Bundestagswahl 2025: Wie der Wahlkampf im Winter funktioniert – ohne Bierzelt – Bayern | ABC-Z
Ruth Müller hat den großen Christbaum vor dem Plenarsaal des Landtags als Treffpunkt vorgeschlagen, wie passend. Die Generalsekretärin der Bayern–SPD will erklären, was das Besondere an einem Winterwahlkampf ist, der nun auf die Bundesrepublik zurollt. Eine festlich geschmückte Tanne ist dafür nicht die schlechteste Kulisse.
Regulär hätte die Bundestagswahl ja erst im Herbst 2025 stattfinden sollen. Doch nach dem vorzeitigen Ende der Ampelkoalition muss früher gewählt werden, aller Voraussicht nach am 23. Februar. Die Jagd um Stimmen fängt deshalb schon vor Weihnachten an. Was heißt das für die Wählerinnen und Wähler sowie für die Wahlkämpfer der Parteien?
„Das war’s jetzt mit den Weihnachtsferien“, sagt Ruth Müller und lacht. Dieser Gedanke sei ihr durch den Kopf geschossen, als sie am Abend des 6. November die Nachricht aufs Handy bekam, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die FDP aus der Regierung werfen will. Ihr sei sofort klar gewesen, dass nun „Hochschalten statt Abschalten“ gelte.
Der größte Unterschied zum Sommerwahlkampf ist natürlich: die Kälte. Müller zieht einen rot-weißen Schal aus ihrer Tasche, der auf den ersten Blick nach einem FC-Bayern-Fanschal aussieht. Es steht aber „SPD“ drauf, dazu der Wahlspruch „Soziale Politik für Dich.“ Die Schals seien gerade frisch eingetroffen, sagt die Parteimanagerin und streicht stolz über den weichen Stoff. An den Wahlständen will die SPD die Halswärmer an Wählerinnen und Wähler verschenken und dazu Tee oder Kinderpunsch servieren. „Gegen die soziale Kälte“, sagt Müller. Der Wahlkampfmodus funktioniert also schon mal.
Weniger als drei Monate sind es noch bis zur Stimmabgabe, die heiße Phase soll aber erst im neuen Jahr starten, sagt Müller. Kurz vor Weihnachten wolle sie eine unnötige Polarisierung und krawallige Zuspitzung vermeiden. „Das würde ich auch allen anderen Parteien raten“, sagt die Landtagsabgeordnete aus Niederbayern. „Die politische Stimmung im Land ist eh so angespannt. Wenigstens in der Weihnachtszeit sollten wir ein paar Tage Ruhe zulassen.“
Wahlkampf am Weihnachtsmarkt? „Dort wollen die Leute alles, außer mit Politik belästigt zu werden“
Auch Martin Hagen, Chef der Bayern-FDP, will erst von Januar an richtig aufdrehen. Von Wahlkampf auf dem Weihnachtsmarkt hält er sowieso nichts. „Dort wollen die Leute alles, außer mit Politik belästigt zu werden.“ So ganz kampagnenfähig ist sein Landesverband ohnehin noch nicht: Die Bayern-FDP stellt ihre Landesliste inklusive Spitzenkandidat oder -kandidatin erst am 21. Dezember auf. Plakate werden bereits vorbestellt, bevor die Kampagne überhaupt fertig ist. In anderen Bundesländern hört man sogar von Parteien, die ihre Listen ursprünglich im Sommer 2025 wählen wollten – und nun in Zeitnot geraten.
Liberale in Bayern
:Fehler über Fehler bei der FDP – doch kein Zweifel an Lindner
In der Bayern-FDP herrscht Unmut über Ampel-Chaos, „Feldschlacht“-Papiere und Krisenmanagement. An Parteichef Christian Lindner rüttelt aber niemand – aus guten Gründen.
Hagen stellt sich auf einen „sehr, sehr kurzen und sehr, sehr intensiven Wahlkampf“ ein. Dieser werde diesmal noch stärker als sonst im digitalen Raum stattfinden. Weil weder Wahlkämpfer noch Wähler bei Kälte, Schnee oder Matschwetter gerne auf den Straßen frieren, sei „der Online-Wahlkampf zentral“, sagt Hagen. Vom Haustürwahlkampf, wie man ihn vor allem aus den USA kennt, ist der FDP-Mann nicht überzeugt. „Das hat ein bisschen was von den Zeugen Jehovas.“ SPD-Generalin Müller hält Hausbesuche hingegen für eine Alternative im Winter. „Der Vorteil ist, dass man die Leute eher zu Hause antrifft“, sagt sie.
Das Gesicht des Wahlkampfs wird ein anderes sein, als man es in Bayern kennt. Nicht nur, weil in den Fußgängerzonen statt Wasserbällen und Sonnencremes diesmal Mützen und Schals mit Parteilogos verteilt werden. Die Politiker im Freistaat verlieren auch eine ihrer wichtigsten Bühnen: das Bierzelt. Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr lieferten sich CSU-Chef Markus Söder und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ein Rennen um die meisten – und manchmal auch um die derbsten – Bierzelt-Auftritte. Diesmal müssen sie sich etwas anderes ausdenken.
Ein Wahlkampf ohne Bierzelt
Im Januar und Februar finden keine Volksfeste statt, auch Großkundgebungen im Freien sind eher unattraktiv. Nicht einmal die Starkbierfeste oder der politische Aschermittwoch, eines der größten Polit-Spektakel im Land, fallen in die Wahlkampf-Zeit. Der Aschermittwoch ist in diesem Jahr am 5. März.
Das heißt: keine krachenden Bierzelt-Reden, keine johlenden Masskrug-Massen. Oder?
Martin Huber, der CSU-Generalsekretär, weicht dieser Frage aus. „Wahlkampf im Winter ist für uns in Bayern nicht ungewohnt, auch die Kommunalwahlen finden alle sechs Jahre in der Jahreszeit statt“, teilt er stattdessen mit. „Wahlen und Wahlkampf sind ein hohes demokratisches Gut, unabhängig von der Jahreszeit.“ Es sei gut, dass es nach dem Ampel-Chaos nun Neuwahlen gebe.
Auch für die CSU werde Social Media eine noch größere Rolle spielen, so Huber. „Unser Parteivorsitzender Markus Söder hat mit innovativen und authentischen Formaten enorme Reichweiten und ist unser Zugpferd.“ Für den Parteimanager stehen zudem die landesweiten CSU-Neujahrsempfänge als Bühne im Fokus. Die eigentlich festlich geprägten Veranstaltungen mit lokalen Würdenträgern dürften also diesmal kerniger ausfallen. Söder und der CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt stehen bereits bei mehreren Empfängen als Hauptredner fest. Die Volksfeste ersetzen können aber auch sie kaum.
„Chance, jenseits der Masskrüge und Stammtischparolen inhaltlich über Politik zu reden“
Während CSU und Freie Wähler das Bierzelt vermissen dürften, glaubt die SPD an einen Vorteil. „Das ist eine Chance, jenseits der Masskrüge und Stammtischparolen inhaltlich über Politik zu reden“, sagt Ruth Müller. Sie denkt an sogenannte Townhall-Formate in Stadtsälen oder Mehrzweckhallen. Prominente SPD-Politiker wie Kanzler Scholz oder Parteichef Lars Klingbeil sollen dort auf Fragen des Publikums antworten. Man sei gerade dabei, „einen Tourplan“ zu erarbeiten, sagt Müller.
Es dürfte ein besonderer Wahlkampf werden, bei dem am Ende sicher nicht immer alles glattläuft. Auch die Wählerinnen und Wähler müssen sich etwas umstellen, etwa bei der Briefwahl. Wegen der kurzen Vorbereitungszeit der Behörden sei bereits absehbar, „dass sich der Zeitraum für die Briefwahl entsprechend verkürzen wird“, teilt die Staatskanzlei mit. „Voraussichtlich wird die Ausgabe der Briefwahlunterlagen erst zwei bis drei Wochen vor der Wahl möglich sein.“
In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz hat das Wahlbüro sogar schon dazu aufgerufen, diesmal nicht per Brief zu wählen und lieber ins Wahllokal zu kommen. Wegen der kurzen Fristen bestehe die Gefahr, dass Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig zugestellt würden. Dann wäre die Stimme verloren, allem Wahlkampf zum Trotz.