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Wer auch immer Kanzler wird – nach Aschaffenburg hat er nur zwei Optionen | ABC-Z

Nach Mannheim, Solingen und Magdeburg nun Aschaffenburg: Der deutsche Wahlkampf wird – spätestens seit gestern um 11:45 Uhr – von einer Lage dominiert, die man als innere Unsicherheit beschreiben kann. Der heimtückische Mord eines Menschen, der als Gast in dieses Land kam, bewegt und empört die Bürger und verändert damit die Ausgangslage für die Bundestagswahl.

Die Tat: In einem Park in Aschaffenburg hat ein Angreifer eine Kindergartengruppe mit einem Messer attackiert.

Die Folge: Ein zweijähriges Kind und ein Erwachsener starben, ein weiteres Kind und ein Erwachsener wurden schwer verletzt. Der getötete 41-jährige Passant hatte Zivilcourage gezeigt und weitere Kinder vor dem Täter gerettet.

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Der Täter: Festgenommen wurde ein 28-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan.

Die Vorgeschichte: Er war in der Vergangenheit dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen, psychiatrisch behandelt und dann wieder entlassen worden. Seit einiger Zeit stand er unter gesetzlicher Betreuung. Der Mann war 2022 nach Deutschland gekommen, vor etwa anderthalb Monaten hatte er seine freiwillige Ausreise verkündet. Sein Asylverfahren war daraufhin eingestellt und der Mann zur Ausreise aufgefordert worden.

Jetzt kommt es auf den Kanzler in spe an

Für die Parteien hat diese erneute Mordtat eines nach Deutschland Geflüchteten höchst unterschiedliche Folgen.

  • Es gibt derzeit keinen Wind, mit dem ein Wirtschaftsreformer wie FDP-Chef Christian Lindner surfen könnte. Die Flaute in den Umfragen reflektiert diese Situation. Fünf Wochen vor der Wahl steht die Partei bei vier Prozent.
  • Die grüne Zuversichtskampagne läuft ebenfalls ins Leere. Mitten im Wahlkampf findet eine Re-Priorisierung statt, die die Themen Klimawandel und Energiewende nach hinten schiebt. Habeck liegt fünf Wochen vor der Wahl fünf Prozentpunkte unter den Werten von Annalena Baerbock bei der Wahl 2021.
  • Der amtierende Kanzler Olaf Scholz hatte über drei Jahre hinweg die Chance zu handeln. Auch gestern flüchtete er sich in den Stehsatz seiner Beileidserklärungen: „Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen.“ Die SPD dümpelt sieben Prozentpunkte unter den Werten von 2021. Sein Plakatslogan („Mehr für dich. Besser für Deutschland.“) wirkt plötzlich deplatziert.
  • Die AfD wittert Morgenluft. Die Ereignisse spielen der Spitzenkandidatin in die Karten, zumal sie ohnehin fünf Wochen vor der Wahl doppelt so hoch notiert ist wie zum selben Zeitpunkt 2021.
  • In dieser Situation kommt es auf den Kanzler in spe an. Sein Ahrtal-Moment spielt in Aschaffenburg. Friedrich Merz kann sich – wie Scholz – durch floskelhafte Anteilnahme aus der Affäre ziehen oder das zeigen, was Armin Laschet nach der Ahrtal-Katastrophe im Juli 2021, zehn Wochen vor der Wahl, nach Ansicht der Wähler nicht gezeigt hat: Leadership. Merz liegt derzeit vorn, aber es reicht momentan nicht für eine Zweierkoalition – weder mit der SPD noch mit den Grünen.

Merz muss drängende Fragen beantworten

Bisher gab er eine nur unscharfe Vorschau auf das, wofür er als Bundeskanzler stehen möchte, wenn er auf X schreibt: „Wir müssen Recht und Ordnung wiederherstellen!“ Das ist dringend geboten. Aber die entscheidenden Fragen, die er beantworten muss, lauten: Wie? Wann? Mit wem?

Peter Neumann, Professor für Security Studies am King’s College London und ehemals nationaler Sicherheitsberater im Schattenkabinett von Laschet, zeigt Merz im Pioneer-Podcast heute Morgen die Alternativen auf:

„Dieses System, was wir in den letzten Jahren etabliert haben, produziert eine Reihe von Dysfunktionalitäten. Radikalisierung ist die eine, eine andere ist Gewaltkriminalität. Eine dritte ist psychische Erkrankung und natürlich antisoziales Verhalten. Dieses System funktioniert nicht.“

Der künftige Kanzler hat zwei Optionen – und ein logisches Instrument

Der zukünftige Kanzler hat zwei Möglichkeiten, so Neumann im „Pioneer“-Podcast:

„Entweder wir sagen, wir schaffen das, und erhöhen die Integrationsleistung massiv, was natürlich viel an Ressourcen kosten würde.“

Oder:

„Wir sagen, wir schaffen das nicht, und dann reduzieren wir die Zahl. Dann sorgen wir dafür, dass ein neues System entsteht, was für eine kleinere Zahl von Menschen geeignet ist, das der Gesellschaft besser nützt und diese Dysfunktionalitäten nicht produziert.“

Die logische Konsequenz aus beidem wäre eine Art Obergrenze.

„Wenn man das alles hinkriegt, dann kommt man zu einer Situation, wo man sagen kann, wir etablieren Kontingente. Wir nehmen jedes Jahr 50.000 Leute auf. Diese Leute waren dann bereits in sicheren Drittländern, wir können sie aussuchen und vor Ort die Sicherheit überprüfen.“

 

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Fazit: Die Mordtat von Aschaffenburg ist eine Chance für die Politiker der Mitte, ihre Lösungskompetenz zu zeigen. Sie dürften nicht mehr allzu viele Chancen haben. Oder um es mit Prof. Peter Neumann zu sagen:

„So wie es jetzt funktioniert, fliegt uns das politische System irgendwann um die Ohren.“

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