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Ruhpolding: Preuß wird Zweite im Einzel – Sport | ABC-Z

Die Parallelen von Spitzen-Biathlon und Oktoberfest drängen sich vielleicht nicht sofort auf, allerdings ändern sich die Dinge. Im Heimatort von Franziska Preuß nähern sich Skijäger und Wiesngänger an. Grund ist, dass dem traditionell bierdurstigen und feierwütigen Ruhpoldinger Publikum seit diesem Jahr ein geräumiges Bierzelt am Stadion zur Verfügung steht. Das Bierzelt ist für Ruhpolding wie eine Renaissance, die Besinnung auf alte Stärken, auch wenn dies bisweilen zur Besinnungslosigkeit führt.

Die jüngere Geschichte des Chiemgauer Biathlon-Weltcups passt gut zu einer Ruhpoldinger Dorfbewohnerin: Franziska Preuß hat in diesem Winter jene Form erreicht, die ihr abhanden gekommen war, mehr als das. Vor nicht allzu langer Zeit beschäftigte sich die 30-Jährige ernsthaft mit dem Gedanken, das Schießgewehr wegzulegen und sich neuen Dingen zu widmen. Sie entschied sich dagegen und für eine Operation an den Nasennebenhöhlen. Ein Eingriff, der vielleicht entscheidend dafür war, dass sie seither stabiler unterwegs ist – und inzwischen so präzise schießt, dass sie wohl auch einen Stecknadelkopf treffen würde.

Womöglich wäre Franziska Preuß längst weitaus höher dekoriert, hätte sie nicht der eigene Körper immer wieder zu langen Karrierepausen gezwungen. Am Donnerstag bei ihrem Heimrennen ging sie nun offensichtlich pumperlgesund an den Start, wie sie hier in Ruhpolding sagen. Beim 15-Kilometer-Einzel räumte sie 19 von 20 Scheiben ab und pflügte durch die Loipe als wären sämtliche Keime dieser Welt erstickt.

Der Trick gegen die Nervosität: Preuß spricht während der Schießeinlage mit sich selbst

Am Ende wurde Preuß Zweite, besser war nur die Französin Lou Jeanmonnot, die wiederum im Gesamtweltcup hinter Preuß auf Rang zwei liegt. Da bahnt sich ein Duell an. Rang drei am Donnerstag belegte Amy Baserga aus der Schweiz, als zweitbeste Deutsche kam Stefanie Scherer bei ihrer Rückkehr in den Weltcup auf Rang 22 ins Ziel, Julia Tannheimer hatte kurzfristig krankheitsbedingt abgesagt. Und Preuß? Hatte ihr gelbes Leibchen zwar ausgezogen, hielt es jedoch in der Mixed Zone wie eine Trophäe in den Händen, ehe sie über ihre Nervenstärke berichtete, bei diesem Rennen vor den Augen ihrer Eltern, ihrer Schwester, dutzenden Freunden und Helfern, die ihr alle die Daumen drückten. Beim letzten Schießen habe sie mit sich selbst gesprochen, sagte Preuß. „Dass ich schon so oft null Fehler an diesem Stand geschossen habe, ich kenne hier jede Schießbahn, ich hab es gefühlt.“

Unweit der Chiemgau Arena hat Preuß mit ihrem Partner Simon Schempp ein Holzhaus gebaut. „Wenn man daheim ist im gewohnten Umfeld, ist die Anspannung nicht ganz so groß, wie wenn man im Hotel ist“, so Preuß. Sechs Jahre ist es inzwischen her, dass sie – wenn man so will – vor ihrer Haustür den Massenstart von Ruhpolding gewann und so ihren ersten Weltcupsieg schaffte. In den folgenden Wintern wurde sie durch Infekte stets zurückgeworfen – und so dauerte es bis zu dieser Saison, ehe sie erneut ganz oben stand, zweimal sogar. Sechs Podestplätze in Serie brachten Preuß im Gesamtweltcup weit vor die Konkurrenz, weswegen sie auch beim Massenstart am Sonntag im gelben Leibchen auf die Strecke gehen wird. Verteidigt sie es bis zum Finale Ende März in Oslo, wäre sie die erste deutsche Gesamtsiegerin seit Laura Dahlmeier, der das Kunststück zuletzt in der Saison 2016/2017 gelang.

Preuß hat nach Jahren voller Infekte Maßnahmen ergriffen: in der Medizin und beim Training

Preuß hat nicht nur medizinische Maßnahmen ergriffen. Während die deutsche Mannschaft gemeinsam trainiert, ist sie inzwischen alleine unterwegs. In vergangenen Wintern sei sie nach Höhentrainingslagern oft krank geworden, erzählt sie in Ruhpolding. Für diese Gruppentrainings fehle ihr mittlerweile „ein bisschen die Überzeugung“, so Preuß: „Ich bin jetzt seit elf, zwölf Jahren im Weltcup, für mich ist es gar keine Motivation mehr, auf offizielle Lehrgänge zu fahren.“ Der Deutsche Skiverband ist damit offenkundig einverstanden. „Franzi ist sehr ehrlich. Man kann mit ihr offen über positive und negative Dinge reden“, sagte Trainer Sverre Olsbu Röiseland unlängst dem ZDF: „Sie will mitverantwortlich sein für ihr eigenes Training, diese Einstellung haben viele norwegische Athleten auch.“

Preuß hat offenbar einen Weg gefunden, den eigenen Körper auszutricksen, einen Weg, der Seitenblicke zulässt. In den sozialen Medien war unlängst eine Videobotschaft von ihr zu sehen, in der sie sich an die Italienerin Lisa Vitozzi wendete, die ihrerseits wegen schwerer gesundheitlicher Probleme die Saison beendet hat. In dem kurzen Clip spricht Preuß ihrer Kollegin Mut zu, die ja auch ihre Konkurrentin ist und vergangenen Winter das gelbe Trikot gewann.

Die Party im Ruhpoldinger Bierzelt geht indes in die nächste Runde, Anlass wird die Staffel der Männer am Freitag sein. Und spätestens wenn die Fans am Samstag nach der Frauenstaffel vom Bierzelt in den Champions-Park weiter ziehen, werden sie den Wert des Bierzelts zu schätzen wissen. Weil es in der berühmten „Strafrunde“ und den anderen Partyhütten noch enger zugeht, als bei den Biathleten in der Loipe.

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