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Wie die Ehrlich Brothers Kindern mit Behinderung helfen | ABC-Z

Frau Bonfert, in der ersten Folge des Formats „Magic Moves“ mit den Ehrlich Brothers haben Kinder mit Hemiparese erzählt, was sie in ihrem Alltag gerne selbst können würden: Pizza schneiden oder Schuhe binden – Dinge, die für viele von uns selbstverständlich sind. Wie zeitintensiv ist es für die Kinder, diese Ziele zu erreichen?

Dr. med. Michaela Bonfert: Gemeinsam mit den Eltern und den Kindern werden in der Therapie Ziele gesetzt, die den Alltag betreffen. Was macht die Kinder unabhängiger und selbständiger? Bewegungsabläufe, zum Beispiel das Öffnen eines Joghurts, müssen häufig schrittweise erlernt werden, indem sie in viele Einzelteile zerlegt werden. Das wird in der Therapie besprochen. Der Erfolg kommt dadurch, dass die Kinder zu Hause mehrmals täglich versuchen, ihre Alltagsziele zu erreichen. In der Therapie geht es nicht darum, Perlen aufzufädeln. Davon hat niemand etwas.

Insgesamt zehn von Hemiparese betroffene Kinder durften für die Sendung ein Zaubercamp mit den berühmten Zauberern Andreas und Chris Ehrlich besuchen. Was genau ist eine Hemiparese?

Dr. med. Alexandra Sitzberger: Eine Hemiparese ist eine halbseitige körperliche Lähmung und beruht meistens auf einer Schädigung des Gehirns. Häufig ist diese Schädigung angeboren und zum Beispiel auf einen Schlaganfall im Mutterleib, eine Hirnfehlbildung, eine Frühgeburt oder eine Entzündung des Gehirns zurückzuführen. Seltener ist eine erworbene Hemiparese. In diesem Fall tritt die Schädigung erst im Kindes- oder Jugendalter auf. Häufigste Ursachen hierfür sind der kindliche Schlaganfall oder Schädelhirnverletzungen durch Unfälle.

Welche Auswirkungen hat die Gehirnschädigung?

Sitzberger: Je stärker die Schädigung des Gehirns ist, desto stärker ist meistens auch die Ausprägung der Lähmung in den Extremitäten, also den Armen und Beinen. Betroffene sind motorisch eingeschränkt, meist mehr die Arm-Hand-Funktion als die Mobilität. Aber auch Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung oder kognitiven Entwicklung sowie Aufmerksamkeitsstörungen oder Verhaltensprobleme können durch die Gehirnschädigung verursacht werden. Außerdem kann eine Epilepsie bestehen. Andere neurologische Systeme, die beeinflusst werden können, sind das Hören und das Sehen.

Ist die Krankheit heilbar?

Sitzberger: Es handelt sich bei der Schädigung um eine Läsion, also eine Gewebeschädigung, die irreversibel ist. Es ist wie eine Narbe im Gehirn. Je früher man aber erkennt, dass ein Kind diese Narbe hat, desto erfolgreicher kann man das Krankheitsbild positiv beeinflussen. Ein frühzeitiger Therapiebeginn kann das Entwicklungspotential des Kindes positiv beeinflussen. Meistens sehen Eltern schon früh, dass etwas nicht stimmt, weil ihr Kind zum Beispiel wegen einer erhöhten Muskelspannung eine Hand nicht gut öffnen kann oder einen Arm weniger bewegt als den anderen. Leider erfolgt die Diagnose trotzdem häufig erst im Alter zwischen anderthalb und sechs Jahren.

Von links: Dr. Alexandra Sitzberger, Maike Marx, Dr. Michaela Veronika BonfertContent Laden

Maike Marx: Das ist tragisch, denn wir wissen aus Studien, dass bereits im Alter von vier Jahren die Möglichkeit, Funktionen zuzugewinnen, rapide abnimmt. Es herrscht unter Ärzten noch immer der Irrglaube, Ergotherapie wäre erst ab drei Jahren möglich, doch gerade davor sollte schon mit der Therapie begonnen werden – das nennen wir „Early Intervention“.

Welche Therapieansätze gibt es aktuell, und welche Ziele werden dort verfolgt?

Bonfert: Unser Auftrag als Team aus Ärzten, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und Psychologen ist es, das Kind in seiner Entwicklung zu begleiten. Sie wissen ja, wie schnell sich kleine Kinder entwickeln. Deshalb muss man nah dabeibleiben, um sicherzustellen, dass sich das Kind trotz der Behinderung möglichst altersentsprechend entwickeln kann. Das Kind wird aber immer Einschränkungen haben, egal wie sehr wir an ihm ziehen und zerren.

Im Rahmen des Formats haben Sie eine wissenschaftliche Studie durchgeführt. Zehn Kinder sind eine niedrige Fallzahl, noch dazu haben sie ganz unterschiedliche Geschichten und sind schwer vergleichbar. Was waren Ihre Forschungsziele?

Bonfert: Das Ziel ist zu verstehen, welches Kind zu welchem Entwicklungszeitpunkt am meisten von welcher Therapie profitiert. Obwohl die Hemiparese weltweit ein verbreitetes Krankheitsbild ist, gibt es darüber zu wenig Forschung. In der Kinderneurologie sehen wir das leider an allen Ecken und Enden. Für Kinderforschung fehlt die Finanzierung. Man findet unter den wenigen Studien zur Hemiparese hauptsächlich welche mit kleinen Fallzahlen. Es gibt sehr hohe Hürden, die Kinder in Studien einzubinden.

Außerdem sind die Kinder sehr heterogen. Die Ursachen der Gehirnschädigung sind völlig unterschiedlich, die Diagnosen wurden nicht zu den gleichen Zeitpunkten gestellt. Es ist uns aber dennoch gelungen, eine möglichst homogene Gruppe an Kindern zusammenzustellen: Sie sind ungefähr gleich alt und haben mit ähnlichen Ausprägungen der Hemiparese zu kämpfen. Mit zehn Kindern kann man keine harte Statistik durchführen, das ist völlig klar. Das Projekt, das in Kooperation mit der TU München stattfand, ist eine Pilotstudie, die uns erste wertvolle Daten liefert.

Im Zentrum steht die Frage, wie Zaubertricks als Therapieansatz bei Hemiparese fungieren können – eine Kombination, die zunächst stutzig macht. Was macht das Zaubern denn so magisch?

Bonfert: Das Lernen eines Zaubertricks hat eine nützliche Parallele zur Ergotherapie: Bewegungen werden Stück für Stück gelernt. Die Kinder lernen nicht nur den Trick, sondern eine globale Strategie, die sie dann selbst im Alltag bei anderen Tätigkeiten anwenden können. Wenn Sie einem Kind einen Zaubertrick beibringen, erlebt das Kind das außerdem nicht als Therapie. Es lernt etwas Besonderes, das wenige Menschen können. Andere beeindrucken zu können, das motiviert. Die Vertiefung in den Trick führt dazu, dass die Kinder sich intuitiver bewegen. Das Wichtigste ist: Einmal 40 Minuten die Woche reicht nicht. Wenn Sie einen Marathon laufen wollen, müssen Sie täglich laufen gehen. So ist es auch mit der Arm-Hand-Funktion. Sie müssen es zehntausendmal machen, damit es funktioniert. Und das Zaubern motiviert die Kinder eben genau dazu, es zehntausendmal zu machen. Sie sind morgens zaubernd aufgestanden und abends zaubernd ins Bett gegangen.

Die Kinder hatten Zaubertraining mit den Ehrlich Brothers, die sie selbst aus dem Fernsehen kennen. Wie lief ein Tag im Camp ab?

Marx: Die Tage haben in der Regel mit einem Zaubertraining begonnen. Dort haben die jeweiligen Therapeuten zusammen mit den professionellen Zauberern gemäß den individuellen Therapieplänen gearbeitet: Gummitricks, Seiltricks – es waren die unterschiedlichsten „Basistricks“ dabei, und jedes Kind hat im Verlauf mindestens einen komplexen Trick, der maßgeschneidert für es ausgewählt war, trainiert. Dann hatten die Kinder eine Neurostimulationseinheit, in der bestimmte Muskelgruppen durch elektrische oder elektromagnetische Stimulation aktiviert werden. Dann haben die Kinder an ihren jeweiligen drei Alltagszielen gearbeitet.

Ein wichtiger Unterschied zu Schulalltag an der Regelschule war bei „Magic Moves“, dass die Kinder ständig andere Kinder um sich hatten, die selbst an Hemiparese leiden. Im Fernsehen waren sehr emotionale Szenen zu sehen. Hatte die Umgebung einen psychologischen Effekt?

Sitzberger: Die Interaktion zwischen den Kindern war von großem Nutzen. Es war hinreißend, dass sie damit begonnen haben, sich gegenseitig Dinge beizubringen. Während der eine das Brötchen gut aufschneiden kann, schafft es der andere, die Schokocreme draufzuschmieren. Für die Kinder ist es viel motivierender, wenn sie diese „Tricks“ von anderen Kindern lernen.

Bonfert: Die Freundschaften, die dort entstanden sind, sind von riesigem Nutzen für die Kinder. Auch unter den Eltern sind Freundschaften entstanden, auch ihnen hat es geholfen, Eltern kennenzulernen, die einen ähnlichen Alltag haben. Zu wissen, dass man nicht allein ist, lässt neben dem eigentlichen Therapiesetting viel positive Energie entstehen. Das muss wiederum beachtet werden, wenn man die Ergebnisse der Studie betrachtet.

Ist die Studie auch ein wichtiger Schritt in Sachen Wissenschaftskommunikation?

Bonfert: Das Format ist eine tolle Plattform, um einer großen Öffentlichkeit zu zeigen, wie wichtig Kinderneurologie als Fach innerhalb der Pädiatrie ist, wie wichtig moderne und innovative Therapie- und Forschungsansätze sind und vor welchen Herausforderungen die Familien und Kinder stehen. Insofern leistet das Format einen wichtigen Beitrag zur Inklusion, denn es lässt die Herzen aufgehen und zeigt eindrücklich, dass mehr für Kinder und Jugendliche mit Behinderung getan werden kann und muss.

Andreas Ehrlich sagt in der ersten Folge: „Ich wünsche mir, dass wir am Ende unseres Camps vielleicht sagen können: Das war der größte Trick unseres Lebens.“ Würden Sie sagen, das ist gelungen?

Bonfert: Das Camp liegt eine gewisse Zeit zurück, und noch immer sind wir völlig überwältigt von dieser Zeit. Für uns ist es auf jeden Fall der größte Trick unseres Lebens. Es ist ein unfassbar schönes Projekt, und wir arbeiten bereits an der Weiterentwicklung.

„Magic Moves“ läuft am 21.12. um 19.25 Uhr im ZDF.

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