Arbeit: Demotivierte Deutsche? Diese Zahlen sind ein klares Warnsignal | ABC-Z
Arbeitnehmer in Deutschland sind im Vergleich besonders unmotiviert, zeigt eine Umfrage. Es ist ein echtes Warnsignal an Arbeitgeber, die ihre eigenen Leute offenbar vergraulen. Aber auch die Politik sorgt bei Bürgergeld und Lohnentwicklung für das Gegenteil von Motivation.
Achtundvierzig Prozent der Beschäftigten in Deutschland fehlt laut einer Umfrage die Motivation am Arbeitsplatz. Nur jeder zweite Angestellte gibt gegenüber der Prüfungsgesellschaft EY an, auf der Arbeit sein Bestes zu geben.
Diese Daten sollten zu denken geben. Dass Beschäftigte hierzulande offenbar im großen Stil unmotiviert sind, ist ein Warnsignal – an Arbeitgeber und Politiker gleichermaßen. Knapp ein Jahr ist es her, dass der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes, Steffen Kampeter, „mehr Bock auf Arbeit“ forderte. Sein Appell, so scheint es, ist ins Gegenteil umgeschlagen.
Chefs und Vorgesetzte müssen sich fragen: Wie motiviere ich meine eigenen Leute – und wodurch werden sie vergrault? Denn die Umfrage zeigt auch: Natürlich sind externe Rahmenbedingungen entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens und dementsprechend die Konditionen der Angestellten.
Doch die Tatsache, dass fast jeder zweite Beschäftigte seinen eigenen Arbeitgeber nicht weiterempfehlen würde, zeugt von schlechter Führung und fehlgeleiteten Managemententscheidungen.
Schon frühere Erhebungen haben gezeigt: Die Wechselwilligkeit der Deutschen ist auf einem Rekordhoch. Ob Arbeitsbedingungen, Gesundheitsvorsorge, betriebliche Mitbestimmung, Flexibilität, Unternehmenskultur und Weiterbildungsmöglichkeiten – all das sind Punkte, für die Arbeitgeber größtenteils selbst verantwortlich sind und nur schwer mit dem Finger auf die Politik zeigen können.
Dennoch sollten auch diejenigen in Regierungsverantwortung reagieren. Die Umfragewerte der unmotivierten Arbeitnehmer wollen so gar nicht zu den Jubelmeldungen von Arbeitsminister Hubertus Heil und Co. über den neuesten Beschäftigungsrekord passen – der übrigens nur deshalb zustande kommt, weil der Staat selbst Stellen ohne Ende aufbaut.
Gerade die SPD, die sich als Partei der Arbeit versteht, muss sich fragen, was hierzulande eigentlich schiefläuft. Die Fokussierung auf das Bürgergeld, dessen gesetzliche Ausgestaltung den Impuls, mehr zu arbeiten geradezu bestraft, ist das Gegenteil von Motivation.
Dass sich Arbeit rein mathematisch mehr lohnt als nicht zu arbeiten, stellt das Gesetz zwar sicher. Dass ein Vollzeitjob im Niedriglohnsektor aber nur wenig Unterschied macht, und die Verdopplung der Arbeitszeit finanziell überhaupt nichts bringt, entwertet die Arbeit als solche – für Beschäftigte in Zeiten der hohen Inflation und gestiegenen Mieten ein fatales Signal.
Denn am Ende, auch das zeigen Studien, ist der Hauptfaktor für Zufriedenheit im Job immer noch die Bezahlung. Die Reallohnverluste durch die Inflation der letzten Jahre haben nicht nur politische Sprengkraft, sondern können auch für Frust am Arbeitsplatz sorgen.
Nun ist die Forderung nach „höheren Löhnen“ nicht falsch. Erreichen will Arbeitsminister Heil das zur Not durch einen abermaligen Eingriff in die Mindestlohngesetzgebung. Die Forderung nach 15 Euro – einem Plus von fast 20 Prozent zum Status quo – ist ein wichtiges Thema im Wahlkampf von SPD und Grünen. Viele Beschäftigte hätten dadurch zwar mehr im Geldbeutel – aber nicht so viel, wie man denken könnte.
Deutlich stärker belastet wären hingegen die Unternehmen. Eine Rechnung von WELT zeigte kürzlich, dass ein Großteil der Lohnsprünge bei einer Erhöhung auf 15 Euro woanders landen würde: nämlich beim Staat und den Sozialkassen. Der Grund: Weil die Besteuerung gleich hoch bleibt, steigt die Abgabenquote bei Lohnsprüngen überproportional an.
Wenn die SPD nun Wahlplakate druckt, auf denen „Mit Sicherheit – Mehr Netto“ steht, ist das in seiner Grundüberlegung zwar genau richtig, entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie: Nicht nur, dass Vorschläge zu Entlastung – etwa bei der Lohnsteuer – über die vielen Jahre in Regierungsverantwortung ausgeblieben sind. Durch die erhöhten Beiträge für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung wird die Abgabenlast bei vielen Beschäftigten 2025 sogar steigen, wie eine Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.
Das Ganze ist der erste Vorgeschmack auf die kommenden Jahre, wenn das Verhältnis von Beitragszahlern und Empfängern immer weiter ins Ungleichgewicht gerät. Dazu kommen weitere Belastungen durch Erhöhungen bei Grundsteuer, Kfz-Steuer und C02-Steuer. Der neuste SPD-Wahlkampfschlager, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent, hilft da wenig.
Dass der Blick auf Lohnzettel und Konto im neuen Jahr einen Grund mehr liefert, demotiviert zu sein, darf dann niemanden mehr wundern.
Jan Klauth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Arbeitsmarkt-Themen, Bürgergeld, Migration und Sozialpolitik sowie Karriere-Themen. Den zugehörigen Newsletter können Sie hier abonnieren.