Messerangriff in Southport: „Erst musste die Justiz ihre Arbeit machen“ | ABC-Z
Die Wendung überraschte selbst seine Anwälte: Axel R. (18) hat sich am Montag vor einem Geschworenengericht in
Liverpool der Morde von Southport schuldig bekannt. Der damals 17-Jährige hatte
am 29. Juli 2024 drei Mädchen im Alter zwischen sechs und neun Jahren erstochen,
die an einem Taylor-Swift-Tanzkurs in dem Vorort von Liverpool teilgenommen
hatten. R. gestand auch die versuchten Morde an acht weiteren Mädchen
sowie zwei Erwachsenen an diesem Tag.
Unmittelbar nach dem Schuldeingeständnis gab die britische
Regierung bekannt, was sie schon lange über die Hintergründe des Täters wusste,
der Öffentlichkeit aber bisher nicht mitgeteilt hatte. R., ein Sohn
ruandischer Flüchtlinge, war seit Jahren ein schwer gewalttätiger Teenager, der
sich im Internet an grausamen Gewalttaten berauschte.
In einer Erklärung an die Nation am
frühen Dienstagvormittag beeilte sich Premierminister Keir Starmer
klarzustellen, warum man all die Informationen erst jetzt preisgeben könne. Es
habe sich nicht um ein Cover-up, um eine Verschleierung, gehandelt. „Das
Recht hat es verboten.“ Er, Starmer, habe immer gesagt, dass die Zeit für
Fragen kommen werde. „Aber erst musste die Justiz ihre Arbeit machen.“ Hätten
die Regierung, Ermittler oder Journalisten offengelegt, was sie wussten, hätten
sie riskiert, dass der Strafprozess gegen R. „kollabiert.“
„Besessen“ vom Thema Genozid in Ruanda
Bekannt war den staatlichen Stellen mindestens Folgendes:
Schon 2019, im Alter von 13 Jahren, war R. vor ein lokales Gremium des
Terrorismus-Präventionsprogramms Prevent geladen worden. Er hatte zuvor ein
Messer mit in die Schule genommen und, nachdem er der Schule verwiesen worden
war, einen Schüler mit einem Hockeyschläger angegriffen. Im Jahr 2021 wurde er
zwei weitere Male vor den Präventionsausschuss geladen. Doch dessen Mitglieder sahen
keine Veranlassung, R. in die nächste Präventionsphase namens Channel
weiterzuleiten.
Das hätte bedeutet, dass versucht worden wäre, den Teenager
genauer zu beobachten und wenn möglich zu entradikalisieren. „Diese Beurteilung war
eindeutig falsch“, sagte Starmer am Dienstagmorgen. Die Innenministerin habe
bereits eine Untersuchung zu den Fehlern eingeleitet, die in dem Fall gemacht
worden seien. Dabei würden auch „schwierige Fragen“ untersucht, sagte der Premier.
„Nichts wird unter den Tisch gekehrt werden. Nichts“, versprach er.
Damit dürfte Starmer auf den familiären Hintergrund des
Täters angespielt haben. Anfänglich wurde der von den Behörden lediglich als
„gebürtig in Cardiff“ beschrieben. Das ist nicht falsch. Aber es ist nicht die
ganze Wahrheit. R.s Eltern kamen als Flüchtlinge aus Ruanda, und laut
der Boulevardzeitung Daily
Mail hatte der Vater während des dortigen Völkermordes in den 1990er-Jahren
in einer Miliz der verfolgten Tutsi-Minderheit gekämpft. Ein Ermittler sagte
dem Blatt, Axel R. sei „absolut besessen“ gewesen vom Thema Genozid, es
sei „alles, worüber er reden wolle.“
Das ist deswegen ein wichtiger Punkt, weil die Demonstrationen
und die Unruhen, die es nach den Morden in vielen Städten gab, vielfach von der
Vermutung gespeist waren, die Regierung wolle nicht offenlegen, dass das
Verbrechen mit Einwanderungsfragen zu tun haben könnte. Auf die Straßen trieb
es damals
eben nicht nur gewalttätige Rechtsextremisten, sondern zunächst viele Eltern,
die in Sorge waren, der Staat tue angesichts einer anhaltend starken
Zuwanderung nach Großbritannien nicht genug, um ihre Kinder vor möglicherweise
gefährlichen Einwanderern zu schützen. Auf Social Media hatte sich zunächst die Falschmeldung verbreitet, die Messermorde seien von einem Migranten mit arabischem Namen begangen worden, der erst kurz zuvor per Boot nach England gekommen sei.