Sicherheitsexperte kritisiert Stadt Magdeburg wegen Weihnachtsmarkt-Schutz scharf | ABC-Z
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Schutzkonzept enttäuscht
Sicherheitsexperte kritisiert Stadt Magdeburg scharf
22.12.2024, 09:51 Uhr
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Das Sicherheitskonzept des Magdeburger Weihnachtsmarktes “war irgendetwas, aber nichts, das den Regeln der Technik entspricht”, sagt ein Experte für Zufahrtsschutz. Auch ein Schausteller zeigt sich ernüchtert. Das Innenministerium verteidigt jedoch die Maßnahmen.
Das tödliche Attentat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt hätte verhindert werden können, ist Zufahrtsschutzexperte Christian Schneider überzeugt. “Mit der Anwendung der anerkannten Regeln der Technik wäre diese Tat nicht möglich gewesen”, sagte der Sicherheitsfachmann dem “Stern”. Der Sachverständige für Planung und Durchführung von Maßnahmen der technischen Gefahrenabwehr präzisierte im Gespräch mit ntv: “Ich sehe gar kein Zufahrtsschutzkonzept. Vielleicht gab es eins, aber keines, das den Namen verdient und von zertifizierten Sachverständigen geplant und aufgebaut wurde”, erklärte Schneider. “Sonst wäre der Anschlag nicht passiert.”
Es gab zwar Betonklötze am Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Doch am abgesenkten Bordstein wurde es dem Autofahrer leicht gemacht, indem keine Barrieren hingestellt wurden.
(Foto: IMAGO/Bernhard Herrmann)
Mit Barrieren, wie sie seit dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz in der Regel vielerorts Verwendung finden, “wäre das Fahrzeug nicht bis auf den Weihnachtsmarkt gekommen”, sagte Schneider dem “Stern”. Ihm zufolge sei Zufahrtsschutz normativ geregelt. In Magdeburg sei dies jedoch nicht umgesetzt worden.
“Es ist richtig, dass Zufahrtsgelegenheiten da sein müssen. Aber das heißt ja nicht, dass die ungeschützt sein müssen”, so der Sicherheitsexperte bei ntv weiter. “Die Zufahrten hätten in jedem Fall geschützt werden können.”
Ähnlich äußerte sich auch Matthias, der seinen Nachnamen nicht nennen wollte und auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ein Kinderfahrgeschäft betreibt, beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). “Das Sicherheitskonzept hier, das können Sie vergessen”, so der Schausteller. Er erklärte weiter, dass die Polizei zwar Präsenz gezeigt habe, allerdings für sein Empfinden zu wenig.
Attentäter benutzte Rettungswege
Der 50 Jahre alte Amokfahrer Taleb A. benutzte Flucht- und Rettungswege, wie Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg, auf einer Pressekonferenz am Tag nach dem tragischen Vorfall erklärte. Demnach sei der Markt an mindestens zwei Stellen nicht ausreichend durch Zufahrtsbarrieren geschützt gewesen, damit Rettungskräfte im Ernstfall schnell helfen können.
Dort hatte die Polizei lediglich mobile Einsatzkräfte positioniert. Dem städtischen Ordnungsdezernenten Ronni Krug zufolge sei der Markt damit “nicht ungeschützt” gewesen. Dieses Konzept sei “nach bestem Wissen und Gewissen” erstellt worden und habe “sich über lange Jahre bewährt”, so Krug auf der Pressekonferenz. Schneider konterte bei ntv: “Wenn jemand sagt, er hat nach ‘bestem Wissen und Gewissen’ gehandelt, kennt er offensichtlich die anerkannten Regeln der Technik nicht.”
Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang verteidigte das Vorgehen ähnlich wie Krug. “Wir können unsere Weihnachtsmärkte nicht einbetonieren”, sagte die CDU-Politikerin zum MDR. Sie geht davon aus, dass der Todesfahrer aufgrund des angeordneten Waffenverbots so schnell gefasst werden konnte. Viele Polizisten kontrollierten nämlich deshalb die Taschen der Marktbesucher an den Zugängen. Ohne diese Schutzvorkehrung wären womöglich weniger Beamte am Tatort im Einsatz gewesen. “Ich glaube, dass das auch dazu beigetragen hat, dass der Täter innerhalb von drei Minuten gestellt werden konnte”, so Zieschang.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser rät derweil nicht grundsätzlich vom Weihnachtsmarktbesuch ab. Die Bundesländer würden nun lageabhängig schauen, “wo müssen wir unsere Weihnachtsmärkte und Polizeipräsenz nochmal verstärken, aber nur da, wo nötig”, so die SPD-Politikerin im ZDF. Mehrere Städte und Länder ergriffen bereits als Folge des Attentats derartige Maßnahmen und ordneten mehr Schutz an.
“Einer der größten Anschläge”
Inzwischen befindet sich Taleb A., der 2006 aus Saudi-Arabien nach Deutschland kam, in Untersuchungshaft. Die Behörden ermitteln wegen des Verdachts des fünffachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes sowie mehrfacher schwerer Körperverletzung gegen ihn. In ersten Verhören gab der 50-Jährige an, so gehandelt zu haben, weil er “unzufrieden mit dem Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen” war, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens.
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober, sprach beim RND von “einem der größten Anschläge, die wir bisher zu verzeichnen hatten”. Zu den 205 verletzten und getöteten Opfern kämen ihm zufolge Hunderte weitere Betroffene hinzu. “Wenn man Tatzeugen und Ersthelfer mitrechnet, potenziert sich das auf eine hohe dreistellige Zahl betroffener Menschen.”
