Bauvorhaben im Westjordanland: Neue Grenzen durch neue Siedler | ABC-Z
Israels Siedlungen auf besetztem Gebiet im Westjordanland verstoßen gegen das Völkerrecht. Trotzdem kommen immer mehr Siedler in die sogenannten C-Gebiete. Sie sehen das Recht auf ihrer Seite.
Wenn man in diesen Tagen und Wochen im besetzten Westjordanland unterwegs ist, dann wird an vielen Ecken gebaut. Israelische Siedlungen werden erweitert – seit dem 7. Oktober 2023 wurden nach Angaben der Organisation Peace Now 43 neue sogenannte Außenposten etabliert. Fast 9.000 neue Wohneinheiten wurden genehmigt, gefördert vom israelischen Staat.
Transfer von Bevölkerung in besetztes Gebiet ist laut Völkerrecht illegal, aber genau das passiert: Mitte der 90er Jahre, zur Zeit der Oslo-Verträge, lebten rund 150.000 jüdische Siedler im Westjordanland. Inzwischen sind es rund eine halbe Million.
“Wir bewachen die Grenzen”
Eitan Melet ist einer von ihnen: Seit einem Jahr betreibt er mit seiner Frau auf einem Hügel eine Farm, mitten im Westjordanland. Jüdische Präsenz hier sei wichtig sagt er. Und: Das sei staatliches Land. Er sei hier, um die Realität zu verändern: “Das haben wir uns hier vor Ort zur Aufgabe gemacht. Wir bewachen die Grenzen. Es ist eine nationale Aufgabe, die wir für das gesamte Volk Israels auf uns genommen haben.”
Melet betrachtet sich in gewisser Weise als Grenzwächter Israels: “Wir bewachen die Grenzen des Staates, wir sorgen dafür, dass das Gebiet unbebaut bleibt”, erklärt er. “Praktisch gesehen setzen wir diese Aufgabe mit Hilfe der Landwirtschaft um. Wir besitzen eine große Rinderherde, die gerade unten im Wadi weidet. 100 Rinder. Überall, wo wir sind, setzen wir im Grunde genommen eine neue Grenze.”
Siedler vertreiben Palästinenser
Es gibt Siedler-Organisationen, die noch mehr tun. Sie sorgen dafür, dass Häuser von Palästinensern abgerissen werden müssen – auch vor Gericht: Über 900 Gebäude wurden allein seit dem 7. Oktober zerstört. Hunderte Familien wurden vertrieben. Das, was passiert, wird auch der Kampf um die C-Gebiete genannt. Nach den Oslo-Abkommen sind das rund 62 Prozent der Fläche des Westjordanlands. Israel ist hier für die Zivilverwaltung und die Sicherheit zuständig.
Naomi Khan von der Organsiation Regavim sieht es so: “Das ist internationales Recht. Die Palästinensische Autonomiebehörde, die Europäer und die Amerikaner haben das unterschrieben. Hier kann nichts ohne israelische Genehmigung passieren. Alles, was (von den Palästinensern) gebaut wird – Wasserleitungen, Infrastruktur – all das ohne israelische Erlaubnis. Die Illegalen Bauten, die die hier siehst, sind eine Verletzung internationalen Rechts.”
Keine Genehmigungen für Palästinenser
Von einem Aussichtspunkt zeigen die Leute von Regavim in die Landschaft. Ihr Problem: Rund 300.000 Palästinenser leben dort in den C-Gebieten. Tamar Sikurel, Sprecherin der Organisation, meint: “Dort ist das Dorf Abu Salman und dahinter noch die Dörfer Raz Afia und Khablet. Dort drüben können wir die Siedlung Alfei Menashe sehen. Es lässt sich eine sehr deutliche Verbindung zwischen den Dörfern erkennen: Raz Afia und Khablet sind zu einem Block zusammengewachsen. Das ist C-Gebiet, das ist illegal. Dort ist das Dorf, okay. Aber langsam geht es in das Gebiet über und das ist alles illegale Bauweise.”
Doch Baugenehmigungen für Palästinenser gibt es nicht von den israelischen Stellen – die Leute von Regavim sind stolz darauf, dass diese so wenig bauen, wie nie.
Wem gehört das Westjordanland?
Und Naomi Khan denkt noch größer, wenn sie das ganze Westjordanland mit den biblischen Namen Judea und Samaria nennt: “Wem gehört Judea und Samaria? 1949, als die Jordanier das Land besetzt und annektiert haben, wurde es zum ersten Mal Westjordanland genannt. Alle Nationen haben die illegale Besatzung verurteilt. Wann gab es Palästina, das jetzt als palästinensisches Land bezeichnet wird? Das gab es nie.”
Während die internationale Staatengemeinschaft Israels Siedlungsbau verurteilt, geht die Erzählung von Regavim anders: Palästinenser würden sich in den C-Gebieten Land aneignen – indem sie ohne Israelische Genehmigung bauen. Unter Benjamin Netanjahu mit seinen rechtsextremen Koalitionspartnern ist das zur israelischen Regierungspolitik geworden.