Wegen Schadensersatz: Rechnet sich Wirecards-Wirtschaftsprüfer EY jetzt mittellos? | ABC-Z
Im Ringen um Schadenersatz aus der Wirecard-Pleite haben Aktionäre auch den früheren Wirtschaftsprüfer EY verklagt. Die Aktionärsschützer der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger werfen EY vor, aus Angst vor einem negativen Urteil jetzt schon Vermögensteile ins Ausland zu verlagern.
Schon seit Dezember 2022 stehen der frühere Wirecard-Chef, Markus Braun und zwei weitere Manager in München wegen Betrugs vor Gericht. Das Verfahren wird auch 2025 andauern. Um Schadensersatz für die geprellten Aktionäre geht es dabei zwar nicht, doch schon lange ist klar, dass Braun und seine Mitangeklagten selbst im Falle einer Verurteilung gar nicht über die Mittel verfügen würden, Aktionären womöglich mehrere Milliarden Euro Schadensersatz zu erstatten.
Klagen gegen den Ex-Wirtschaftsprüfer
Ganz anders sähe das aus, wenn es den Aktionären gelänge, die früheren Wirtschaftsprüfer von Wirecard in Regress zu nehmen. Der hieß EY, ehemals Ernst & Young, ist ein international tätiger Consulting-Konzern und gehört zu den Top vier seiner Branche.
Genau das versuchen Aktionärsschützer nun. Doch dabei stoßen sie auf unvermutete Probleme. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, kurz SdK, wirft EY vor, gezielt Werte aus seinen deutschen Gesellschaften in andere Länder zu verschieben, um im Falle eines Schadenersatz-Urteils quasi mittellos dazustehen.
„Gut verdienende Unternehmenslinien werden rausgezogen“, berichtete der Rechtsanwalt und SdK-Vorstand Marc Liebscher anlässlich der Vorstellung des „Schwarzbuchs Börse“ der SdK. Unternehmen wie EY verdienen ihm zufolge „gutes Geld“ auf den Gebieten Steuerberatung, Rechtsberatung und Unternehmensberatung. „Die Abschlussprüfung ist immer der ungeliebte Sohn“, sagte Liebscher, „und nur dazu da, um bei den Unternehmen einen Fuß in die Tür zu bekommen“ und „auch die anderen Dienstleistungen zu verkaufen“.
EY nutzt eine Gesetzeslücke
Die potenziellen Kläger stünden nun gleich vor zwei Problemen, so Liebscher. Zum einen lägen die Aktionärsklagen im Fall Wirecard gemäß des „Kapitalanlager-Musterverfahrensgesetz“, kurz KapMug, beim Bayerischen Oberlandesgericht. Doch die Ansprüche daraus verjährten nach fünf Jahren. Wirecard meldete am 25. Juni 2020 Insolvenz an, es droht also schon im kommenden Sommer Verjährung. Bis dahin werde das BayOLG aber kein Urteil fällen, so Liebscher. Dass das Gericht die lange Bearbeitungsdauer auf die hohe Arbeitsbelastung schiebe, lässt Liebscher nicht gelten.
Problem Nummer Zwei: EY nutzt nach Ansicht der Aktionärsschützer die Zeit, um deutsche Tochtergesellschaften innerhalb Europas umzuhängen. „EY nutzt hier eine Gesetzeslücke und macht eine Vermögenshaftungs-Verschiebung“, schimpft Liebscher. „Wir denken, dass EY am Ende haften wird – aber nur mit einer erheblich verringerten Haftungsmasse.“
Die SdK habe versucht, in Stuttgart, dem deutschen Sitz von EY, gegen die Transaktionen zu klagen – bislang ohne Erfolg.
„Es geht um die Altersvorsorge von Millionen Deutschen“
Deshalb setzt die SdK nun auf eine neue Strategie: Sie will andere Landesgesellschaften von EY verklagen, die am Konzernabschluss beteiligt waren, „um die Haftungsmasse zu erweitern“, sagt Liebscher. Im Visier seien dabei Untergesellschaften, die über die Prüfung von Tochtergesellschaften am Konzernabschluss der Wirecard mitarbeiteten.
Unterstützung erfährt die SdK dabei nach eigenen Angaben nicht nur von Kleinaktionären: „Uns mandatieren auch große Kapitalsammelstellen, zum Beispiel Renten- und Betriebskassen“, berichtet Liebscher. Auch sie hätten zum Teil große Beträge in Wirecard-Aktien investiert. „Es geht um die Altersvorsorge von Millionen von Deutschen“, sagte der SdK-Vorstand.