Landkreis Dachau: Bayern streicht Förderungen für Naturschutz – Dachau | ABC-Z

Die Lage ist ernst. Das ließ schon die Konstellation derer erkennen, die am Mittwochvormittag zum Pressegespräch baten. Geladen hatte die Dachauer Kreisgruppe vom Bund Naturschutz (BN). Am Tisch saßen aber nicht bloß deren Vorsitzender Roderich Zauscher sowie, ebenfalls vom BN, Heinz Gibowsky und Elisabeth Göpfert – sondern auch ein Mann, der sich qua Amt häufig in Opposition zu den Naturschützern wiederfindet: Simon Sedlmair, als Dachauer Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands ein Kämpfer für die Interessen der Landwirte.
Diesmal jedoch sind sich Bauernvertreter und Naturschützer einig – in ihrem Ärger auf die bayerische Landesregierung. Denn die hat Mitte Dezember wohl entschieden, sämtliche Förderanträge für Klima- und Naturschutz vorerst nicht weiter zu bearbeiten, wegen einer Haushaltssperre. „Das ist ein großer Vertrauensverlust“, sagt Sedlmair. „Die haben uns vor die Wand fahren lassen“, sagt Zauscher. „Das macht es dem Naturschutz sehr schwer“, sagt Göpfert.
Aus dem Nichts, so der Eindruck in Dachau, sei aus München vor rund drei Wochen eine entsprechende Mitteilung gekommen. Damit mache das Land nicht bloß neue Naturschutzmaßnahmen unmöglich, sagt BN-Vorsitzender Zauscher. Sondern auch laufende Programme, deren Förderlaufzeit begrenzt ist, könnten deshalb nicht verlängert werden.
Naturschutz und Heimatpflege, diese Themen lesen sich gut auf Plakaten und in Programmen für Landtags- oder Bundestagswahlen. Doch für die praktische Umsetzung entsprechender Maßnahmen können meist weder Söder noch Aiwanger noch Habeck allein sorgen. Dafür braucht es Menschen vor Ort. In der Verantwortung stehen die Regierungen trotzdem. Von EU- bis Landesebene gibt es zahlreiche Förderprogramme, die Naturschutz im Kleinen ermöglichen sollen. Für den Landkreis Dachau, reich an schützenswertem Moos und landwirtschaftlichen Betrieben, sind diese Förderungen ganz besonders wichtig.
Ein Beispiel ist der Schutz des Dachauer Mooses. Dafür müssen regelmäßig Flächen gemäht und entbuscht werden, damit das Moos vernässt bleibt. Das ist aufwendig und teuer. Häufig arbeitet der BN dafür mit Landwirten aus der Region zusammen, denen der daraus entstandene Verdienstausfall dank Fördermitteln aus dem Land ersetzt wird. Fällt dieses Geld weg, schade das einerseits dem Vertrauen der Landwirte, erklärt die Projektkoordinatorin Elisabeth Göpfert. Und andererseits leide die Umwelt massiv darunter. „Dabei haben wir bei dem Hochwasser in diesem Jahr doch gesehen, dass uns vermeintliche Einsparungen im Naturschutz später umso teurer zu stehen kommen.“
Bauernvertreter Sedlmair ist verärgert über die Kommunikation aus München und warnt: „Es brechen Einkommen für Landwirte weg.“
BN-Vorsitzender Zauscher ergänzt: „Moorschutz funktioniert nicht wie ein Auto, das Sie acht Wochen lang abmelden können und dann einfach wieder losfahren.“ Ein verlorenes Jahr könne für die Natur schwerwiegende Folgen haben. Und mancher Schaden sei durch die aktuelle Situation bereits entstanden. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) präsentiert sich öffentlich übrigens gerne als leidenschaftlicher Schützer der bayerischen Moorlandschaften, schöne Fotos inklusive.
Bauernvertreter Simon Sedlmair ärgert sich über die Kommunikation aus München. Noch im Sommer sei die Ansage gewesen, sie sollten unbedingt weiter Anträge stellen. Dabei hätte zu diesem Zeitpunkt bereits klar sein müssen, dass der Topf leer sei, glaubt Sedlmair. Die Folge: „Es brechen Einkommen für Landwirte weg.“ Zum Beispiel seien in den vergangenen Jahren viele Streuobstwiesen angelegt worden. Das ist gut für die Natur, aber schlecht für den kurzfristigen Umsatz der Landwirte. Auch das wurde bislang durch Fördergelder ausgeglichen. „Erst machen sie Druck beim Streuobst, jetzt bewilligen sie gar nichts mehr“, ärgert sich Sedlmair. Wie solle er das den Bauern vermitteln? Unisono betonen alle Gesprächspartner, dass sie unter diesen Voraussetzungen keinem Landwirt guten Gewissens raten könnten, sich weiterhin auf Fördergelder zu verlassen.
Gefährdet sind auch die zahlreichen Landschaftspflegevereine im Landkreis, deren finanzielle Mittel fast ausschließlich aus Fördergeldern des Landes kommen. Gerade junge und neu gegründete Vereine seien jetzt in Gefahr, sagt Sedlmair, der auch zweiter Vorsitzender des Landschaftspflegeverbands in Dachau ist. Und beim BN fragt man sich, ob der Bewilligungstopp das Ende für dessen Umweltbildungsprogramm bedeutet, das der BN seit fast 20 Jahren an Schulen und Kindergärten anbietet. Sie hätten dabei ohnehin schon Geld draufgelegt, sagt Heinz Gibowsky. Doch jetzt wüssten sie gar nicht mehr, wie sie die freiberuflichen Umweltbildenden bezahlen sollen.
Besserung ist kaum in Sicht: Aus einer Antwort des bayerischen Umweltministeriums auf eine Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag geht hervor, dass „neue Maßnahmen mit Auszahlungszeitpunkt im Jahr 2025 vorübergehend bis auf wenige Ausnahmen beschränkt werden mussten.“ Die Gründe dafür seien eine geplante Erhöhung der Haushaltssperre in Bayern auf 15 Prozent sowie Kürzungen auf Bundesebene. „Für mich ist das ein Alarmsignal“, sagt der Dachauer Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU) der SZ. Er betont, von der Situation selbst erst aus der Presse erfahren zu haben. Einer seiner Mitarbeiter sei nun beauftragt, herauszufinden, „was da los ist.“ Das bayerische Umweltministerium lässt eine SZ-Anfrage bis Donnerstagnachmittag unbeantwortet.
Bei dem Gespräch am Mittwoch wird unterdessen deutlich, dass da keine Träumer am Tisch sitzen. Die Interessenvertreter akzeptieren, dass das Land Bayern gewissen Sparzwängen unterworfen ist. Sie würden sogar verstehen, wenn neue Projekte vorerst nicht möglich seien, sagt Roderich Zauscher vom BN: „Unsere Forderungen sind Verlässlichkeit und dass vorhandene Aufträge beibehalten werden.“ Denn für erfolgreichen Naturschutz sei eine langfristige Planungssicherheit unverzichtbar.