Borussia Dortmund verliert 2:4 bei Holstein Kiel – Sport | ABC-Z
Was eine angebliche Spitzenmannschaft wirklich taugt, wird in England an der Frage gemessen, ob sie ihre Leistung auch in einer „cold, rainy night in Stoke“ abrufen kann. Stoke, eine Stadt in den Midlands, dient hierbei als austauschbares Beispiel für einen Außenseiter, der dem favorisierten Fußballteam durch entschlossene Widerborstigkeit einen unangenehmen Abend bereitet – und sobald man an die eigenen Grenzen stößt, erledigt den Rest halt ein lebensfeindliches Regenwetter.
So gesehen könnte sich Kiel locker als deutsches Stoke etablieren. Auch am Dienstagabend war es wieder richtig ungemütlich in der Küstenstadt, eine steife Brise wehte, und in der Luft hing dieser Nässefilm, wie es ihn nur im Norden der Republik gibt. Fußball bereitet unter solchen Bedingungen nur unverbesserlichen Liebhabern Freude. Und die Mannschaft von Borussia Dortmund, so viel lässt sich behaupten, zählt da schon mal nicht dazu: Sie verlor 2:4 bei Holstein Kiel und belegte in dieser Partie höchstens die eigene Unverbesserlichkeit, aber keine Spitzenteamtugenden. „Unwürdig“, nannte Sport-Geschäftsführer Lars Ricken im Sky-Interview gar den Auftritt in der ersten Halbzeit, die der BVB mit 0:3 verlor: „In solchen Spielen ist es peinlich, beschämend und unwürdig, wie wir die schwarz-gelben Farben repräsentieren.“
Nach einer Grippe- und Verletzungswelle rückten in Kiel Schlotterbeck und Emre Can zurück in die Innenverteidigung, auf der linken Abwehrseite war Ramy Bensebaini rechtzeitig genesen – Angreifer Donyell Malen jedoch war gar nicht erst mitgereist, weil zwischenzeitlich sein lange erwarteter Wechsel zu Aston Villa verkündet wurde, für angeblich 25 Millionen Euro.
Defensive Stabilität, das stellte sich schnell heraus, war durch ein paar Personalwechsel aber nicht zu erlangen. Kiel war im besten Sinne eklig, genau so also, dass es den unbekannten Erfinder der Stoke-Analogie bestimmt stolz gemacht hätte. Die Darbietung des BVB dagegen wäre mit „wischiwaschi“ oder „dödelig“ noch sehr wohlwollend beschrieben. Einfachste Pässe blieben im rumpeligen Rasen stecken, lasche Körperspannung, große Verwirrung in Spielergesichtern, und was auch immer von Coach Nuri Sahin in der Kabine an die Taktiktafel gekritzelt worden war: Seine Spieler müssen während seiner Erläuterungen entweder mit ihren Handys gespielt oder pünktlich zum Anpfiff alles verdrängt haben. Puff – alles weg. Anders ist das, was die Dortmunder da oben in Schleswig-Holstein fabrizierten, jedenfalls kaum zu erklären.
Immerhin: Der BVB kommt in der zweiten Hälfte noch mal zurück ins Spiel
Wie der Abend im Groben laufen würde, zeigte sich bereits in der fünften Minute, als der Kieler Shuto Machino auf Höhe der Mittellinie den Ball auf den schnellen Finn Porath durchsteckte und dieser unbedrängt aufs Dortmunder Tor zu sausen durfte. Porath ließ die Riesenchance zwar liegen. Doch der Kieler Spieler, der sich in den vermeintlichen Dortmunder Hoheitsgebieten austobte, musste auch gar nicht mal Porath heißen, sondern er konnte ebenso gut auf den Namen Phil Harres, Alexander Bernhardsson oder Lasse Rosenboom hören.
Die Szene schien sich in der ersten Hälfte andauernd zu wiederholen: Dortmund vertändelte den Ball, die gut gestaffelten und tapferen Kieler schalteten rasant um – und irgendwo hinter der gelb-schwarzen Fehlerkette tauchte dann ein weitgehend alleingelassener Holstein-Spieler auf, der seine Chance nutzte oder eben nicht. Deshalb an dieser Stelle nur jene Angriffe, nach denen der Ball letztlich im Tor von Gregor Kobel untergebracht werden konnte: Machino, vorausgegangen war ein Ballverlust von Julian Brandt (27. Minute). Harres per Kopf, nachdem Can nicht recht in den Luftzweikampf gekommen war (32.). Und Bernhardsson, der den Ball nach einem Querpass von Harres bequem über die Linie schieben konnte (45.). Kann man das so sagen? Ja, man kann: Das 3:0 zur Halbzeitpause war aus Kieler Sicht immer noch ein, zwei Tore zu niedrig ausgefallen.
Immerhin, der BVB war nicht komplett von sich selbst erschrocken, denn nach Wiederanpfiff ging es in deutlich aufrechterer Körperhaltung weiter. Sahin brachte Waldemar Anton und Maximilian Beyer für Ryerson und Bensebaini ins Spiel, was dabei half, die poröse Defensive zu stopfen und zumindest mittellange Druckphasen aufzubauen. Der etwas später eingewechselte Giovanni Reyna traf dann auch zum 1:3, wobei der Kieler Torwart Weiner in dieser Szene keine gute Figur abgab (71.). Und zum 2:3 durch Jamie Gittens kam es nur, weil dessen Schuss entscheidend abgefälscht worden war (77.). Das Spiel, aus dem sich der BVB eine ganze Halbzeit lang herausgehalten hatte, drohte dann tatsächlich noch zu kippen, als Holsteins Mittelfeldmann Lewis Holtby wegen groben Foulspiels mit Rot vom Platz musste – doch weil in der Nachspielzeit auch noch Fiete Arp zum 4:2 traf, brachte diese cold, rainy night letztlich doch einen verdienten Sieger hervor: Kiel.