Naher Osten: Israelische Siedler hoffen auf Annexion des Westjordanlandes | ABC-Z
Die israelischen Siedler im Westjordanland setzen große Hoffnungen in die zweite Amtszeit des US-Präsidenten Donald Trump und hoffen auf eine baldige Annexion des Palästinensergebietes. Bereits Trumps Friedensplan für den Nahen Osten von 2020 sah eine solche Annexion von Teilen des Westjordanlands durch Israel vor. Damals scheiterte jedoch das Vorhaben.
Die neuen Hoffnungen der israelischen Siedler auf eine Annexion des Gebiets sind nicht unbegründet: Bereits nach seiner Vereidigung nahm Trump per
Dekret die von seinem Vorgänger Joe Biden erlassenen Sanktionen gegen
israelische Siedler im Westjordanland zurück. Joe Biden hatte erst im Februar
2024, ebenfalls per präsidialem Dekret, die Sanktionierung von Menschen
und Gruppen wegen gewalttätiger Übergriffe auf Palästinenser ermöglicht.
Die
Palästinensische Autonomiebehörde kritisierte Trumps Entscheidung und teilte mit, die Streichung der Sanktionen werde die Siedler dazu
animieren, mehr „Verbrechen“ zu begehen.
Netanjahu drängte bereits in der Vergangenheit auf eine Teil-Annexion
Für viele Israelis ist das
Westjordanland, das sie in Anlehnung an zwei biblische Königreiche Judäa
und Samaria nennen, jedoch die Wiege des jüdischen Volkes. Für die
Palästinenser ist das Westjordanland zusammen mit dem Gazastreifen und
Ost-Jerusalem jedoch wesentlicher Bestandteil des von ihnen geforderten
souveränen Palästinenserstaates. Israel hatte das Gebiet im arabisch-israelischen Krieg 1967 erobert und
hält es seitdem besetzt. Inmitten von drei Millionen Palästinensern
leben mehr als 490.000 Israelis im Westjordanland in völkerrechtlich
illegalen Siedlungen, die immer weiter ausgebaut werden.
In seiner vorherigen Amtszeit als israelischer Regierungschef drang
Benjamin Netanjahu auf eine teilweise Annexion des Westjordanlands, gab
jedoch unter internationalem Druck und nach einem Abkommen zur
Normalisierung der Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten
das Ziel vorerst auf.
„Der Staat Israel muss eine Entscheidung treffen“, fordert Israel Ganz,
Leiter des Jescha-Rates, der Dachorganisation der Siedler im
Westjordanland. Denn ohne volle Souveränität „übernimmt niemand die
Verantwortung für die Infrastruktur, die Straßen, das Wasser, den
Strom“. Ganz sagte weiter: „Wir werden alles in unserer Macht Stehende
tun, um die
israelische Souveränität zumindest über das Gebiet C durchzusetzen.“ Die
Zone C umfasst 60 Prozent des Westjordanlands und steht
vollständig unter israelischer Kontrolle, während Zone A autonomes
palästinensisches Gebiet ist und Zone B teilweise autonom.
Annexion wäre „sehr schwerwiegender Verstoß gegen das Völkerrecht“
UN-Generalsekretär António Guterres sprach sich dagegen erneut für eine Zweistaatenlösung aus. Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates sagte er, er sei „zutiefst besorgt“ angesichts einer existenziellen Bedrohung der Integrität und Kontinuität“ der besetzten palästinensischen Gebiete im Gazastreifen und im Westjordanland“. Er warnte, eine vollständige oder teilweise Annexion des Westjordanlands wäre „ein sehr schwerwiegender Verstoß gegen das Völkerrecht“.
Noch bevor Trump im November die Präsidentschaftswahl gewann, warfen Nichtregierungsorganisationen Israel vor, Teile des Westjordanlands de facto bereits annektiert zu haben, indem es immer mehr Land beschlagnahme. Eine offizielle Annexion hätte noch weiterreichende Folgen.
Israel kann derzeit kein privates Land im Westjordanland enteignen, aber „nach einer Annexion würde das israelische Recht dies erlauben. Das wäre eine große Veränderung“, sagt Aviv Tatarsky von der israelischen Anti-Siedlungsorganisation Ir Amim. Im Falle einer Annexion der Zone C würden Palästinensern dort vermutlich Aufenthaltsgenehmigungen und die damit verbundenen Rechte verwehrt.
Über 90 Prozent von ihnen leben in den Zonen A und B, doch diese Gebiete liegen wie Inseln in Zone C. Um ihren Alltag zu bewältigen, ihre Felder zu bestellen, seien die Menschen auf Zone C angewiesen, sagt Tatarsky. Eine Annexion von Zone C wäre für die Palästinenser in der gesamten Westbank deshalb ein „Albtraum“.
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