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Anwältin von Dominique Pelicot: Wer ist Béatrice Zavarro? | ABC-Z

Béatrice Zavarro ist „die andere Frau“ im Prozess von Avignon. Sie nennt sich selbst „die Anwältin des Teufels“. Der Teufel, das ist Dominique Pelicot, der die eigene Ehefrau betäubte und wohl mehr als 200-mal vergewaltigen ließ, von wildfremden Männern. Wie kann eine Frau einen solchen Mann verteidigen? Zavarro sagt, dass sie es natürlich „abscheulich“ findet, was Pelicot getan hat. Die Frau in sich schalte sie aber aus. Als Strafverteidigerin sei sie der Überzeugung, dass jeder Angeklagte das Recht auf ein faires Verfahren habe.

Béatrice Zavarro ist 55 Jahre alt und hat schon in einigen aufsehenerregenden Gerichtsverhandlungen plädiert. Sie verteidigte die „Hure der Republik“, Christine Deviers-Joncours, die als Gespielin des Außenministers Roland Dumas in der Elf-Affäre angeklagt war. Sie war die Anwältin der Familie von Yann Piat, der Abgeord­neten, die 1994 unter nie aufgeklärten Umständen an der Côte d’Azur erschossen wurde. Aber nie habe sie ein solches Medieninteresse erlebt wie in Avignon, sagt sie. Vorbereitet war sie darauf nicht. Die Marseiller Anwältin ging davon aus, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würde, als sie im April 2021 die Verteidigung Dominique Pelicots akzeptierte. Als sie hörte, dass Gisèle Pe­licot auch alle Fotos und Videos der Gewaltakte den Prozessbesuchern und Journalisten zugänglich machen wollte, war sie zunächst sprachlos, wie sie erzählt.

Ihr Abschlussplädoyer in Avignon beginnt sie am Mittwochnachmittag mit ei­ner Respektbekundung an Gisèle Pelicot, deren Würde und Anstand sie zutiefst bewundere. Sie fühle sich ein wenig so, als kämpfe sie mit ihrem Mandanten „gegen den Rest der Welt“.

Ihr Ehemann sitzt in der ersten Reihe

In der ersten Reihe sitzt wie an jedem Verhandlungstag Zavarros Ehemann. Die zierliche Anwältin mit dem Kurzhaarschnitt leidet an der seltenen Glasknochenkrankheit. Deshalb trägt ihr Ehemann Edouard stets die schwere Tasche mit den Prozessakten in den Gerichtssaal. Die Anwältin wird aber trotz ih­rer 1,44 Meter nicht übersehen. Mehrere Anwälte der 50 Mitangeklagten haben ihr gar vorgeworfen, zu viel Sympathie für die Opfer zu zeigen. Davon ist in ihrem Plädoyer wenig zu spüren. Sie beschreibt ihren Mandanten als Opfer seiner schwierigen Kindheit und Jugend. „Man wird nicht pervers geboren, man entwickelt sich dazu“, sagt sie über den geständigen Dominique Pelicot. Er sei mit einem „tyran­nischen Vater“ aufgewachsen. Die Mutter war zunächst mit dem Bruder des Vaters verheiratet gewesen, das habe die Beziehung von Anfang an schwierig gemacht.

Als Kind habe er erlebt, wie der Vater seine Mutter mit Gewalt gefügig machte und ihr Sex aufzwang. Es habe eine Pflegetochter in der Familie gelebt, mit der der Vater eine inzestuöse Beziehung unterhalten habe. Im Alter von neun Jahren sei Dominique Pelicot von einem Krankenpfleger vergewaltigt worden. Mit 14 Jahren habe er auf einer Baustelle an einer Gruppenvergewaltigung teilnehmen müssen. Er sei ein fürsorglicher Ehemann und Familienvater geworden. Seine Frau habe er „mehr als alles andere geliebt“. Der Umzug des Paares im Ruhestand in den Süden und ihre Weigerung, seine sexuellen Phantasien mit ihm auszuleben, seien Auslöser für „seine kriminellen Pläne“ gewesen. Gisèle Pelicot habe die rechten Worte dafür gefunden. „Er hatte einen großen sexuellen Drang, den sie nicht erfüllen konnte“, beruft sich die Anwältin auf die Frau.

Sie hinterfragt die Aussagen der anderen Angeklagten

„Sie haben ihre Rolle als Großmutter erfüllt, er ist in die Sex-Webplattform ­Coco abgetaucht“, sagt Zavarro. Unter der Überschrift „Ohne ihr Wissen“ habe er eine unmissverständliche Anzeige auf der Sexplattform aufgegeben: „Suche perverse Komplizen, um meine betäubte Frau zu missbrauchen“. Er habe seinen Komplizen strikte Regeln diktiert, die durften kein Parfum tragen und nicht vorher geraucht haben. „Monsieur Pelicot hat seine Virilität delegiert“, sagt die Anwältin, das habe ein Sexualtherapeut so ausgesagt. Sie hinterfragt die Behauptungen der anderen 50 Angeklagten, wonach sie von Do­minique Pelicot manipuliert wurden und der Sexualakt nicht ihrer freien Willensentscheidung entsprang. „War Pelicot bedrohlich? – Nein!“ War er gewalttätig, war er beleidigend, war die Tür abgesperrt? Dreimal antwortet sie mit Nein.

Die Anwältin beschreibt ihren Mandanten als Gefangenen seiner Sexsucht, der es nicht schafft, sich davon zu befreien. Als er am 2. September 2020 in den nahe gelegenen Supermarkt fährt, um mit einer Kamera unter die Röcke mehrerer Frauen zu filmen, habe er sich auffällig benommen. „Er nimmt sieben Videos auf, glauben Sie, er war diskret?“, fragt sie das Gericht. Sie stellt es so dar, dass Pelicot es ­darauf anlegte, verhaftet zu werden. Den Polizisten im Revier habe er gesagt: „Ich danke Ihnen, dass Sie mir diese Last abgenommen haben. Es war Zeit, dass das aufhörte.“

Zu seiner Entlastung bringt Zavarro vor, dass Pelicot die „chemische Unterwerfung“ nicht „erfunden“ habe. „Ist Dominique Pelicot nicht sein eigener schlimmster Feind“, fragt Zavarro in ih­rem etwa einstündigen Plädoyer. Sie spricht sich vorsichtig dafür aus, „sich etwas von den Forderungen der Anklage wegzubewegen“, die die Höchststrafe von 20 Jahren Haft gefordert hatte. Während des Prozesses sagte der Hauptangeklagte, dass er eine harte Strafe verdient hat. Dominique Pelicot ist der einzige der 51 Angeklagten, der die Taten von Anfang an gestanden hat. In den kommenden Tagen kommen die Anwälte der weiteren Angeklagten an die Reihe. Das Urteil wird am 20. Dezember erwartet.

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