Bundestag bahnt Weg zu Neuwahlen | ABC-Z
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Vertrauensabstimmung am Montag im Bundestag wie von ihm angestrebt verloren. 207 Abgeordnete sprachen ihm das Vertrauen aus, 394 taten das nicht. 116 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas kündigte an, dem Bundespräsidenten das Ergebnis unverzüglich mitzuteilen, und sagte: „Wir sind damit am Schluss unserer Tagesordnung – auch der Ampel.“
In der vorangegangenen Debatte hatte Scholz erklärt, dass es sein Ziel sei, die Vertrauensfrage zu verlieren, damit es nach dem Bruch der Ampelkoalition zu Neuwahlen kommen könne. Scholz machte vor allem die FDP verantwortlich für das Scheitern der Ampelkoalition. „In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife“, sagte Scholz am Montag mit Blick auf die Liberalen, denen er ein „Schauspiel“ in den vergangenen Wochen vorwarf, das zum Bruch der Regierung geführt habe. Bei der Neuwahl am 23. Februar werde auch den Wählern die Vertrauensfrage gestellt. Scholz sagte, er werde wie schon beim vergangenen Mal auch in diesem Wahlkampf um Respekt werben.
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) kritisierte den Kanzler in der Debatte scharf für dessen Attacken gegen die FDP und den entlassenen Bundesfinanzminister Christian Lindner. „Ihr Respekt hört offensichtlich dort auf, wo es andere politische Meinungen gibt“, sagte Merz. Wie Scholz soeben über die FDP und Lindner gesprochen habe, das sei „nicht nur respektlos, sondern es ist eine blanke Unverschämtheit“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion weiter.
In seiner Rede im Deutschen Bundestag sprach Kanzler Scholz von einer Richtungsentscheidung, die nun von den Bürgern getroffen werden müsse. Es gehe um die Kernfrage: „Trauen wir uns zu, als starkes Land kraftvoll in unsere Zukunft zu investieren?“ Der SPD-Politiker verwies darauf, dass man Investitionen nicht verschleppen dürfe, dass sowohl die Unterstützung der Ukraine und Investitionen in die Bundeswehr nötig seien, ohne dass beides gegen „gute Gesundheit und Pflege, gegen stabile Renten und leistungsfähige Kommunen“ aufgerechnet werde. „Diese Entscheidung ist so grundlegend, dass sie vom Souverän selbst getroffen werden muss.“
Die Schuldenbremse müsse reformiert werden. „Wenn es ein Land auf der Welt gibt, das es sich leisten kann, in die Zukunft zu investieren, dann sind wir das“, sagte Scholz. Der Kanzler versprach auch, sich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro die Stunde einzusetzen sowie für eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent. Mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine sprach sich Scholz gegen die Lieferung von Marschflugkörpern aus, wohl aber für weitere anderweitige Unterstützung des überfallenen Landes.
Der CDU-Vorsitzende Merz kritisierte den Kanzler für dessen Wirtschaftsbilanz. „Sie hinterlassen das Land in einer der größten Wirtschaftskrisen in der Nachkriegsgeschichte“, sagte er. Bei all den Versprechungen, die Scholz nun mache, frage er sich, warum die SPD dies in der Vergangenheit nicht schon längst umgesetzt habe, schließlich seien die Sozialdemokraten in den vergangenen 26 Jahren 22 Jahre in einer Regierung beteiligt gewesen. Scholz sei in dieser Zeit „Generalsekretär der SPD, Arbeitsminister der SPD, Finanzminister der SPD, Bundeskanzler der SPD“ gewesen. „Waren Sie auf einem anderen Stern unterwegs?“
Merz kritisierte die Ausgabenwünsche der SPD, das sei „Schuldenmachen auf Kosten der jungen Generation“. Die Mehrwertsteuersenkung bezeichnete Merz als nicht zielgenau, würde sie doch viel Geld kosten, aber auch jenen nützen, die es gar nicht nötig hätten. Diesen Punkt merkte in der Debatte auch der FDP-Vorsitzende Lindner an, der sich ebenfalls gegen eine Reform der Schuldenbremse aussprach und vor einer „Gefälligkeitspolitik auf Pump“ warnte.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen machte die Union für die „tiefe Strukturkrise“ der deutschen Wirtschaft verantwortlich. So habe es schon seit dem Jahr 2018 kein nennenswertes Wachstum mehr gegeben. Mit Blick auf die gescheiterte Koalition aus SPD, Grünen und FDP sagte Habeck: „Wir waren alle drei genervt voneinander.“ Die Ampelkoalition habe „zu Recht einen schlechten Ruf“ gehabt. Es werde jedoch auch in Zukunft nicht leichter, Kompromisse zu finden, wenn Parteien zusammen regieren müssten, die unterschiedlichen ideologischen Richtungen angehörten.
Habeck verwies auf die gescheiterte Regierung in Frankreich, die schwierige Regierungsbildung in Österreich und Unstimmigkeiten in der niederländischen Regierung – Deutschland brauche eine handlungsfähige Regierung. „Die Welt dreht sich weiter, und sie dreht sich häufig gegen Deutschland“, sagte Habeck.