FC Schalke 04: Mitgliederversammlung – „Wir waren einen Schritt von der Regionalliga fern“ | ABC-Z
Die Führung des seit Jahren kriselnden FC Schalke muss sich auf der Mitgliederversammlung viel Kritik anhören. Die Verantwortlichen ordnen die Situation des Vereins mit drastischen Worten ein. Der sportliche Bereich sei eine „Riesenbaustelle“. Eine Klublegende wird zum Sündenbock gemacht.
Auf der Mitgliederversammlung des FC Schalke 04 haben die Verantwortlichen einen Einblick in die zwischenzeitlich dramatische Situation des Fußball-Zweitligaklubs gewährt. „Wir waren de facto bankrott, waren einen Schritt von der Insolvenz und der Regionalliga entfernt“, erklärte Axel Hefer, Vorsitzender des Aufsichtsrates, vor rund 7000 anwesenden Mitgliedern in der Schalker Arena. Hefer bezog sich dabei auf den Zeitraum kurz nach der Verpflichtung des damaligen Vorstandsvorsitzenden Bernd Schröder, der zum 1. Januar 2022 beim Traditionsverein angefangen hatte.
Hefer bekräftigte am Samstag, dass der eingeschlagene Sparkurs der Verantwortlichen alternativlos sei. So seien die Sponsoring-Einnahmen rund zehn Millionen Euro niedriger als im ersten Zweitliga-Jahr, „vor allem, weil wir auf Geld aus Russland verzichten“. Schalke hatte einen hoch dotierten Vertrag mit dem russischen Staatskonzern Gazprom nach dem Angriff auf die Ukraine gekündigt.
Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers sprach in diesem Zusammenhang auch die drastisch gesunkenen Einnahmen aus TV-Geldern ein. Schalke komme in der aktuellen Saison auf etwa 19 Millionen Euro TV-Gelder, vor fünf Jahren in der Bundesliga seien es noch 90 Millionen Euro gewesen.
„Der sportliche Bereich ist eine Riesenbaustelle“, sagte Hefer mit Blick auf die sportliche Situation der Schalker, die aktuell auf Platz 14 der Zweiten Liga stehen. Der Aufsichtsratschef schloss einen eigenen Abgang trotz Kritik mehrmals aus: „Ich kann nicht meinen Hut nehmen und gehen. Meine Familie wird den Verein nie verlassen.“
Genossenschaft gegen Schuldenberg
Die geplante Fördergenossenschaft der hoch verschuldeten Schalker soll derweil im Januar starten. Vom neuen Jahr an können die rund 190.000 Mitglieder des Zweitligisten Anteile zu je 250 Euro an der Veltins-Arena erwerben. Ziel der Schalker sei es, in der kommenden Jahren damit 50 Millionen Euro an Eigenkapital aufzubauen. „Dann sieht die Welt auf Schalke anders aus“, sagte der Vorstandsvorsitzende Matthias Tillmann.
Aktuell ist Schalke noch mit 162 Millionen Euro verschuldet. Allein 2023 musste der Klub 16 Millionen Euro für Tilgung und Zinsen bezahlen. „Das ist ein durchschnittlicher Zweitligakader. Das heißt, wir bezahlen derzeit einen Kader extra“, sagte der Aufsichtsratschef Hefer. Mit dem geplanten Erlös aus dem Verkauf von Stadionanteilen an Vereinsmitglieder und Unternehmen sollen vor allem Schulden getilgt werden.
Auf der emotionalen Versammlung gab es vor allem an Hefer und den Vorstandsvorsitzenden Matthias Tillmann teils wüste Vorwürfe. „Ich weiß gar nicht, wie Sie an Ihren Job gekommen sind. Herr Tillmann, werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und treten Sie zurück“, sagte eines der vielen Mitglieder, die während der rund dreistündigen Aussprache die Möglichkeit nutzten und die Klub-Führung kritisierten. „Keine Kompetenz im Vorstand und Aufsichtsrat“ lautete bei etlichen Rednern der Tenor.
Insgesamt dauerte die Veranstaltung acht Stunden. Bei Temperaturen um acht Grad verließen zahlreiche Anhänger die Arena schon vor dem Ende.
Marc Wilmots als Sündenbock
Hefer als Veranstaltungsleiter und Tillmann kommentierten meist sachlich und ruhig. „Ich verstehe die Kritik und hinterfrage mich ständig selbst“, sagte Tillmann, der erst seit Beginn des Jahres im Amt ist und von Hefer, seinem früheren Vorstandskollegen beim Hotel-Vergleichsportal Trivago, nach Schalke geholt worden war.
Die Mitgliederversammlung wählte den bisherigen stellvertretenden Aufsichtsratschef Moritz Dörnemann ab. Der 42 Jahre alte Banker hatte sich zur Wiederwahl ins Gremium gestellt, erhielt aber nicht genügend Stimmen. Neu im Aufsichtsrat ist Ender Ulupinar, der einst für die Schalker Reservemannschaft spielte. Sven Kirstein wurde in seinem Aufsichtsratsamt bestätigt.
Für die aktuelle sportliche Situation – der Klub muss als Tabellen-14. den Abstieg in die Drittklassigkeit befürchten – machte Vorstandschef Tillmann insbesondere den geschassten Sportchef Marc Wilmots zum Sündenbock. „Marc Wilmots war und bleibt eine Legende als Spieler. Im Management hat es nicht funktioniert“, urteilte Tillmann.
Auch Hefer gestand ein, Wilmots als Sportlicher Leiter sei ein Missgriff gewesen. Der belgische Ex-Profi war im September nach nur neun Monaten im Amt wieder entlassen worden. „Wir performen unter dem, was das Budget hergeben müsste“, sagte Tillmann und machte eine deutliche Ansage an die nicht anwesende Mannschaft und Trainer Kees van Wonderen: „Die nächsten fünf Spiele bis zur Winterpause sind sehr wichtig. Das weiß der Trainer, das weiß die Mannschaft.“
rc