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„Wir stehen finanziell am Abgrund“ – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

Zu viele Ausgaben, zu wenige Einnahmen: Jeder weiß, dass eine solche Konstellation nicht auf Dauer gut geht. Und so sagt Landrat Thomas Karmasin (CSU): „Wir stehen finanziell am Abgrund.“ Gemeint ist der von ihm geführte Landkreis, der in dieser Hinsicht kein Einzelfall ist. Den Verursacher sieht Karmasin im Bund als Gesetzgeber, der „mit seiner Fülle an Individualansprüchen, die er geschaffen hat, und mit der Detailverliebtheit, mit der er den Vollzug regelt, den Kommunen jede finanzielle Luft abdrückt“.

Ein Großteil der finanziellen Probleme entsteht Karmasin zufolge durch „Auswüchse des Sozialsystems“, wie er sagt: „Ich wäre dankbar, wenn der angestaubte Kampfbegriff von der ,Sozialen Kälte’ nicht bei jeder noch so kleinen Korrektur aus der Mottenkiste geholt würde wie ein alter Vorderlader aus den napoleonischen Kriegen.“ Das bringt ihm auch Zustimmung von der AfD ein. Deren einzig verbliebener Kreisrat Rolf Ertel bedankt sich für die „nachdenklichen Worte“, die auch seine Wünsche angesprochen hätten.

Es gebe bei den sozialen Regelungen „unzählige Korrekturmöglichkeiten, die niemanden ins Elend stürzen“, fährt Karmasin in seiner diesjährigen Haushaltsrede fort und nennt Beispiele: „Es ist nicht sozial kalt, wenn wir hinterfragen, ob wir dem 50- jährigen Ukrainer, der nach dortigem Recht schon in Rente ist, die Rente nach deutschem Recht aufstocken müssen oder ob wir für den Renteneintritt auch deutsches Recht zugrunde legen können, wie für die Rentenhöhe ja auch. Es ist nicht sozial kalt, wenn wir die Frage stellen, ob wir wirklich alle Pflegeheime für den Erhalt der Betriebserlaubnis sofort umbauen müssen, die das vorgeschriebene Mindestmaß für Toilettengrößen knapp verfehlen – wissend, dass viele Menschen bettlägerig sind und die Toilette niemals mehr benutzen können. Es ist nicht sozial kalt, wenn wir junge Männer, die allein von Libyen hierhergekommen sind, nachdem sie ein Jahr lang in Italien Erntehelfer waren, ohne Sozialpädagogen von München nach FFB fahren lassen, auch wenn sie tatsächlich unter 18 sein sollten.“

Sein zweites Thema: die Bürokratie, die vor allem deshalb entstehe, „weil wir übertriebene Ansprüche an eine nie zu erreichende absolute Sicherheit haben und weil wir in Deutschland mit Gerechtigkeit immer Einzelfallgerechtigkeit meinen.“

Emanuel Staffler, Fraktionssprecher der CSU, greift sodann wie nahezu alle Redner die prekärer werdende finanzielle Situation auf und rät, künftig auch darauf zu achten, wie sich beispielsweise „die Rentabilität einer Buslinie in Euro darstellen lässt“. Es folgen weitere Vorschläge für die Zukunft: Martin Runge (Grüne) will den geplanten Neubau der Fachoberschule in Germering auf den Prüfstand stellen und „alle Maßnahmen unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten“ diskutieren. Sandra Meissner (FW) empfiehlt, sich „auf das Notwendige zu beschränken und über kreative Lösungen nachzudenken“.

Herausgekommen ist für 2025 ein Kreishaushalt mit einem Volumen von 330 Millionen Euro, einer von den Kommunen zu bezahlenden Umlage von 54,65 Prozentpunkten und auf 143 Millionen Euro steigende Schulden.

SPD-Fraktionssprecher Andreas Magg ist der einzige, der zu wenig Sparwillen beim Landkreis erkennen will. Man habe sich, „so gut es ging, eingeschränkt“, sagt indes Karmasin, aber schon für das nächste Jahr wagt er die Prognose, „dass wir Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger einschränken müssen, wenn sich nichts ändert“.

Im Kreistag ist man sich weitgehend einig über die Beurteilung der Lage. Einstimmig fällt das Votum aber doch nicht aus, denn AfD-Mann Ertel und Gröbenzells Bürgermeister Martin Schäfer (UBV) stimmen dagegen. Man lobt sich noch gegenseitig für die „gute politische Gesprächskultur im Landkreis“, wie Sandra Meissner es ausdrückt. Und bisweilen blitzt auch ein wenig Humor und Selbstironie auf in diesen Zeiten. Jakob Drexler, der die Haushaltsrede für die UBV-Fraktion vorträgt, gelingt einmal mehr thematisch der Schwenk zur Biotonne, die es vom 1. Januar an im Landkreis geben wird und die sein Herzensprojekt war und ist. „Ich bin zufrieden“, sagt er und erntet vergnügte Lacher der Kreistagskollegen. Und gibt auch noch ein Versprechen ab: Er werde das Wort Biotonne in Zukunft „nur noch in Ausnahmefällen in den Mund nehmen“.

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