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Was Immobilienbesitzer jetzt wissen müssen | ABC-Z

Darmstadt ist wahrlich keine arme Stadt. Sie ist Sitz des Chemie- und Pharmakonzerns Merck, Universitätsstadt und Standort für viele andere Forschungseinrichtungen. Aber Darmstadt hat auch einen Superlativ, auf den es sicher gerne verzichten würde. Es ist die Großstadt, die die Grundsteuer in den vergangenen Jahren am stärksten angehoben hat. Für 2024 erhöhte die Stadt die Steuerlast um 64 Prozent.

Unter den 100 größten Kommunen Deutschlands verlangen jetzt nur noch drei andere Städte von den Immobilienbesitzern eine höhere Grundsteuer. Über die Mietnebenkosten sind davon auch die Mieter betroffen. Darmstadt will mit der Erhöhung Haushaltslöcher schließen. So wie viele weitere Kommunen.

Nach einer Auswertung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) für den Hauseigentümerverband Haus & Grund haben 26 der 100 größten Städte die Grundsteuer zwischen 2021 und 2024 erhöht, viele in diesem Jahr. Nur eine, nämlich Duisburg, hat die Steuer seit 2021 etwas ermäßigt, nachdem die Landeszuschüsse höher ausgefallen waren. Die Stadt gehört aber trotzdem weiter zu den Kommunen mit der höchsten Grundsteuer in Deutschland.

Die Kommunen nutzten 2024 die letzte Chance für eine Erhöhung, bevor in gut zwei Wochen mit dem Jahreswechsel die neue Grundsteuer in ganz Deutschland in Kraft tritt. Die bisherige Grundsteuer steigt schon seit Jahren an, 2024 besonders stark.

Das Versprechen der Regierungen, die Steuern stabil zu halten, gilt offenbar nicht für Immobilienbesitzer. Das zeigt eine Langzeitauswertung der Steuerberatungsgesellschaft EY von 2005 bis 2023 für alle rund 10.000 Kommunen (außer den Stadtstaaten). Sie hat sich dazu die Hebesätze angesehen. Sie werden auf den Grundsteuermesswert aufgeschlagen, der sich aus dem Immobilienwert und einer Messzahl errechnet. Jede Kommune legt den Hebesatz selbst fest. Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer für Unternehmen die Haupteinnahmequelle.

Am häufigsten wurde in Rheinland-Pfalz erhöht

Nach den Zahlen der Studie ist der durchschnittliche Hebesatz seit 2005 in keinem Jahr gesunken. Er erhöhte sich um fast ein Drittel auf 409 Prozent. 2005 hatten nur fünf Prozent der Kommunen einen sehr hohen Hebesatz von mehr als 400, 2023 waren es schon 53 Prozent. Von 2018 bis 2023 erhöhte fast die Hälfte der Kommunen die Hebesätze, und nur 1,4 Prozent ermäßigten sie.

Die meisten Anhebungen gab es in Rheinland-Pfalz, wo der Kommunale Finanzausgleich reformiert wurde. Um Einnahmeverluste zu vermeiden, mussten die Städte und Gemeinden dort ihre Hebesätze häufig anheben. Oft erhöht wurde auch in Hessen und im Saarland, während in Bayern und den ostdeutschen Bundesländern die Grundsteuer fast überall stabil blieb. Insgesamt ist das Aufkommen aus der Grundsteuer stetig von jährlich zehn Milliarden Euro 2005 auf erwartete 15,5 Milliarden Euro 2024 gestiegen. Der Anteil an allen Steuern ist aber gesunken, weil die übrigen Steuern stärker zulegten.

Gemeint ist dabei die Grundsteuer B für alle Immobilien außer Agrarflächen, für welche die viel unbedeutendere Grundsteuer A erhoben wird. Von 2025 an soll es auch eine Grundsteuer C für unbebaute, baureife Flächen geben. Sie soll so hoch sein, dass sie eine Bautätigkeit anregt. Bisher will sie nur Hamburg einführen.

Die Grundsteuer C gab es schon einmal vor ein paar Jahrzehnten, dann wurde sie abgeschafft und erlebt nun eine Renaissance. Sie ist mit der erneuerten Grundsteuer B Teil einer Reform, die das Bundesverfassungsgericht verlangt, weil die Immobilien bisher noch mit Einheitswerten von 1964 (Westdeutschland) und 1935 (Ostdeutschland) bewertet sind und damit nicht mehr den Realitäten entsprechen. Das bisherige System führte zu vielen Ungerechtigkeiten.

Die Politik gab ein Versprechen ab

Für die Reform musste der Wert von mehr als 20 Millionen Immobilien neu ermittelt werden. Auch das Berechnungsverfahren ist künftig anders und nicht mehr einheitlich in Deutschland. Elf Bundesländer halten sich an das komplexere Bundesmodell, das neben dem Bodenrichtwert unter anderem eine fiktive Miete, das Baualter und die Wohnfläche berücksichtigt. Baden-Württemberg orientiert sich nur an den Bodenwerten, Bayern rechnet lediglich die Flächen aus, unabhängig von deren Wert. Hessen, Niedersachsen und Hamburg kombinieren eine Flächenberechnung mit der Lage der Immobilie.

Die Politik versprach, dass die Kommunen durch die Reform nicht mehr Geld einnehmen sollen als bisher. Dieses Versprechen steht nun auf dem Prüfstand. Das macht es politisch sehr schwer, die Grundsteuer für 2025 zu erhöhen. Denn die Kommunen stehen unter genauer Beobachtung, ob sie das Versprechen der Aufkommensneutralität einhalten. Manche Bundesländer wie etwa Hessen haben sogar für jede Kommune errechnet, wie hoch ihr Hebesatz sein muss, damit dieses Versprechen nicht gebrochen wird.

Lieber 2024 als 2025 erhöhen

So war es politisch verlockend, finanzielle Engpässe lieber noch 2024 als 2025 mit einer höheren Grundsteuer zu reduzieren. „Vor dem Inkrafttreten der Reform sehen wir eine Welle an Steuererhöhungen in den Kommunen – bevorzugt in den Bundesländern, die traditionell unter einer sehr schlechten kommunalen Finanzlage leiden. Das sind vor allem die Bundesländer in Westdeutschland“, sagt Heinrich Fleischer, Partner und Immobilienexperte bei EY. „Angesichts der hohen Inflation der vergangenen Jahre kämpfen viele Kommunen mit Kostensteigerungen, die sie weitergeben müssen.“

Für 2025 sind die Kommunen hingegen wegen der Steuerreform und der damit verbundenen erhöhten Beobachtung erwartungsgemäß vorsichtig. So will zum Beispiel Darmstadt nun den Hebesatz für 2025 nur aufkommensneutral so anpassen, wie das Land es vorgerechnet hat. Genauso verfahren in Hessen auch die anderen großen Städte Frankfurt, Fulda, Hanau und Wiesbaden. Bad Homburg bleibt sogar etwas unter der Landesempfehlung, senkt also die Grundsteuer. Einige andere, kleinere Städte des Landes erhöhen hingegen auch 2025 die Sätze.

Das werden auch noch andere Kommunen tun. Immobilienexperte Fleischer zweifelt daher daran, dass die versprochene Aufkommensneutralität tatsächlich erreicht werden wird: „Angesichts der aktuell sehr schwachen Konjunkturentwicklung dürfte der finanzielle Spielraum der Kommunen mittelfristig eher kleiner als größer werden. Das heißt: Die Versuchung, im Zuge der Umstellung auf das neue Grundsteuermodell zusätzliche Mehreinnahmen zu erzielen, ist sehr groß.“ Die Steuerschätzung geht hingegen davon aus, dass die Grundsteuereinnahmen 2025 und 2026 minimal um je 1,3 Prozent steigen werden, so wenig wie seit 16 Jahren nicht mehr.

Viele Hausbesitzer bleiben im unklaren

Viele Kommunen haben jedoch noch gar nicht festgelegt, wie hoch die Grundsteuer 2025 ausfallen wird. Sie haben dafür bis zum 30. Juni 2025 Zeit. Auch Hamburg hat Immobilieneigentümer noch nicht angeschrieben, wie viel sie künftig zahlen müssen. Das führte zur kuriosen Situation, dass der Senat die Eigentümer aufforderte, die im Februar übliche Vorauszahlung erst einmal nicht zu leisten, damit sie nicht nachher aufwendig korrigiert werden müsse.

In Berlin ist es umgekehrt. Die Stadt war eine der ersten, die den neuen Hebesatz bekannt gab und für jeden Bürger die Steuerlast ausrechnete. Er halbiert sich in etwa, was dazu führen werde, dass Berlin durch die Reform nicht mehr Geld einnehmen werde, behauptet die Senatsregierung. Selbst wenn das wirklich so kommt, ist klar, dass das nur für die Stadt insgesamt gilt. Einige Immobilienbesitzer werden mehr zahlen, andere weniger.

Das zeigen erste Auswertungen. Eigentümerverbände und der Steuerzahlerbund zitieren dabei vor allem Fälle mit großen Anstiegen von mehreren Hundert Prozent, verbunden mit dem Verweis, dass die neue Rechenverfahren ungerecht seien. Sie kritisieren vor allem das komplizierte Bundesmodell und haben mehrere Klagen eingereicht, die bisher aber fast alle zurückgewiesen wurden, wie eine Auswertung der Steuerberatungsgesellschaft KPMG zeigt. Dass auch viele Immobilienbesitzer entlastet werden, wird kaum erwähnt.

Haus & Grund hat in einer nicht repräsentativen Stichprobe unter 200 Mitgliedern in Berlin 22 Prozent entdeckt, deren Grundsteuer um bis zu zwei Drittel sinkt. Andere Auswertungen zeigen, dass Wohnimmobilien durch die neue Grundsteuer manchmal stärker als Gewerbeimmobilien belastet werden. Einige Bundesländer wie Berlin haben deswegen die Messzahl für Gewerbeimmobilien erhöht, was allerdings auch Wohnungen in gemischt genutzten Häusern trifft. Andere Länder wollen unterschiedliche Hebesätze erlauben, was verfassungsrechtlich problematisch werden kann.

Bauliche Änderungen bis Jahresende anzeigen

Es sind also noch einige Fragen offen, obwohl die Reform in zwei Wochen in Kraft tritt. Auch die Bürger können sich nicht zurücklehnen, auch wenn sie ihre Hauptarbeit mit der Bewertung ihrer Immobilien schon 2022 geleistet haben. Denn alle größeren baulichen Änderungen seitdem müssen sie anzeigen, zum Beispiel Anbauten, die Umwandlung von Büros in Wohnraum oder gar einen Abriss.

„Änderungen der Jahre 2022 und 2023 müssen bis Jahresende elektronisch über das Programm Elster angezeigt werden. Für Hamburg ist die Frist schon abgelaufen“, betont Steuerberater Jürgen Lindauer von KPMG. Änderungen von 2024 müssten bis zum 31. März 2025, in Hessen und Baden-Württemberg schon bis zum 31. Januar gemeldet werden. In Zukunft müssen sie immer innerhalb von 14 Monaten angezeigt werden, sonst wird für jeden Monat 25 Euro Verspätungszuschlag fällig.

Wer glaubt, seine Immobilie sei deutlich zu hoch bewertet, der hat eine weitere Aufgabe vor sich: Er muss prüfen, ob der vom Finanzamt festgestellte Wert mindestens 40 Prozent, in Baden-Württemberg 30 Prozent über dem tatsächlichen liegt. Wenn das ein Gutachter feststellt, dann wird dieser niedrigere Wert angesetzt, und die Grundsteuer sinkt entsprechend. Allerdings kostet ein Gutachten mehrere Tausend Euro und spart im Erfolgsfall nur bis 2030 Geld, bis das Finanzamt wieder eine aktualisierte Immobilienbewertung fordert. Bei Kosten von etwa 5000 Euro muss die Grundsteuer also schon 833 Euro im Jahr niedriger ausfallen, damit sich ein Gutachter lohnt. Das wird selten der Fall sein.

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