Eintracht Frankfurt in Bundesliga gegen Mainz 05: Spieler scharren mit Hufen | ABC-Z
Mit Nachbarn ist das so eine Sache. Die einen bringen zum Adventskaffee selbst gebackene, buttrige Plätzchen mit, andere verschwinden hinter einer hohen Ligusterhecke. Bei Fußballklubs ist das nicht anders. Seit fast 20 Jahren spielen die Eintracht und der FSV in der Bundesliga gegeneinander, ununterbrochen seit 2012. Und weil der HSV oder Schalke in der zweiten Liga spielen, ist die Partie zwischen Frankfurt und Mainz eine der letzten in der Bundesliga, für die sich Fans des Gegners nur in die S-Bahn setzen müssen, um dabei zu sein.
Von einem Derby spricht jedoch niemand so richtig gern, weder in Frankfurt noch in Mainz. Ein Nachbarschaftsduell sei es eben, sagen beide Seiten. Ob der Nachbar gern gesehen ist? Aus Frankfurter Sicht vermutlich schon. Achtmal in Serie hat die Eintracht gegen Mainz nicht verloren.
„Ob der Gegner jetzt aus 60 oder 200 Kilometern Entfernung anreist, das macht mit mir erst einmal nichts“, sagt Trainer Dino Toppmöller. Er selbst habe ja noch im Eintracht-Trikot gegen die Mainzer gespielt, damals in der zweiten Liga. Heute sind die Vorzeichen andere: Beide Klubs spielen um die Qualifikation für den Europapokal, die Eintracht liegt mit 27 Punkten auf Rang drei, Mainz mit fünf Punkten weniger auf Platz sieben.
„Eine schöne Herausforderung“
„Der Verein hat eine tolle Entwicklung genommen“, lobte Toppmöller. Das klang ein bisschen nach Kaffeekränzchen unter befreundeten Nachbarn. „Aber die Mainzer wissen ganz genau, was auf sie zukommt, wenn sie hier morgen in unser Stadion fahren und vor unserem Publikum spielen müssen.“ Das klang schon eher nach Gartenhecke.
Beim letzten Aufeinandertreffen krampfte sich die Eintracht im Januar auf Platz sechs stehend gegen den Drittletzten zu einem 1:0 durch ein spätes Tor von Mario Götze. Heute wirken die 05er, die in der laufenden Saison schon Dortmund und den FC Bayern besiegt haben, wie ein ebenbürtiger Gegner.
„Sie sind sehr gierig und haben eine hohe Spielaktivität. Das wird eine schöne Herausforderung, die da auf uns zukommt“, mahnte der Trainer. Auch wenn den Rheinhessen ihr bester Spieler, Nationalstürmer Jonathan Burkardt, fehlt – es ist ein anderer Gegner als vor rund einem Jahr. Historisch gesehen ist das außergewöhnlich: Oft stand vor dem Rhein-Main-Duell mindestens einer der beiden Klubs am anderen Ende der Tabelle, zuletzt waren es häufiger die Mainzer.
Dass sich beide Mannschaften mit offenem Visier duellieren und im Stile von zwei Top-Teams ständig angreifen, davon ist nicht auszugehen. Lyon, Leipzig und Augsburg haben gezeigt, wie der Eintracht beizukommen ist: aus einer tieferen Grundordnung, die es verhindert, dass Marmoush und Co. den Gegner überrennen. Viermal in Serie hatte die Eintracht häufiger den Ball als ihre Widersacher, ein Unentschieden sprang dabei heraus – und drei Niederlagen. Wird sie gegen Mainz eine Lösung finden?
Er habe sich da auch so seine Gedanken gemacht, sagt Toppmöller. Erst einmal dürfe man nicht vergessen, gegen wen die Eintracht da gespielt habe. Lyon, Leipzig, Einzelspieler wie Sesko oder Lacazette. Dennoch schoss sie Tore, nachdem der Ball durch ihre Reihen lief: zum Beispiel gegen Leipzig, als sie sich durch die Mitte kombinierte, oder gegen Lyon, als sie über Außen durchbrach. Und überhaupt, seine Mannschaft definiere sich nicht über eine Phase des Spiels. Nach dem Motto: Wenn wir nicht kontern, spielen wir sie eben auseinander. Es wird spannend zu sehen sein, ob das der Eintracht gegen die enge Mainzer Defensive gelingt.
Toppmöller wirkt energetisch
Toppmöller ist davon überzeugt, seine Ausführungen zur eigenen Spielanlage sind auf dieser Pressekonferenz die längste Antwort. Nicht nur seiner Mannschaft hat die erste freie Woche seit langer Zeit gutgetan, auch der Trainer atmete durch. Endlich habe er mal wieder eine Spielanalyse machen können, erzählt Toppmöller. Und nach vier Tagen ohne Besuch von der Presse wirkt der Trainer zum Jahresende energetisch.
Ein Eindruck, der von seiner Mannschaft weniger haften geblieben ist. In den Wochen vor Weihnachten schien es, als würde den Frankfurtern die Puste ausgehen. Das wäre einerseits verwunderlich, schließlich wechselt Toppmöller fleißig durch. Ein genauerer Blick verrät aber: Spieler wie Robin Koch, Omar Marmoush oder Arthur Theate hatten so wenige Pausen, dass es nach all den Spielen in Deutschland und Europa verständlich ist, wenn einzelne Spieler – zumal die vermeintlich wichtigsten – müde sind. Und in Lyon, Leipzig und gegen Augsburg liefen sie Rückständen hinterher – ein Zustand, den die Frankfurter aus den goldenen Herbstwochen nicht gewohnt waren.
Toppmöller bittet seine Mannschaft nach einer herausragenden Hinrunde an diesem Samstag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) zum letzten Tanz. Eine Hinrunde, zu deren Beginn er unter Zugzwang stand, während seine Spieler in den Wochen darauf ein Team nach dem anderen in wenigen Zügen schachmatt setzten. Nun, vier Monate später, genügt den Frankfurtern ein Punkt, damit sie an Silvester auf einen Champions-League-Platz anstoßen können. Ein Sieg jedoch könnte die Lücke auf Platz vier und fünf vergrößern.
Die große Chance für die Eintracht? „Die Spieler scharren mit den Hufen, wir wollen aufdribbeln. Und uns allen ein schönes Weihnachtsgeschenk machen“, sagt Toppmöller. Für den Nachbarn ist keine Bescherung vorgesehen.
Totale Power
Nur einen einzigen Ausfall beklagen zu müssen ist für einen Trainer grundsätzlich eine positive Nachricht. Dass es sich im Fall von Bo Henriksen jedoch um Jonathan Burkardt handelt, der dem FSV Mainz 05 an diesem Samstagnachmittag in Frankfurt fehlen wird, ist weniger schön. Den mit zehn Treffern besten deutschen Angreifer der laufenden Bundesligasaison und mit achtzehn Toren ebenfalls besten deutschen Stürmer des Jahres ersetzen zu müssen ist nicht ohne – wenngleich der 2:1-Sieg gegen den FC Bayern, bei dem Burkardt nach einer Viertelstunde verletzt vom Platz musste, dank zweier Treffer von Jae-sung Lee zustande kam. Auf dem Südkoreaner ruht denn auch ein gerüttelt Maß an Hoffnung, wenn Henriksen sagt: „Wir haben viele Spieler, die Tore machen können.“ Armindo Sieb nennt er, der zuletzt als Burkardt-Ersatz kam und zweimal als Vorbereiter fungierte, Paul Nebel, Nadiem Amiri kommt insbesondere als Freistoßschütze dafür infrage. Freilich kann auch der Optimismus des Trainers („Wir glauben immer daran, dass wir ein Tor machen“) nicht über die Statistik hinwegtäuschen, die besagt, dass außer Burkardt und Lee (5) noch kein Spieler mehr als drei Treffer erzielt hat.
Dass Lee in den letzten Wochen des Jahres aufdreht, sei kein Zufall, vermutet Niko Bungert. „Ihm tut es gut, wenn Länderspielwochen sind und er nicht so viel reisen muss“, sagt der Mainzer Sportdirektor. Schließlich stünden für die Partien mit seiner Nationalmannschaft nicht nur die Flüge nach Südkorea, sondern auch lange innerasiatische Strecken an. „Danach fehlt ihm immer etwas Energie.“ Davon konnte am vorigen Spieltag keine Rede sein, wie Bungert begeistert zusammenfasste: „Jae-sung ist mit totaler Power angelaufen, er ist eine Arbeitsbiene, und er strahlt enorme Torgefahr aus. Diese drei Eigenschaften so miteinander zu verbinden ist der Wahnsinn.“ Der Spieler selbst reichte das Lob weiter an die Kollegen. „Ich mache meine Tore nicht allein, die machen wir zusammen.“ Die Stadt als Wohlfühlfaktor, der unter Henriksen wieder zu ihm passende Spielstil und seine konstante, disziplinierte Arbeit nennt der Zweiunddreißigjährige als Gründe für seine bestechende Form. (ehu.)