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Großer Gefangenenaustausch zwischen Russland und den USA – Politik | ABC-Z

Zwischen Russland, den USA, Deutschland und anderen europäischen Staaten hat an diesem Donnerstag in der Türkei ein großer Gefangenenaustausch stattgefunden. Bei dem größten Deal dieser Art seit dem Kalten Krieg kamen 26 Personen frei. Darunter waren der in Russland inhaftierte Wall-Street-Journal-Reporter Evan Gershkovich sowie der ehemalige US-Marineinfanterist Paul Whelan. Auch der Russe Wadim Krasikow, der im Dezember 2021 wegen eines Auftragsmords im Berliner Tiergarten zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, war Teil des Deals. Der Gefangenenaustausch fand, angeblich unter Koordination des türkischen Geheimdienstes, am Flughafen in Ankara statt.

Der US-Bürger Paul Whelan steht 2020 im Gerichtssaal eines Moskauer Gerichts und hört sein Urteil. (Foto: Sofia Sandurskaya/dpa)

Dem türkischen Präsidialamt zufolge waren von dem Austausch insgesamt 26 Personen betroffen, die in Russland, den USA, Deutschland und drei weiteren westlichen Staaten inhaftiert waren. Insgesamt 13 Personen würden demnach nach Deutschland gebracht, drei in die USA, zehn Personen im Gegenzug nach Russland, darunter zwei Minderjährige. US-Präsident Joe Biden teilte in einer schriftlichen Stellungnahme mit: „Wir haben die Freilassung von 16 Personen aus Russland ausgehandelt, darunter fünf Deutsche und sieben russische Staatsbürger, die in ihrem eigenen Land politische Gefangene waren.“

Für die Bundesregierung erklärte ein Sprecher, das in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und europäischen Partnern die Freilassung von 15 Personen gelungen sei, „die unrechtmäßig in Russland in Haft saßen sowie eines deutschen Staatsangehörigen, der in Belarus zum Tode verurteilt worden war“. Dies sei nur möglich gewesen, indem russische Staatsangehörige mit geheimdienstlichem Hintergrund, die in Europa in Haft saßen, abgeschoben und nach Russland überstellt wurden. Darunter sei auch Wadim Krasikow, der in Deutschland zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, nachdem er in Berlin einen georgischen Staatsbürger ermordet hatte.

Die Bundesregierung habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagt der Regierungssprecher

Die Bundesregierung habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. „Dem staatlichen Interesse an einer Vollstreckung der Freiheitsstrafe eines verurteilten Verbrechers standen die Freiheit, das körperliche Wohlergehen und – in einigen Fällen – letztlich auch das Leben unschuldig in Russland inhaftierter Personen und zu Unrecht politisch Inhaftierten gegenüber“, so der Regierungssprecher. „Unsere Schutzverpflichtung gegenüber deutschen Staatsangehörigen sowie die Solidarität mit den USA waren wichtige Beweggründe.“

In den vergangenen Tagen hatte es bereits Hinweise auf einen bevorstehenden Gefangenenaustausch gegeben. Der Kreml hatte entsprechende Fragen von Journalisten nie kommentiert. Allerdings heizte er die Spekulationen an, als er diese Woche mehrere prominente politische Gefangene gleichzeitig aus ihren Straflagern verlegen ließ, darunter den Menschenrechtler Oleg Orlow und den Oppositionspolitiker Ilja Jaschin. Dazu kam in dieser Woche die Begnadigung eines Deutschen in Belarus: Rico K. war dort wegen eines angeblichen terroristischen Aktes zum Tode verurteilt worden, Belarus’ Diktator Alexander Lukaschenko hob das Urteil am Dienstag auf.

Damit spitzten sich die Gerüchte über einen möglichen Austausch zu, die seit Wochen auch in Russland diskutiert worden waren. Schließlich war auch der US-Journalist Gershkovich erst vor zwei Wochen im russischen Jekaterinburg verurteilt worden, schneller als erwartet. Das Urteil galt immer als Voraussetzung für einen möglichen Deal. Der US-Reporter ist eine der prominentesten Personen unter den Freigelassenen. Er hatte vor seiner Verurteilung als Korrespondent für das Wall Street Journal in Russland gearbeitet. Die Vorwürfe gegen sich wies er, wie auch die Zeitung und die US-Regierung, stets als haltlos zurück.

Entscheidend für den Deal dürfte die Freilassung des Tiergartenmörders sein

Entscheidend für das Zustandekommen des Deals dürfte jedoch eine andere Personalie gewesen sein: In den Verhandlungen zwischen den beteiligten Staaten zeichnete sich früh ab, dass ein Deal ohne Wadim Krasikow nicht möglich sein würde. Deutsche und US-Dienste kamen zu der gleichen Einschätzung, den sogenannten Tiergartenmörder nach Moskau nach Hause zu holen, habe für Russlands Staatspräsident Wladimir Putin selbst hohe Priorität. Schon um jeden weiteren Agenten und selbst Auftragsmördern das Signal zu senden, dass Russland sie niemals vergessen und sich um ihre Freilassung kümmern werde.

So kontaktierten die US-Behörden vertraulich die Deutschen, um zu fragen, ob der verurteilte Tiergartenmörder für einen Austausch zur Verfügung gestellt werden würde. Anfangs gab es Zögern in der Bundesregierung, immerhin ist Krasikow ein im Dezember 2021 zu lebenslanger Haft verurteilter Mörder, der jetzt erst einen geringen Teil seiner Strafe abgesessen hat. Erwogen wurde auch, ob man Krasikow nicht für einen eigenen Deal in der Hinterhand behalten müsse, Russland könne jederzeit etwa einen deutschen Journalisten oder eine Journalistin verhaften – dann brauche man Krasikow womöglich selbst. Politisch motivierte Verhaftungen – faktisch Geiselnahmen – sind ein schmutziges Geschäft, viele Bundesregierungen haben damit inzwischen Erfahrungen machen müssen, am schlimmsten treibt es seit Jahrzehnten Iran. Das Land handelte schon politische Zugeständnisse oder die Umgehung von Sanktionen für die Freilassung deutscher Staatsbürger aus. Mancher in der Bundesregierung fürchtet, dass Russland zu ähnlichen Methoden greifen könnte.

Für Irritation sorgte um die Jahreswende der Gedanke, ob auch der damals in einem russischen Straflager inhaftierte Alexej Nawalny Teil eines Austausch-Paketes werden könnte. Der Fall des in Russland vergifteten – in Deutschland erfolgreich geheilten und dann freiwillig wieder nach Russland gereisten – Regime-Kritikers hatte zu den bis dahin schwersten Verwerfungen im deutsch-russischen Verhältnis geführt. Im Innen- und Außenministerium kamen Fragen auf, man habe Nawalny bereits einmal gerettet, dann habe er sich freiwillig für die Reise nach Russland entschieden. Was, wenn er dies nach der Freilassung wieder so entscheide? Und vor allem: Was für ein Signal sende es, einen zu Unrecht inhaftierten Politiker gegen einen Mörder auszutauschen? Schließlich starb Nawalny in diesem Februar in der Haft, seine Familie und seine Anhänger halten es für Mord. Die westlichen Geheimdienstchefs – darunter solche, die an den Beratungen über einen möglichen Austausch direkt beteiligt sind – erfuhren davon während eines Mittagessens auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

In der Türkei zeigten sich die Regierenden an diesem Donnerstag stolz auf ihre geopolitische Rolle, besonders darauf, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan sowohl mit Russland als auch mit der Ukraine spricht. Er vertraue Russland ebenso sehr wie dem Nato-Partner USA, ließ er wissen. Jetzt spielte die Türkei dank ihrer Verbindungen zu beiden Seiten wohl eine wichtige Rolle bei dem Gefangenenaustausch zwischen Moskau und dem Westen.

Auf dem Flughafen von Ankara fand der Austausch am Donnerstag statt. (Foto: Serdar Ozsoy/Getty Images)

Für Erdoğan, der sich zuletzt erfolglos um einen neuen Getreidedeal zwischen Kiew und Moskau bemüht hat, und der enttäuscht war, dass er bei den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas keine Rolle spielt, ist der Austausch in seinem Land jedenfalls ein politischer Erfolg.

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