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Ex-Weltmeister Magnus Carlsen spielt erstmals für St. Pauli in der Schachbundesliga – Sport | ABC-Z

Als Magnus Carlsen in den Saal spaziert, richten sich die Blicke natürlich darauf, was für ein Outfit er sich diesmal ausgesucht hat. Einem Menschen lässt sich bekanntlich ja ohnehin nicht in den Kopf gucken, auch wenn das in diesem Fall besonders schade ist. Zum einen, weil sowohl Neurowissenschaftler als auch seine Konkurrenten gern wüssten, wie es der Norweger schafft, den Schachsport derart zu dominieren. Zum anderen, weil er sich mittlerweile auch zu der ein oder anderen Schrulligkeit hinreißen lässt. So wie eben neulich die Sache mit der Hose.

Auch Menschen, die den Schachsport nur am Rande verfolgen, dürften mitbekommen haben, wie Carlsen jüngst eine kleine Posse in Gang gesetzt hat, als er entgegen der gültigen Kleiderordnung in Jeanshose bei der Schnellschach-WM aufkreuzte und auf eine drohende Sanktion mit einer Schimpftirade reagierte. Am vergangenen Wochenende hat sich Carlsen erneut für Jeans entschieden, dazu weiße Turnschuhe und ein grauer Hoodie mit dem Klublogo des FC St. Pauli, für den er am Samstag und Sonntag erstmals in der Schachbundesliga antritt. Diesmal handelt es sich beim Outfit allerdings um keine Provokation. Denn in Deutschland reicht es offenkundig, überhaupt eine Hose anzuhaben. Sein Gegner am Sonntag etwa, der in der Weltrangliste auf Platz neun stehende Chinese Wei Yi, hat sich jedenfalls für eine abgewetzte schwarze Jogginghose aus Polyester entschieden.

Da sitzt er also, Magnus Carlsen, Monarch und Gesicht der Schachwelt. Fotografen drängen in den Spielsaal im Brahms-Kontor, einem Bürokomplex im Zentrum Hamburgs, und knipsen alles, was ihnen vor die Linse kommt: Carlsen, wie er sich aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser holt; Carlsen, wie er seinen Kopf auf der Linken abstützt; Carlsen, wie er seine Figuren fein säuberlich in die Mitte der Felder rückt. Und schließlich Carlsen, wie er am Sonntag pünktlich um zehn Uhr seinen ersten Zug macht: Bauer auf e3.

Auch dank Carlsen verlässt St. Pauli erstmals die Abstiegsränge

So dürfte sich das der Millionär und Schachfan Jan Henric Buettner erhofft haben, er ist gewissermaßen der Großmeister, der diesen bemerkenswerten Deal zwischen Carlsen und St. Pauli eingefädelt hat. Buettner, der am Sonntag übrigens eine verwaschene Röhrenjeans trägt, will Schach in Deutschland populärer machen; mit Carlsen ist er befreundet und hat mit ihm nicht nur im Rahmen seiner Weissenhaus Chess Academy zusammengearbeitet, wo unter anderem alternative, schnellere Schachvarianten erprobt werden sollen. Im Brahms-Kontor dagegen muss harter Ligaalltag im klassischen Schach absolviert werden: Auch dank Carlsen, der nach 33 Zügen den niederländischen Großmeister Max Warmerdam (Nummer 82 der Weltrangliste) schlägt, schafft Bundesligaaufsteiger St. Pauli am Samstag seinen ersten Saisonsieg gegen die SG Solingen (5,5:2,5 Punkte). Am Sonntag einigt sich Carlsen mit dem Chinesen Wei Yi schließlich nach 35 Zügen auf ein Remis; wegen ungedeckter Figuren und Mattmotiven war das laut Analysecomputer die folgerichtige Entscheidung. St. Pauli muss sich dem Meisterschaftskandidaten Düsseldorfer SK knapp mit 3,5:4,5 geschlagen geben. Doch immerhin: Mit Carlsen verlässt der Kiezklub erstmals in dieser Saison die Abstiegsränge, ist nun unter 15 Mannschaften Elfter. Nachdem das Pflichtprogramm absolviert ist, ist Carlsen dann auch schnell wieder weg.

Gesehen haben das am Ende des Wochenendes allerdings nur ein paar Fans und Vereinsmitglieder, weil der Spielsaal zwar für einen gewöhnlichen Bundesligaspieltag ausreicht, allerdings nicht für einen Spieltag mit Magnus Carlsen. St. Paulis Schachabteilung hatte Timeslots für 70 Vereinsmitglieder eingerichtet und ein paar Dutzend Eintrittskarten an Fans verkauft, 99 Euro für einen Tag, 150 Euro fürs gesamte Wochenende – mit der Summe, die da zusammenkommt, dürfte Mäzen Buettner sein mutmaßliches Millioneninvestment eher nicht refinanziert haben. Dennoch halten die Beteiligten den Auftritt Carlsens am Sonntag für einen vollen Erfolg. Und eine Miniposse vom Samstag, beim Heimspiel von St. Paulis Fußballern gegen Eintracht Frankfurt, ist da ohnehin längst vergessen: Auf Flugblättern der linken Fangruppierung „Nord Support“ war Carlsen kritisiert worden, weil der angeblich als „globaler Botschafter“ der E-Sports-Weltmeisterschaft in Saudi-Arabien auftrete. Beim „Sündenfall des Magnus C.“, wie es in der Überschrift heißt, handelt es sich allerdings eher um: eine gewöhnliche Geschäftsbeziehung.

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