Früher war alles besser? Von wegen! Schon vor 50 Jahren war München dem Untergang geweiht | ABC-Z
München – Eine gewisse Nostalgie gehört ja zu den ganz normalen menschlichen Eigenschaften. Die Grundüberzeugung, dass es früher halt doch alles ein bisserl besser war, schwingt da fast immer mit.
Und so gehört es zu den schönsten Effekten beim Blättern durch die Archivbände der Abendzeitung, immer wieder festzustellen, dass das früher auch schon oft so war. Mit dem Gefühl, dass es irgendwie alles abwärts geht.
Auch heute mag man in München pessimistisch sein – 1975 waren die Gründe aber ganz andere
Ein besonders schönes Beispiel dafür bietet der Januar 1975, als die AZ gleich ganz explizit titelte: „Mit München geht’s jetzt immer mehr bergab. . .“ Die Beispiele für diese These aber sind aus heutiger Perspektive durchaus überraschend. Die Zeit der Superlative sei „endgültig vorbei“, betont der Reporter.
„Die Stadt, die zuletzt schneller gewachsen ist als jede andere deutsche Großstadt, in der am meisten gebaut wurde und die den Besucherrekord hielt, pendelt sich wieder auf Normalmaß ein.“ Die AZ schaute in ihrer Analyse auf die städtischen Statistiken.
Und die würden „fast durchweg Minuswerte“ aufweisen, heißt es. „Erstmals seit 20 Jahren ging die Münchner Bevölkerung zurück, am Jahresende kamen auf einen freien Arbeitsplatz vier Arbeitslose, die Firmenkonkurse stiegen um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr und auch die Gäste blieben München fern.“ Selbst die Zahl der Autos sei gesunken, heißt es spürbar betroffen im Text – ganz offensichtlich hielt man das 1975 für ein alarmierendes Signal.
Diese überraschende Konsequenz zieht der Oberbürgermeister
OB Schorsch Kronawitter von der SPD übrigens versucht, in jener Münchner Winter-Depression des Januars 1975 ein wenig aufzumuntern. „Eine gravierende Wende sehe ich noch nicht“, sagt er zur AZ. Ein Einbruch, wie man ihn zuvor nicht gehabt habe, sei das Ganze aber schon. Die Stadt werde Konsequenzen ziehen.
Der OB verweist darauf, dass Siemens in Neuperlach 4000 Arbeitsplätze schaffen will – und auf das neue Europäische Patentamt. Aus heutiger Sicht skurril: Man glaubt vor genau 50 Jahren, dass der Wohnraummangel kein Problem mehr sein könne.
Kronawitter kündigt an, den Schwerpunkt künftig nicht mehr auf „Neubau in Außenbereichen“ legen zu wollen – sondern auf die Verbesserung der bestehenden Wohnsubstanz in der Innenstadt. München fühlte sich ganz unattraktiv – das ist tatsächlich mal etwas, das es sehr lange nicht mehr gegeben hat.