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TV-Gelder in der Bundesliga: Mehr Geld für Dilettanten | ABC-Z

In unserer Kolumne “Grünfläche” schreiben abwechselnd Christof Siemes, Anna Kemper, Oliver Fritsch, Stephan Reich – und in dieser Woche Christian Spiller als Einwechsler – über die Fußballwelt und die Welt des Fußballs. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 51/2024.

Ich war dabei, als es passierte. Vor sechseinhalb Jahren saß ich auf der Pressetribüne im Hamburger Volksparkstadion und musste mit ansehen, wie der HSV abstieg. Viele Blicke ins Nichts und feuchte Augen überall, selbst das Maskottchen Dino Hermann schien durch seinen Plüschkopf hindurch zu weinen. Seit diesem Tag habe ich ein Herz für die Raute, verstehe aber sehr wohl, dass die neueste Wortmeldung aus Hamburg wieder einmal Anlass für allerlei Spott bietet.

Der Finanzvorstand des Hamburger SV, Eric Huwer, wünscht sich, dass Traditionsclubs künftig mehr Geld aus dem großen TV-Sack bekommen. Das sagte er der Süddeutschen Zeitung. Seine Begründung: Clubs, für die sich mehr Leute interessieren, sollten mehr bekommen als jene, die vielleicht besser Fußball spielen, für die aber kaum jemand ins Stadion kommt.

Nun streitet der HSV seit vielen Jahren mit Schalke 04 um den Titel des größten Underperformers des deutschen Fußballs. Mit solch einer großen Stadt, so vielen Fans und dem Investor Klaus-Michael Kühne im Rücken zunächst abzusteigen und dann sechsmal hintereinander trotz jeweils üppigem Etat nicht aufzusteigen – das muss man erst mal schaffen. Mehr Millionen für den HSV hätten in etwa denselben Effekt, wie noch ein paar Eimer Wasser ins Hafenbecken zu kippen.

Huwer fordert auf den ersten Blick nicht weniger als: Mehr Geld für Dilettanten! Und dennoch ist an seinem Vorschlag etwas dran.

Wer warum wie viel Millionen aus den TV-Deals der Liga bekommt, wird alle paar Jahre neu diskutiert. Für die meisten Clubs sind die Millionen, die die Fernsehanstalten und Streamingdienste überweisen, der mit Abstand größte Einnahmeposten. Seit Anfang Dezember bekannt wurde, dass die Clubs der Ersten und Zweiten Bundesliga ab Sommer 2025 bis zum Ende der Spielzeit 2028/2029 1,121 Milliarden Euro pro Jahr unter sich verteilen dürfen, insgesamt 84 Millionen mehr als bisher, wird natürlich auch wieder darüber debattiert, was mit diesen Euros passieren soll.

Das momentane System ist perfekt – oder furchtbar ungerecht, je nach Blickwinkel. Weil es für stabile, aber auch festgefahrene Verhältnisse sorgt. Es honoriert vor allem das sportliche Abschneiden der vergangenen Jahre. So bekommt der FC Bayern in dieser Saison etwa 101 Millionen, Holstein Kiel aber nur 31,5. Zusammen mit den Champions-League-Millionen, die die Bayern und die anderen Topclubs einnehmen, führt das zu unzähligen David-gegen-Goliath-Spielen, was sich auch an der Tabelle widerspiegelt. Ganz oben landen meist immer die gleichen Vereine. Die, die Geld haben, weil sie erfolgreich sind, und die, weil sie erfolgreich sind, sicher sein können, demnächst noch mehr Geld zu bekommen. Dass ein kleiner Club einen großen schlägt, kommt immer seltener vor. Der FC Bayern ist auf einem guten Weg zum 12. Meistertitel im 13. Jahr.

Nach diesem Prinzip werden Vereine wie die TSG Hoffenheim oder der FC Heidenheim – letzte Saison auf Platz 7 und 8 gelandet – mit mehr TV-Geldern belohnt als Borussia Mönchengladbach oder 1. der FC Köln, die zuletzt gegen den Abstieg spielten. Obwohl die beiden Traditionsvereine den Sendern deutlich mehr Zuschauer bescherten.

Der Hamburger Huwer hat also durchaus einen Punkt, wenn er meint, dass man die Gelder anders verteilen würde, müsste man die Bundesliga auf einem weißen Blatt Papier neu gründen. Das Interesse von Fans stärker zu belohnen (momentan werden drei Prozent der TV-Gelder auf Basis einer Art Beliebtheitsanalyse verteilt), kann ein Weg sein. Fußball ist Unterhaltung, nicht nur das Spiel an sich hat einen Wert, sondern auch das Stadionerlebnis, die Emotionen rundherum, das Gefühl. Ganz im Sinne des Utilitarismus könnte man die Summe des Wohlergehens aller Betroffenen maximieren, indem man jenen Clubs mehr Geld gibt, die mehr Menschen am Herzen liegen. 

Diese Theorie scheitert nur allzu oft an der Praxis, siehe HSV. Tradition ist keine Leistung, zumindest nicht für die aktuelle Generation. Zumal die Traditionsclubs ohnehin durch höhere Zuschauereinnahmen, Trikotverkäufe und Sponsoringdeals von ihrer Popularität profitieren. Und mehr Geld in dieser Kategorie würde auch wieder den Superreichen wie dem BVB oder dem FC Bayern zugutekommen und ihren Vorsprung weiter vergrößern. Wie der Spiegel berichtet, soll auch der FC Bayern diesbezüglich Druck machen.

Im Januar soll es zu einem Showdown um die Verteilung der TV-Gelder kommen. Wie wäre es bis dahin mit ein paar anderen Ideen? Warum nicht allen gleich viel geben, wie es bis zur Jahrtausendwende in der Liga selbstverständlich war? Auch die US-Ligen teilen ihre TV-Einnahmen unter den Clubs gleich auf, um den Wettbewerb sportlich so ausgeglichen wie möglich zu halten. Sie teilen sogar einen Teil ihrer Ticketeinnahmen miteinander. Eine Form des Sportsozialismus, ausgerechnet im Musterland der freien Marktwirtschaft.

Oder wie wäre es, jene Clubs zu belohnen, die das beste Verhältnis von Etat und Punktzahl haben? Dort wäre das Geld erwiesenermaßen am besten aufgehoben. Und dann wäre da noch die radikale Idee, den Clubs aus dem Tabellenkeller einfach mehr Geld zu überweisen als den Bayern, um so die Mehreinnahmen, die der Krösus der Liga in anderen Bereichen hat, auszugleichen.

Vielleicht auch alles zu kompliziert und ungerecht. Viel schlichter: Es bekommen all jene Teams mehr Geld, die einen Dino als Maskottchen haben.

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