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Schach-WM: Ding Liren überrascht mit Erfolgsrezept gegen Gukesh – Sport | ABC-Z

Nein, sagte Ding Liren am Montag, die Zwölf sei nicht seine Glückszahl. Dabei lag die Vermutung nahe. Denn Ding hatte es schon wieder getan: Zum zweiten Mal hintereinander war ihm in der zwölften Partie der Schachweltmeisterschaft ein ebenso unerwarteter wie beeindruckender Sieg gelungen.

Vor eineinhalb Jahren, als er Außenseiter gegen den Russen Jan Nepomnjaschtschi war, genau wie er jetzt Außenseiter gegen den Inder Gukesh Dommaraju ist, lag Ding vor der zwölften Partie ebenfalls mit einem Punkt hinten. Eine knifflige Situation, denn ein Rückstand so spät im WM-Match baut großen Druck auf: Es gilt anzugreifen und ins Risiko zu gehen. Ein Sieg muss her, und zwar schnell. Der Gegenüber hingegen kann sich auf Fehlervermeidung konzentrieren. Für ihn gilt: Wer keinen Fehler macht, wer präzise verteidigt, der verliert beim Schach nicht. Und nur darum geht es jenem, der vorn liegt, drei Partien vor dem Ende des Matches.

Doch Ding Liren, der manchmal so leise spricht, dass man ihn kaum versteht bei den Pressekonferenzen des WM-Matches in Singapur – ausgerechnet dieser Ding Liren scheint unter dem Druck des Rückstands geradezu aufzublühen. Im April 2023 hatten vier Remis gegen Nepomnjaschtschi hinter ihm gelegen, bevor er seinen insgesamt dritten Rückstand des Matches in einer spektakulären zwölften Partie egalisieren konnte.

Diesmal, gegen Gukesh, war die Ausgangslage eine andere, man könnte auch sagen: Sie war um einiges schwieriger. Denn noch am Tag zuvor, da wirkte Ding überhaupt nicht wie ein Champion. Da wirkte er viel mehr wie jemand, der nur noch weg möchte. In der elften Partie hatte Gukesh den Chinesen ins Elend gestürzt, mit einer besonders klangvollen Eröffnungsvariante, dem „Blumenfeldgambit im Anzug“. Bereits ganz früh in der Partie dachte Ding 40 Minuten lang über seinen nächsten Zug nach, „nur um blödsinnige Berechnungen anzustellen“, wie er hernach sagte. Es war Zeit, die ihm später fehlte. Er patzte beim 28. Zug und wusste es sofort.

Nach der elften Partie lässt Gukesh sich feiern – nach der zwölften ist es plötzlich Ding, der lächelt

Während der anschließenden Pressekonferenz blickten Dings müde Augen ins Leere. Er sagte zwar: „Das letzte Mal bin ich in der zwölften Partie zurückgekommen. Morgen werde ich das wieder versuchen.“ Aber das klang zu diesem Zeitpunkt wie eine Durchhalteparole. Nach sechs Minuten ließ ihn Moderator Maurice Ashley gnädigerweise gehen. Den Rest der Veranstaltung durfte sich Gegner Gukesh von den indischen Medienvertretern feiern lassen. Ob er die Anfeuerungsrufe der Fans gehört habe, „Gukesh, Gukesh, Gukesh“ und „India, India, India“, hatten sie nach seinem Sieg im Zuschauerbereich skandiert. Gukesh lächelte: „Indische Fans sind die besten der Welt.“

Am nächsten Tag jedoch saß ihm am Brett plötzlich ein völlig veränderter Ding gegenüber. Ein mutiger, ein angriffslustiger Ding spielte mit einer unwahrscheinlichen Präzision, die an jene Phase seiner Karriere erinnerte, als er 100 Partien hintereinander ungeschlagen blieb. Mehr als sechs Jahre ist das inzwischen her. Aber hier war er wieder, jener Spieler, der in seinem Kopf die Stellungen so fehlerfrei kalkuliert, wie das sonst nur Schachcomputer können. Gukesh spielte gar nicht schlecht, war bloß etwas ungenau im Mittelspiel. Er hatte keine Chance.

Hernach war es Ding, der lächelte. Mit ansteckender Freude analysierte er das Geschehene live auf dem Podium, das diesmal der geschlagene Gukesh frühzeitig verlassen durfte. „Das war vielleicht die beste Partie, die ich in letzter Zeit gespielt habe“, sagte Ding auf der Pressekonferenz. Widerspruch zwecklos. Doch die Frage, die sich alle stellten, war ohnehin: Wie bloß hatte Ding das geschafft?

Steht es nach 14 Partien 7:7, kommt es zu einem Tiebreak im Schnellschach

Er sei tags zuvor, nach der schmerzhaften Niederlage, etwas früher ins Bett gegangen als bei seiner normalen Routine, berichtete Ding, „und heute Morgen habe ich eine Tasse Kaffee getrunken“. Dadurch sei er etwas energischer gewesen. Außerdem, fügte er verschmitzt hinzu, „habe ich etwas mit meinen Haaren gemacht“. Das Erfolgsrezept des Schachweltmeisters lautet also: Koffein und Haargel.

Und am Brett? „Ich musste heute auf den Sieg drängen“, sagte Ding. Den leisen Vorwurf einer Reporterin, in den letzten Spielen habe er selbiges nicht getan, wollte er jedoch auch nicht stehen lassen. Bei vorherigen Partien seien die Stellungen schlicht riskanter gewesen, betonte er. Zweimal hatte Ding Gukesh in den vorangegangenen Tagen aus leicht vorteilhaften Positionen ein Remis angeboten – was der Inder jeweils ablehnte. Für viele war das ein Zeichen, dass der Inder es mehr will. Spätestens nach der zwölften Partie sollte klar sein: Ding will es mindestens genauso sehr. 6:6 steht es nun, zwei reguläre Partien stehen noch an. Anschließend ginge es in den Tiebreak, wo zunächst Schnell- und dann Blitzschach gespielt würde.

Übrigens: Wenn er eine Glückszahl habe, sagte Ding am Montag, dann sei das die Siebzehn: „Weil ich der 17. Schachweltmeister bin.“ Die Wahrscheinlichkeit für einen neuen, also Nummer 18, ist am Montag rapide gesunken.

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