Fit trotz Diabetes: „Ein mentaler Trick“: Ingrid (70) verrät „Gamechanger“ für langes Leben | ABC-Z

Ingrid Eisenack aß viel Gemüse und fing an, Sport zu treiben – doch die schlechten Blutzuckerwerte blieben. Erst mit einem mentalen Kniff gelang es der heute 70-jährigen Diabetikerin, ihren Vorsatz wahrzumachen und wirklich gesünder zu leben. Eine Stellschraube war dabei entscheidend.
FOCUS online: Vor 20 Jahren wurde bei Ihnen Diabetes diagnostiziert. Seitdem haben Sie viele Dinge unternommen, um sich gesundheitlich zu stabilisieren. Mit eher mäßigem Erfolg, oder?
Ingrid Eisenack: Das stimmt, der wirkliche Gamechanger kam erst im Jahr 2022. Wie Sie sagen, in den Jahren davor hatte ich bereits einiges in meinem Leben verändert. Zum Beispiel habe ich angefangen, frisch zu kochen, jeden Tag Gemüse und Salat auf den Speiseplan zu setzen. Früher hatte ich viel Brot gegessen, das gibt es bis heute kaum noch. Brot treibt den Blutzucker in die Höhe. Auch Sport gehört seit einer Reha vor 13 Jahren zu meinem Alltag. Davor war ich ein Bewegungsmuffel.
Wenn Sie Sport sagen – was meinen Sie damit?
Eisenack: Nach der Reha hatte ich zum Beispiel angefangen, Zumba zu machen. Einmal die Woche in einer Gruppe in der Volkshochschule und hier und da auch zu Hause.
Dann kam Corona und die Gruppe musste pausieren. Damit habe ich es einfach nicht mehr geschafft, mich aufzuraffen. Fast zwei Jahre lang habe ich mich, obwohl ich es mir immer wieder fest vorgenommen habe, so gut wie gar nicht bewegt. Für meine Diabeteswerte war das natürlich fatal.
Die waren dank Zumba stabil gewesen?
Eisenack: Um ehrlich zu sein: So richtig stabil waren sie bis vor zweieinhalb Jahren nie. Es gab immer mal wieder Ausschläge nach oben. Als gelernte Kinderkrankenschwester wusste ich natürlich genau, was das bedeutet.
Nämlich?
Eisenack: Man hat ein höheres Risiko, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu bekommen. Auch der diabetische Fuß ist für mich weiß Gott keine Theorie. Ich habe solche Fälle während meiner Arbeit im Krankenhaus gesehen. Eigentlich ist es verrückt, dass es trotzdem so lange gedauert hat, bis ich in meinem Leben an der entscheidenden Stelle was geändert habe.
Sie haben gerade angesprochen, dass es einen Gamechanger gab. Was war das?
Eisenack: Ich erinnere mich noch, wie ich in der Coronazeit einen Termin in der Hausarztpraxis hatte. „Ich gehe jetzt viel mit meinem Hund raus“, meinte die Helferin. Wegen Corona gäbe es sonst ja kaum Möglichkeiten, sich zu bewegen. Wir haben auch einen Hund: Janni, einen Jack Russell Terrier. Auf dem Weg von der Praxis nach Hause habe ich mich gefragt, wieso ich mich eigentlich seit Jahren damit zufriedengab, mit Janni nur um den Block zu gehen. Wieso nahm mein Mann das Auto, um dann ein Stück abseits des Ortes den von Janni so geliebten Schleuderball zu werfen?
Und? Was sagen Sie selbst?
Eisenack: Wenn man sich vor der Bewegung drücken möchte, findet man Gründe. Wir wohnen mitten im Dorf, bis man im Grünen ist, muss man etwa 20 Minuten gehen. Nicht eben, sondern bergauf wohlgemerkt. Der Gamechanger war im Grunde ein mentaler Trick. Ich habe angefangen habe, bisherige Argumente umzudrehen.
Argumente gegen Spaziergänge mit Janni, meinen Sie?
Eisenack: Genau. Das wäre schon allein wegen der Steigung nicht wirklich toll, habe ich mir früher gesagt, denn gleich hinter unserem Haus muss man einigermaßen stramm bergauf gehen, wenn man in die Natur will. Jetzt habe ich die Steigung zu Beginn als Aufwärmphase willkommen geheißen. Auch, dass ich zunächst auf befestigten Wegen unterwegs bin, fing ich an, als Vorteil zu sehen: Ich muss zu Beginn nicht so achtsam sein wie später, wenn es auf Feldwegen oder im Wald holprig wird. Bin ich erst mal im Laufen drin, ist aber auch das kein Problem. Ich bin sicherer geworden, habe mehr Vertrauen. Die Meniskus-OP, die ich vor ein paar Jahren hatte, habe ich zunehmend vergessen. Und selbst im letzten Jahr, als ich ein künstliches Kniegelenk bekam, war ich recht schnell wieder mobil. Ich bin mir sicher: auch dank des Trainings.
Dank der Spaziergänge meinen Sie?
Eisenack: Ich finde, man kann das schon auch Training nennen. Am Anfang war ich stolz, wenn ich eine Stunde geschafft hatte. Dann war ich lange Zeit täglich mindestens zwei Stunden lang unterwegs. Bei Wind und Wetter, auch das kann man positiv sehen: Die Kälte härtet ab. Wenn es regnet, ist die Luft wunderbar frisch. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten gibt es viel Schönes zu entdecken. Heute Früh zum Beispiel waren die Felder voller Reif, der in der Sonne glitzerte. Im Frühling bringe ich von unterwegs knospende Zweige mit nach Hause und stelle sie in eine Vase. Solche Kleinigkeiten bestärken mich in meiner veränderten Lebensweise und machen Lust, sie beizubehalten. Auch wenn ich die Länge der Spaziergänge inzwischen leider etwas reduzieren musste. Janni ist jetzt 14, ein stolzes Alter für einen Hund. Unsere täglichen Runden dauern aktuell meist nicht länger als eine Stunde. Die zweistündigen Touren gibt es nur noch zweimal die Woche. An den Tagen, an denen ich kürzer laufe, mache ich dafür Gymnastik. In der Regel schon morgens im Bett, bevor ich aufstehe. Außerdem gehe ich einmal pro Woche in eine Seniorensportgruppe. Als Ergänzung tut das sehr gut.
Sie betonen das Wort Ergänzung?
Eisenack: Ja, weil ich weiß, dass es zumindest bei mir im Alltag auf etwas anderes ankommt. Ich darf mich nicht von irgendwelchen Maßnahmen abhängig machen, die ein besseres Leben versprechen. Ich brauche keine Anleitung, keine Gruppe, noch nicht einmal Musik – die erlebte Unabhängigkeit, die mit dem Laufen kam, ist für mich der Schlüssel zu Gesundheit und zu Blutzuckerwerten, die jetzt wirklich ausnahmslos im grünen Bereich sind. Regenjacke an, Kapuze auf, feste Schuhe an die Füße, das ist eine ganz andere Art, das Leben zu genießen. Wenn ich laufe, merke ich, wie die Gelenke warm werden. Die Durchblutung wird angekurbelt, die Gedanken werden frei.
Ein bisschen wie bei einer Meditation?
Eisenack: Ich selbst würde das so nicht nennen, aber ich habe eine Methode gefunden, um ins Hier und Jetzt zu kommen – so gesehen trifft es das. Wie gesagt, letztlich waren für mich Verhaltensweisen entscheidend, die ich unabhängig von Ratschlägen von Ärzten und anderen Experten umsetzen kann. Jederzeit. Hier und jetzt, wenn Sie so wollen. Manchmal kann ich es kaum glauben: Ich lebe schon so lange in einer so schönen Gegend und nehme sie erst seit kurzem richtig wahr.