Leserbrief zur Klinikreform: Konkurrenzdenken ist der Denkfehler – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Mit Einführung des DRG Abrechnungssystems wurde spätestens 2003 für Krankenhäuser und ihre Ärzte das ökonomische Gewinnstreben und das vergleichende Konkurrenzdenken eingeführt. Es war ein verständlicher Denkfehler von Nicht-Ärzten, die als Politiker glaubten, mit dem Prinzip „Konkurrenz belebt das Geschäft“ eine Leistungssteigerung im Gesundheitswesen erreichen zu können. Eine Leistungssteigerung wurde zwar bewirkt, vielerorts aber in die falsche Richtung. Deutschland wurde so zum Spielfeld der medizinischen Industrie. Je mehr und je teurer, desto besser.
Dazu kamen die sogenannten Mindestfallzahl-Regelungen: Bestimmte, meist lohnende Eingriffe (z.B. künstliche Kniegelenke) sollten nur dort durchgeführt werden, wo mindestens soundsoviele pro Jahr gemacht wurden. Klingt gut, führte aber dazu, dass nicht nur dort neue Kniegelenke eingesetzt wurden, wo die Mindestzahl erreicht wurde, sondern alle Krankenhäuser eiferten nun die Mindestzahl zu erreichen, um nicht vom Geschäft ausgeschlossen zu werden. Als Ergebnis zeigt sich eine kostspielige und zuweilen medizinisch fragwürdige Indikationsausweitung.
Dabei hat die Medizin eigene Gesetze: Sie wird immer effektiver. Früher blieb ein operierter „Leistenbruch“ mindestens 2 Wochen stationär, eine „Gallenblase“ belegte für 3 Wochen ein Bett. Der überwiegende Teil der Patienten, die früher in der Grundversorgung stationär behandelt werden mussten, kann heute bei bester Behandlungsqualität und Sicherheit ambulant versorgt werden. Nur ein kleiner Teil der Patienten bedarf auch heute noch einer – dann allerdings aufwendigeren und spezialisierten – stationären Behandlung. Dafür muss das Krankenhaus teure Vorhaltekosten tragen, die nur bei entsprechender Auslastung finanzierbar bleiben. Beispiel Schlaganfallbehandlung: Es stimmt zwar, dass hier jede Sekunde zählt. Noch wichtiger ist aber der rasche Beginn einer hochaufwendigen, spezialisierten Katheterlabor-Behandlung, die eben nicht in jedem Krankenhaus vorgehalten werden kann. Der bisherige Gedanke einer steuernden Konkurrenz ist hier fehl am Platz. Nicht das gegenseitige Verbergen von Betriebsgeheimnissen wird uns hier weiterhelfen, sondern eine vorbehaltlose ärztliche Kooperation und eine von allen verstandene und akzeptierte, übergeordnete Krankenhausplanung.
Prof. Dr. med. Matthias Richter-Turtur, Münsing