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“Deutschland verdient mehr”: Wagenknecht will Wirtschaft mit russischem Gas retten | ABC-Z

Die Partei von Sahra Wagenknecht will in den Bundestag. Dafür muss das BSW auch im Westen punkten. Wagenknecht setzt dabei auf die Themen Frieden, Rente und Wohnen – und auf preiswertes Gas.

Es wuselt im Haus der Bundespressekonferenz, Fotografen testen ihre Kameras; Christian Leye, Generalsekretär des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) wirft einen letzten prüfenden Blick in den Raum, auch die Co-Vorsitzende Mohamed Ali wirkt geschäftig. Plötzlich kommt Ordnung ins Gewusel im Tageszentrum der Bundespressekonferenz in Berlin-Mitte: Alle richten sich neu aus; auf einen Punkt. Wie ein Magnet strukturiert Sahra Wagenknecht die Versammelten. Sie schreitet zur ersten Reihe, die Entourage folgt ihr, ebenso die Blicke und Objektive.

Wagenknecht setzt sich, die Kameras klicken. Niemand schaut auf den Imagefilm, der auf der Leinwand vorne abgespielt wird. Alle schauen auf Wagenknecht, die sich selbst dabei zuschaut, wie sie in dem PR-Clip Untergangsszenarien malt und am Ende verkündet: “Deutschland hat mehr verdient.” Mehr Frieden, mehr Rente, mehr Wohnungen. Dabei hätten die “alten Parteien” versagt.

Das BSW hat noch kein Wahlprogramm. Man sei eine junge Partei, heißt es zur Begründung. Am Wochenende soll ein “Kurzprogramm” veröffentlicht werden. Erst einmal stellt das Bündnis die Kampagne vor. Wenig überraschend: Wagenknecht soll dafür großflächig plakatiert werden. Deutschland wünsche sich mehr Frieden, sagt Wagenknecht. Und weiter: “Wir müssen alles dafür tun, die Kriegsgefahr zu mindern.” Die USA seien eine Supermacht, die mit ihrem eigenen Abstieg beschäftigt sei. Man müsse schauen, dass der Wohlstand in Deutschland dabei nicht unter die Räder komme.

Wagenknecht will “preiswert Gas beziehen”

Von den Sanktionen gegen Russland profitierten vor allem US-amerikanische Energieunternehmen, sagt Wagenknecht. Für Deutschlands Geschäftsmodell seien die “explodierenden Energiepreise” ruinös. Wagenknecht sieht die Bundesrepublik für die nächsten Jahre an einem Wendepunkt: Man müsse sich neu aufstellen oder aber die gute Zeit sei vorbei. Das bedeutet für Wagenknecht massive Investitionen, außerdem eine durchdachte Energiepolitik.

Laut Wagenknecht war es eine gute Idee, Gas als Brückentechnologie zu nutzen, um den Übergang zu erneuerbaren Energiequellen so abzufedern, Flauten abzufangen. Diese Strategie funktioniere aber nun mal nicht ohne Gas. “Das müssen wir preiswert beziehen”, sagt sie. Genauer wird sie nicht. Aber was sie damit meint, ist klar: Deutschlands Wirtschaft wurde jahrelang mit billigem russischem Gas befeuert. Wagenknecht will dahin zurück.

Auch die Besteuerung großer Vermögen und die Entlastung von Kleinverdienern sind Forderungen der BSW-Kampagne. Wagenknecht schießt gegen die FDP: Die Liberalen hätten ja recht, wenn sie sagen, Leistung müsse sich lohnen. Leistung brauche Anreize. “Aber das ist nicht ein Mindestlohn von zwölf Euro”, sagt Wagenknecht. Sie widerspricht CDU-Generalsekretär Carsten Linneman, es fehle nicht an Leistungsbereitschaft, allerdings fehle vielen die Motivation, weil es keine realen Aufstiegschancen mehr gebe.

Zudem lande das Bürgergeld in den falschen Taschen, komme gar nicht bei den Menschen an: Die Hälfte ginge für Wohnen und Heizen drauf. Wagenknecht schlägt hier “einen strengen Mietendeckel” vor und gleichzeitig einen Wohnungsbau aus öffentlicher Hand. Sie will so verhindern, dass der Staat den Mietenmarkt befeuert.

“Wir holen den Wunsch nach Diplomatie aus der Schmuddelecke”

Wagenknecht sagt das nicht, aber auch hier würde russisches Gas helfen. Es könnte die Heizkosten senken, die der Staat für Bürgergeldempfänger übernimmt. Den Weg dahin dürfte ein Friedensschluss zwischen Ukraine und Russland ebnen, wenn er denn zustande kommt. Geht es nach dem designierten US-Präsidenten Donald Trump, endet der Krieg noch vor der Bundestagswahl hierzulande. Wagenknecht würde das freuen, sagt sie. Käme ihrer Partei bei Kriegsende nicht das wichtigste Wahlthema abhanden? Wagenknecht widerspricht: Es gebe genug Kriege auf der Erde.

BSW-Generalsekretär Leye verweist dazu auf NATO-Chef Mark Rutte, der die Verbündeten vergangenen Donnerstag aufgerufen hatte, mehr “Kriegsmentalität” an den Tag zu legen. Viele Menschen in Deutschland wollten genau das nicht, sagt Leye. Sie fürchteten ein neues Wettrüsten, wollten aus der Konfrontationsspirale raus und keine Mittelstreckenraketen in Deutschland. Diesen Menschen werde das BSW auch nach einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine eine Stimme verleihen.

Die Partei gibt sich auffallend selbstbewusst, wenn es um Krieg und Frieden geht. Die Funktionäre registrieren eine Debatte, die sich in ihre Richtung verschiebt, weil die Forderungen nach einer Verhandlungslösung lauter werden. Der Ukraine würden die Soldaten ausgehen, nicht die Waffen, so Leye. Das BSW habe das schon immer gesagt, langsam komme es an. “Wir holen den Wunsch nach Diplomatie aus der Schmuddelecke”, sagt der Generalsekretär. Was dabei unter den Tisch fällt: Dass Russland sich mit seinem Diktatfrieden durchsetzen und sich die besetzten Gebiete in der Ukraine einverleiben will.

Mit Blick auf die Wahl wird Westdeutschland eine besondere Herausforderung. Noch hat die Partei nur im Osten zählbare Ergebnisse eingefahren. Ob sie auch im Bundestag Druck auf die “alten Parteien” ausüben kann, wird sich im Februar zeigen. Der zeitlich begrenzte Wahlkampf aber dürfte dem Bündnis Sahra Wagenknecht zugutekommen: Die Partei kann sich auf die Popularität ihrer Namensgeberin verlassen. Sie zieht alle Aufmerksamkeit auf sich; auch als sie das Haus der Bundespressekonferenz nach gut einer Stunde wieder verlässt, folgen ihr die Blicke.

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