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Falsch, respektwidrig, arrogant: Die Schwarzen-Generalsekretär erntet parteiübergreifend scharfe Kritik | ABC-Z


Falsch, respektlos, arrogant

CDU-Generalsekretär erntet parteiübergreifend scharfe Kritik

“In Deutschland gibt es gar keine Leistungsbereitschaft mehr”, sagt CDU-Generalsekretär Linnenmann bei ntv. Die Reaktionen sind heftig: “Respektlosigkeit” wittert die SPD, das BSW attestiert “Arroganz” und Ökonom Fratzscher spricht von “falschen” Annahmen. Sogar aus der FDP kommt Widerspruch.

Die Äußerungen von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zur fehlenden Leistungsbereitschaft in Deutschland stoßen auf scharfen Widerspruch, insbesondere bei der SPD. “Deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten Millionen Überstunden, arbeiten am Limit und kämpfen mit steigenden Lebenshaltungskosten”, erklärte etwa SPD-Generalsekretär Matthias Miersch ntv. Er fügte hinzu: “Statt diese Sorgen ernst zu nehmen, spricht Linnemann von mangelnder Leistungsbereitschaft in Deutschland. Das ist nicht nur falsch, sondern auch eine Respektlosigkeit gegenüber all jenen, die tagtäglich dieses Land am Laufen halten.”

Bei ntv hatte Linnemann gesagt: “Wir wachsen nicht mehr. Wir sind Schlusslicht, wir steigen ab. In Deutschland gibt es gar keine Leistungsbereitschaft mehr.” Linnemann verknüpft mit seiner Diagnose Forderungen der Union im Bundestagswahlkampf, dass Leistung in Deutschland zu wenig belohnt werde und etwa die Besteuerung von Überstundenzuschlägen wegfallen müsse. Rentner sollten zudem bis zu 2000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können.

Der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil räumte tiefgreifende Probleme in Deutschland ein. Zentral sei, die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb zu erhalten oder wieder zu stärken. “Allerdings nicht, indem man die fleißigen Menschen in Deutschland demotiviert oder gar beleidigt.” An die Adresse des CDU-Generalsekretärs gerichtet sagte er: “Und ich finde das beleidigend, wenn man den Deutschen pauschal unterstellt, es gibt keine Leistungsfähigkeit mehr in diesem Land.” Das sei zudem demotivierend.

“Ein bisschen die Arroganz”

Beim Bündnis Sahra Wagenknecht zeigte man sich entsetzt über Linnemanns Aussagen: “Von Generalsekretär zu Generalsekretär, hier spricht natürlich auch ein bisschen die Arroganz aus meinem Kollegen. Das Land ist voll mit Menschen, die für einen Bruchteil von dem was er jeden Monat bekommt, morgens früh aufstehen und malochen gehen”, sagte BSW-Generalsekretär Christian und kritisierte eine wachsende Ungleichheit im Land. Der Besitzer von Lidl sei während der Corona-Krise um 25 Milliarden Euro reicher geworden. Man habe ausgerechnet, dass eine Kassiererin dafür ganze 847.000 Jahre arbeiten müsse.

Auch FDP-Generalsekretär und Ex-Justizminister Marco Buschmann will Linnemann nicht zustimmen. “Dass wir keine Leistungsbereitschaft haben, das bestreite ich”, sagte Buschmann. Er sehe eher fehlende Anreize. “Ich glaube, viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden gerne eine Überstunde machen, eine Wochenendschicht machen. Nur wenn wir sie so stark belasten mit Sozialversicherungsabgaben und Steuern, dass davon kaum etwas übrigbleibt, dann liegt es […] an falschen Anreizen.” Buschmann schlug eine Überarbeitung des Steuersystems vor, damit “man ein bisschen sparen kann, vielleicht dann auch irgendwann sich eine Eigentumswohnung leisten kann.”

“Da muss eine Reform her”, forderte FDP-Fraktionschef Christian Dürr bei ntv, “damit sich Leistung wieder mehr lohnt, damit sich Arbeiten wieder mehr lohnt.” Das Problem sei nicht, dass es keine Leistungsbereitschaft gebe, sondern “Leistung wird teilweise bestraft in Deutschland”. Der Staat müsse sich wieder auf seine Kernaufgaben konzentrieren, aber nicht in das Leben der Menschen und vor allem der Unternehmen hineinregieren, so Dürr. Das sei das Angebot der Freien Demokraten. “Leistung muss sich eben wirklich lohnen.”

Fratzscher: “Nie mehr Arbeitsstunden geleistet”

Doch nicht nur die politische Konkurrenz widerspricht dem CDU-Generalsekretär. Ökonom Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält Linnemanns Daignose für grundfalsch: “Der Vorwurf, die Deutschen zeigten keine Leistungsbereitschaft, hätten keine Arbeitsmoral, ist auch belegt einfach falsch. Wir haben in Deutschland nie mehr Beschäftigte gehabt als heute, 46,1 Millionen. Es wurden nie mehr Arbeitsstunden geleistet als heute. Das sind die Fakten”, sagte Fratzscher im Interview mit ntv. Zwar räumt der Experte ein, dass die Deutschen im internationalen Vergleich besonders viele Urlaubstage hätten, doch dafür sei die Erwerbstätigkeit insgesamt gestiegen. Viele Paare würden insgesamt heute deutlich mehr arbeiten als noch vor 20 Jahren.

In Fragen von Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik gebe es zwischen der Merz-CDU mit Linnemann und der SPD mit Scholz klare Unterschiede, betonte Arbeitsminister Heil. “Wenn es zum Beispiel darum geht, dass Arbeit sich wirklich stärker lohnen muss, geht es auch um bessere Löhne – Stichwort Mindestlohn.” Die CDU dagegen stehe für Steuergeschenke für sehr Wohlhabende, kritisierte Heil.

“Ich bin immer dafür, dass in der Demokratie auch gestritten wird, dass man kompromissfähig sein muss, gehört auch dazu.” Er sei zwar nicht dafür, dass man sich wechselseitig persönlich runter machen, sagte Heil. “Aber in der Sache muss es auch zwischen Demokraten Streit um die richtigen Konzepte geben.”

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