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Gen-Z-Bäckerei öffnet erst um 11 Uhr – ihrem Chef rennen Azubis die Bude ein | ABC-Z

Wenn die Freiburger Bäckerei „Till und Brot“ um 11 Uhr vormittags ihre Pforten öffnet, haben andere Bäcker schon einen 8-Stunden-Tag hinter sich: Teig vorbereiten, Brot und Brötchen formen, backen und belegen. Der Arbeitstag eines Bäckers beginnt meist schon gegen 2 Uhr nachts, das frühe Aufstehen ist Grundvoraussetzung für den Beruf. Oder?

„Nicht unbedingt“, sagt Till Gurka. Der 31-Jährige hat sich vor einigen Jahren einen Kindheitstraum erfüllt: Er eröffnete seine eigene Bäckerei– mit ganz eigenen Öffnungszeiten. Die ersten Bäcker bei „Till und Brot“ stehen erst zwischen 6 und 7 Uhr am Brötchen-Ofen. Sonntag und Montag hat der „Brotsommelier“ komplett geschlossen.

An diesem unkonventionelle Konzept zweifelten am Anfang viele: „Diese Öffnungszeiten vertreiben Kunden, die früh zur Arbeit müssen“, hätten einige Freunde zu Gurka gesagt. Auch seine Schwiegereltern seien nicht gerade begeistert gewesen. Trotzdem: Der junge Bäcker zog sein Konzept durch – mit Erfolg, wie sich dann herausstellte: „Manchmal stehen die Leute sogar um die Ecke Schlange“, erzählt Gurka stolz.

Chef der Gen-Z Bäckerei: „Ich bekomme mehr Bewerbungen als ich einstellen kann“

Bereits mit 13 Jahren entdeckte der junge Bäcker seine große Leidenschaft für den Beruf. Damals machte er ein Schülerpraktikum bei einer Bäckerei in Strümpfelbrunn – und hatte nach zwei Wochen einen Ausbildungsvertrag auf dem Tisch. „Mit 13 Jahren. Da staunten meine Eltern nicht schlecht.“ Gurka ging damals auf eine Hauptschule, Lernen machte ihm keinen großen Spaß.

Mit 15 durfte er dann endlich die Lehre zum Bäcker beginnen – doch die harten Arbeitsbedingungen machten ihm zu schaffen, sein soziales Umfeld schrumpfte: „Ich hatte irgendwann nicht mehr viele Freunde. Wenn du immer arbeitest, wenn alle anderen unterwegs sind und dann den halben Tag über schläfst, ist das einfach keine gute Work-Life Balance für einen jungen Menschen“, findet Gurka.

Das geht nicht nur ihm so: Gurkas Branche leidet unter einem massiven Nachwuchsmangel. Im Jahr 2007 zählte das Handwerk noch 15.261 Bäcker-Auszubildende, 2021 waren es nur noch 4211. Die langen und körperlich anstrengenden Nachtschichten machen den Beruf immer unbeliebter. Till Gurka aber merkt von dem drastischen Fachkräftemangel in seiner Bäckerei nichts. Ganz im Gegenteil: „Ich bekomme mehr Bewerbungen als ich einstellen kann.“ Seine Ausbildungsplätze seien alle belegt– für dieses und für nächstes Jahr.

„Meine Bäcker arbeiten nicht hinten in der Backstube und schauen gegen eine Wand“

Dass bei „Till und Brot“ einiges anders läuft als in herkömmlichen Bäckereibetrieben, bemerkt man schon am Design des Ladens: Moderne Industrielampen hängen von den holzvertäfelten Decken und hinter großen Plexiglasscheiben kneten fast durchweg junge Menschen Teig, gut sichtbar für die Kunden. „Meine Bäcker arbeiten nicht hinten in der Backstube und schauen gegen eine Wand“, sagt Gurka. Der Altersdurchschnitt in seiner Bäckerei: 26 Jahre.

„Ich merke schon, dass die jungen Menschen, die bei mir anfangen ganz anders ticken, als noch vor zehn Jahren“, berichtet der Bäcker. Vieles was früher selbstverständlich war, würden sie hinterfragen. Das schätze er aber sehr: „Dann versuchen wir gemeinsam Lösungen zu finden, damit sich alle wohl fühlen. Es muss nicht alles bleiben wie bisher, nur weil es immer schon so war.“

Außerdem müsse man wissen, wie man junge Menschen heutzutage motiviert. „Für einen meiner Azubis war die Ausbildung am Anfang nur eine Pflicht, Arbeit eben, da geht man hin, weil man Geld verdienen muss. Er hat sich aber schnell von unserer Begeisterung für den Beruf anstecken lassen.”

Man müsse die Leute mitnehmen und ihnen auch das Lob der Kunden weitergeben, findet Till Gurka. „Jetzt zeigt mir mein Azubi häufig die neusten TikTok-Trends von neuen Brotsorten und ich sage dann: ‘Hey, lass uns das ausprobieren.’“

„Ich habe ehemalige Ärzte oder Lehrer, die zu mir kommen, um nochmal neu anzufangen”

Doch nicht nur die Gen Z zieht es zu „Till und Brot“: „Ich habe ehemalige Ärzte oder Lehrer, die zu mir kommen, um nochmal neu anzufangen und ihren Traum vom Bäcker zu verwirklichen”, so Gurka. „Die haben sich früher von den harten Arbeitsbedingungen abschrecken lassen und fangen bei mir jetzt eine Ausbildung an.“

Zum Konzept von „Till und Brot“ gehört aber auch, dass nur eine kleine ausgewählte Bandbreite an Produkten pro Tag verkauft wird: Nussbrot gibt es zum Beispiel nur Dienstag, Croissants und Pain au Chocolat nur am Samstag, da macht der Laden bereits um 8 Uhr auf.

Er verstehe natürlich, dass es auch die Bäcker geben müsse, die frühmorgens ihre Auslagen voll mit Brötchen und Gebäck für Berufstätige anbieten, betont Gurka. „Aber ich wollte zeigen, dass es auch eine Alternative dazu gibt. Und außerdem: Was geht über ein frisch gebackenes Schoko-Brioche um 16 Uhr am Nachmittag?“

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