internetkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt übermittelt.

Nach rechtlicher Überprüfung stellt der Leitende Oberstaatsanwalt Benjamin Krause das Ermittlungsergebnis so dar: „In etwa 50 Prozent der Fälle handelte es sich nach unserer Auffassung um Beleidigungen, insbesondere solche aus rassistischer Motivation. Zudem war auffällig, dass aktuelle außersportliche Diskussionen, etwa im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, oder politische Einstellungen zum Anlass für Beleidigungen genommen worden sind. Die anderen etwa 50 Prozent der gemeldeten Posts waren dagegen nicht strafrechtlich relevant – entweder, weil sie von der Meinungsfreiheit geschützt waren oder es sich um sogenannte Auslandsfälle handelte, auf die das deutsche Strafrecht nicht anwendbar ist.“

Für die strafrechtliche Verfolgung von Beleidigungen ist ein Strafantrag des Opfers erforderlich. Ob und in wie vielen Fällen dies im Kontext der Olympia-Fälle geschehen ist, teilen weder die Generalstaatsanwaltschaft noch der DOSB mit.

Einstellige Zahl rassistischer Beleidigungen

Während die Staatsanwälte unter den durch den DOSB wahrgenommenen Fällen keine volksverhetzenden Beleidigungen festgestellt haben, ist dies bei den vom Deutschen Leichtathletik-Verband während des Olympia-Zeitraums auf dessen Accounts festgestellten Fällen anders. Eine einstellige Zahl rassistischer Beleidigungen erfüllt nach Ansicht der ZIT-Ermittler demnach den Tatbestand der Volksverhetzung, sie wurden zur Täterermittlung an das Bundeskriminalamt weitergeleitet.

Krause findet es „erschreckend, wie für Deutschland antretende Sportlerinnen und Sportler in der Anonymität des Netzes mit Hass überzogen, rassistisch beleidigt oder mitsamt ihren Familien bedroht werden – unabhängig von Erfolg oder Misserfolg“. Ein Strafantrag bei einer Beleidigung bedeutet für das Opfer einen erheblichen Aufwand – allgemein wird er nur in einem Prozent der Fälle gestellt, sodass 99 Prozent der Beleidigungen nicht verfolgt werden.

Es könne der Eindruck entstehen, dass „Beleidigungen, Bedrohungen oder gar Mordaufrufe mittlerweile normal sind oder gar akzeptiert“ werden, warnt Krause: „Dass dies zu einer immer weiteren Senkung der Hemmschwelle führen würde, liegt meines Ermessens auf der Hand. Und letztlich würde eine solche neue Normalität zu einer Gefahr für uns alle werden.“

Er spricht sich dafür aus, die Gesetzeslage zu ändern und bei besonders schweren Beleidigungen vom Antragserfordernis abzusehen. Das Bundesjustizministerium wurde im Juni 2024 von der Justizministerkonferenz beauftragt, eine solche Änderung des Strafgesetzbuchs zu prüfen.

Die Zahl der vom DOSB-Dienstleister ausgeblendeten Kommentare liegt dabei weit höher als die der vom Unternehmen als potenziell strafrechtlich relevant eingeschätzten: 3995 Posts wurden nach den der F.A.Z. vorliegenden Zahlen ausgeblendet. Der prozentual höchste Anteil „ungewollter Kommentare“ war dabei auf X gepostet worden, der Plattform des einschlägig auffälligen Milliardärs Elon Musk.

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