Musk Weidel Live Talk bei X: „Dauerwerbesendung“ für AfD-Spitzenkandidatin | ABC-Z
Berlin. Bei Musk darf die AfD-Spitzenkandidatin unwidersprochen ihre Parolen loswerden. Sogar neue Erkenntnisse über Hitler hat sie mitgebracht.
Der Moment, in dem deutlich wird, wie sehr sich Alice Weidel im Wahlkampf radikalisiert, endet mit Adolf Hitler. Die AfD-Chefin spricht mit dem Multi-Milliardär Elon Musk in einem „Live Talk“ auf der Plattform X. Es ist Musks soziales Netzwerk. Weidel und Musk haben in dem Moment 200.000 Zuhörer, hinzu kommen Zehntausende, die der Diskussionen auf anderen Plattformen folgen. Mehr als eine Stunde werden sie reden. Wofür andere viel Geld bezahlen, bekommt Weidel umsonst: Werbung. Musk ruft zur Wahl der AfD auf.
Und Alice Weidel? Sie beklagt eine „Zensur“, eine „Meinungsfreiheit“, die es in Deutschland nicht mehr gebe. Dann sagt sie: „Weißt du, was Adolf Hitler als Erstes getan hat? Er hat die Meinungsfreiheit ausgeschaltet.“
Über Hitler reden die beiden dann noch etwas weiter. Weidel sagt, Hitler sei „Kommunist“ gewesen, „Sozialist“. Und die AfD sei das genaue Gegenteil, eine „konservativ-libertäre Partei“. So sieht Weidel es. Das ist interessant, da gerade einflussreiche Teile der Partei um den Thüringer Landeschef Björn Höcke einen völkisch-nationalen Kurs fahren wollen. Mehrere Landesverbände der AfD stuft der Verfassungsschutz als rechtsextrem ein, die Bundespartei gilt den Sicherheitsbehörden als „Verdachtsfall“.
Im „Live Talk“ aber muss Alice Weidel an diesem Donnerstagabend keinen Widerspruch befürchten. Auch nicht bei ihren kruden Thesen über Adolf Hitler. Musk und die AfD-Chefin plaudern 75 Minuten lang, lachen manchmal gemeinsam. Kritische Nachfragen stellt Musk ihr nicht. Der Politikberater und AfD-Beobachter Johannes Hillje fasst das Event so zusammen: „Eine Dauerwerbesendung und Selbstverharmlosungsshow für die AfD.“
Viele hatten das vorab befürchtet. Elon Musk ist Unternehmer, macht Milliarden mit der Produktion von Elektroautos, gründete eine Weltraumfirma. Doch er ist auch politischer Unternehmer, steht fest an der Seite des kommenden US-Präsidenten Donald Trump, soll in seiner Regierung für „Effizienz“ sorgen. Und Musk mischt sich international ein, vor allem über seine eigene Medienplattform X ein. Er rief schon vor dem „Talk“ dazu auf, dass nur „die AfD Deutschland retten könne“. In einem Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“ hatte Musk diese Aussage wiederholt. Musk macht Politik.
Extrem rechte Akteure verbreiten Stunden vor dem Event Werbung
Und für Deutschland hat er sich dafür die AfD ausgesucht. Der „Live-Talk“ mit Weidel ist ein Puzzlestück in dem Bestreben Musks, die AfD als Teil einer globalen neurechten Bewegung zu fördern. Musk Wahlaufruf für die AfD war eine Reaktion auf einen Videospot der deutschen Szene-Influencerin Naomi Seibt. Extrem rechte Akteure wie das „Compact-Magazin“ oder „Kontra-Funk“ verbreiten Stunden davor Werbung für das Event, bieten sogar „Simultan-Übersetzungen“ an.
In dem Gespräch passiert wenig Überraschendes. Erst reden Weidel und Musk über zu viel Bürokratie, dann geht es kurz um das Kernthema der AfD, die Migration. Weidel nimmt es mit den Fakten in dem Talk mit Musk nicht so genau, sagt etwa, die deutsche Polizei „erlaube“ Geflüchteten, vor der Einreise nach Deutschland ihre Pässe wegzuwerfen.
Irgendwann geht es um „zu hohe Steuern“, um Corona-Impfungen, um Bildungspolitik. Weidel behauptet, in der Schule würden junge Menschen „nur Gender-Studies“ lernen. Nächste Falschbehauptung, nächstes Thema. Weidel spricht fließend Englisch. Das hilft ihr jetzt.
Für die AfD-Chefin hat sich schon die Diskussion der vergangenen zwei Wochen um den Auftritt mit Elon Musk als Kommunikationserfolg bezahlt gemacht. Auf Musks Plattform X folgen rund 750.000 Menschen der AfD-Chefin, ihre Posts erreichen normalerweise knapp 200.000 sogenannte Impressionen. So oft werden sie von Nutzerinnen und Nutzern wahrgenommen. Doch seit zwei Wochen erreicht Weidel eine Million Menschen, so jedenfalls hat es Politikberater Hillje ausgewertet. Der Grund: Elon Musk verbreitet Weidels Kommentare.
Knapp 150 Experten der EU verfolgen das Gespräch zwischen Musk und Weidel mit
Ist diese Medienmacht von Musk noch vereinbar mit der deutschen Rechtsprechung? Oder beeinflusst Musk unrechtmäßig den deutschen Wahlkampf? Die demokratischen Institutionen prüfen das jetzt. Die Bundestagsverwaltung kontrolliert nach eigenen Angaben, ob Musks Parteinahme für die AfD eine illegale Parteispende darstellt – also Manipulation des fairen politischen Wettbewerbs. Die AfD widerspricht den Vorwürfen. Es sei ein „offenes Gespräch“.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Nicht nur der Bundestag ist alarmiert. Knapp 150 Experten der EU werden das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel mitverfolgen, wie das Onlineportal „Politico“ berichtet. Sie sollen prüfen, ob Verstöße gegen das EU-Recht vorliegen. Auch hier besteht offenbar der Verdacht, dass Musk der AfD einen unverhältnismäßigen Vorteil verschafft. Rechtlich jedoch scheint das schwer nachzuweisen. Die EU müsse Hinweise haben, dass Musks Plattform gezielt bestimmten Stimmen mehr Sichtbarkeit gibt, so Fachleute. Etwa durch die Manipulation von Algorithmen.
Nach einer Stunde „Live Talk“ hat Musk offenbar keine Fragen mehr an die AfD-Chefin, wirkt, als wolle er das Gespräch beenden. „Gibt es noch Themen, die du besprechen möchtest?“, fragt er Weidel. Doch die möchte noch nicht Schluss machen. Also fragt sie, und Musk erzählt. Ob er an Gott glaube. Und wie es mit seinen Raumfahrt-Expeditionen weiterlaufe. Musk redet fast pausenlos, zwanzig Minuten. „In zwei Jahren können wir Raumschiffe auf den Mars schicken“, sagt Musk. „Wow“, antwortet Weidel. Kurz darauf ist Schluss.
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