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Wie Hitler vom Häftling zum Diktator aufstieg | ABC-Z

Stand: 22.12.2024 07:58 Uhr

Kurz vor Weihnachten 1924 kommt Adolf Hitler aus der Haft frei. In München baut er mithilfe reicher Gönner die NSDAP neu auf. 1933 zeigt sich schließlich, wie Hitler seine zweite Chance genutzt hat.

Am 22. Dezember 1924 darf Adolf Hitler die Gefängnisfestung Landsberg vorzeitig verlassen. Bayerns Behörden bescheinigen ihm nach dem Putschversuch vom 9. November 1923 in der Haft gute Führung. Sie müssten ihn als Österreicher eigentlich ausweisen; stattdessen darf er nach München zurück.

Finanziell ist der Neustart gesichert. Er hat in Landsberg “Mein Kampf” geschrieben und einen Verlag gefunden: “Er hatte sich für den Eher-Verlag entschieden. Zum anderen hat er nach wie vor ein Netzwerk an Förderern und Unterstützern gehabt”, sagt der Historiker Othmar Plöckinger, der die wissenschaftlich-kommentierte Ausgabe des Pamphlets miterarbeitet hat, im SWR.

“Tages-Schriftsteller” in Damenobhut

Zu Hitlers Privatleben ab 1925 gibt es bis heute viele Legenden. Der “Tages-Schriftsteller”, so die Eigenbezeichnung, verbringt Zeit in Cafés und seinem Stammlokal “Osteria Bavaria”. Zudem führen ihn reiche Gönnerinnen wie Helene Bechstein, Gattin eines Klavierherstellers, und Elsa Bruckmann, Frau eines Verlegers, in Münchens gute Gesellschaft ein.

Neben politischen Sympathien sieht der Hitler-Forscher Plöckinger Schutzinstinkte als Motiv: “Damit Hitler hier sich in einen gewissen Bereich zurückziehen kann, in dem er sich auch entspannen kann. Wo er auch Kultur genießen kann.”

Politisch ist die Situation dagegen mau. Bei der Haftentlassung hat Hitler sein Ehrenwort gegeben, gesetzestreu zu sein. Deshalb darf er die NSDAP neu gründen und öffentlich reden. Doch die ultrarechte und völkische Szene der 1920er-Jahre ist zerstritten; auch in seiner Partei toben Machtkämpfe. Berühmt sind Passagen in den Tagebüchern von Joseph Goebbels, in denen er von “verkalkten Bonzen in München” schreibt.

Sponsoren finanzieren Großprojekte

Wenig bekannt ist, dass sich die Partei solide neu organisiert. Schatzmeister Franz Xaver Schwarz verlangt für Hitlers Saalauftritte Eintritt und kümmert sich um den Aufbau einer Geschäftsstelle. Diese arbeitet zunächst in einem Hinterhof nahe der Universität, doch schon 1933 kauft die Partei für ihre Reichsleitung ein Palais am Königsplatz – die Münchner nennen es wegen der Uniformfarben der Nazis “Braunes Haus”.

Für derlei Projekte geben Sponsoren aus der Wirtschaft Geld. “Fritz Thyssen war hier nicht ganz untätig”, weiß der Historiker Plöckinger und fügt hinzu, derlei Finanzspritzen seien nicht lebensnotwendig für die NSDAP gewesen: “Der Kern der Einnahmen war diese Förderung sicherlich nicht.”

Wilde Reden im Zirkus

München ist auch Schauplatz großer Auftritte Hitlers. Berühmt sind seine Reden vor Tausenden Anhängern im “Circus Krone”. Der Münchner Rechtsanwalt Otto Gritschneder, der als 18-jähriger Gymnasiast im Herbst 1932 eine der Kundgebungen miterlebt, erinnerte sich in Zeitzeugen-Interviews später an die aufgeheizte Stimmung: “Der Hitler hat also den wahnsinnigsten Unsinn auf unflätigste Weise erzählt in einer so emotional überbetonten Weise, dass man sagen kann: Damit kann man ja keine Politik machen – das war mir schon klar.”

Durch die Weltwirtschaftskrise, die Millionen Menschen in Deutschland in Not stürzt, kann die NSDAP bei Wahlen Erfolge erzielen. 1932 gelingt zudem die Lösung eines anderen Problems: Hitler hat seine Staatsbürgerschaft in Österreich 1925 freiwillig abgegeben. Als Staatenloser kann er weder für ein politisches Amt kandidieren noch selbst wählen. Nun ernennt ihn Braunschweig, wo die NSDAP mitregiert, zum Regierungsrat, und als Beamter wird er automatisch deutscher Staatsbürger.

Lehrstück über den Wert von Demokratie

Der Rest ist den meisten bekannt: Die NSDAP wird 1932 zur stärksten Partei im Land. Durch gegenseitige Intrigen konservativer Politiker zerfällt die Weimarer Demokratie atemberaubend schnell. Am 30. Januar 1933 ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg Hitler zum Reichskanzler: keine “Machtergreifung”, wie die Nazis behaupteten, sondern ein Überlassen der Macht.

Für den Hitler-Experten Plöckinger ist Hitlers Aufstieg nach 1925 ein fatales Beispiel dafür, wie teuer es kommen kann, wenn die Demokraten ihre Feinde unterschätzen und sich gegenseitig im politischen Alltag zerfleischen: “Wenn die Bereitschaft, Demokratie als einen Selbstwert für ein gesellschaftliches, tolerantes Miteinander zu sehen, wegbricht, dann öffnet das Möglichkeiten für Personen wie auch einen Hitler.”

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