Wirtschaft

Heiße Wetten auf Dow und Krypto: “Egal, was man von Trump hält, er macht gute Schulden” | ABC-Z

Trumps Wahlsieg sorgt für einen Hype an den Börsen. Der Dow-Jones-Index gewinnt an einem einzigen Tag 90 Milliarden Dollar an Börsenwert hinzu. Der Bitcoin marschiert in Richtung 100.000 Dollar. Ist das Anlass zur Sorge? Aktienexperte Robert Halver von der Baader Bank ist zuversichtlich, dass die Rally weitergeht. Trump werde die USA zu einem “absoluten Powerhouse” machen, sagt er im Interview mit ntv.de. Amerika sei auch noch aus einem anderen Grund attraktiv für Investoren: Es sei praktisch “der Einäugige unter den Blinden”.

ntv.de: Viele Anleger glauben sich wohl derzeit im Schlaraffenland mit einem neuen Präsidenten Donald Trump. Das sind äußerst heiße Wetten, die da zurzeit laufen. Muss man nicht befürchten, dass es bald crasht?

Robert Halver: Neue Besen kehren gut, sagt man. Donald Trump hat sich auf die Fahne geschrieben, etwas für die amerikanische Wirtschaft zu tun. Er will Unternehmenssteuern senken und den Finanz-, Hightech- und Kryptobereich massiv deregulieren. Da lassen die Anleger die Sektkorken knallen, denn damit sind höhere Gewinne verbunden. Trump hat sich auch die Reindustrialisierung Amerikas vorgenommen. Seit Ronald Reagan ist viel Industrie ins Ausland abgewandert. Die möchte Trump jetzt zurückholen. Wenn er seine angekündigten Zölle erhebt, wird so manches Unternehmen sagen: Wir machen in Europa zu und in Amerika auf – auch aufgrund besserer Standortbedingungen in den USA im Vergleich zu Europa und vor allen Dingen Deutschland. Damit wäre Amerika ein absolutes Powerhouse. Das ist es, was momentan am Markt gespielt wird.

Die Staatsverschuldung wird unter Trump vermutlich doppelt so stark steigen, wie es unter einer Präsidentin Kamala Harris der Fall gewesen wäre. Sollten sich die Anleger nicht eher ernsthafte Sorgen machen?

Natürlich ist die amerikanische Verschuldung apokalyptisch. Im vergangenen Haushaltsjahr lag das Haushaltsdefizit bei acht Prozent. Damit könnte Amerika nicht der Eurozone beitreten, da sind ja maximal drei Prozent erlaubt. Und die Trump-Administration wird weiter massiv Schulden machen. Allerdings man muss zwischen guten und schlechten Schulden unterscheiden. Egal, was man von Trump hält, er macht gute Schulden, weil er die Standortfaktoren der Wirtschaft verbessert. Bessere Bildung, Brücken und Netzqualität, dazu noch die Reindustrialisierung. All diese Vorhaben sprechen dafür, dass Amerika wachsen wird.

Die Börse feiert unter anderem, dass Trump die Unternehmenssteuern senken will. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass es gar keine Korrelation zwischen Unternehmenssteuersätzen und Börsenkursen gibt. Was ist denn davon zu halten?

Das ist richtig. Aber man muss die Steuersenkungen als Highway betrachten, nicht als Ziel, sondern als Zweck. Trump schafft es damit, ausländische Unternehmen ins Land zu locken, übrigens auch durch die Zölle. Das heißt, der Standort USA wird notgedrungen attraktiver. Den Unternehmen wird suggeriert: Kommt nach Amerika, hier ist das Land, wo Milch und Honig fließen. Die Rahmenbedingungen werden dafür sorgen, dass sie sich gerne in Amerika niederlassen. Sie schaffen Arbeitsplätze, sorgen für Wirtschaftswachstum, zahlen Steuern. All das wird der amerikanischen Volkswirtschaft helfen.

“America first”, die Abschottung durch die geplanten Zölle heizt aber auch die Inflation an. Damit liegt ein Ende der geldpolitischen Lockerung der Fed in der Luft. Könnte es nicht passieren, dass sie schon 2025 die Zinsen wieder anheben muss?

Wer häufiger in den USA ist, weiß, dass die offizielle Inflationsrate und die tatsächliche weit auseinanderliegen. Die tatsächliche ist deutlich höher. So haben die höheren Zinsen die Preise in der Vergangenheit nie wirklich stabil halten können. Überhaupt hat die ja auch ein Konjunkturziel. Sie wird nie gegen die Interessen von Amerika agieren. Von daher sehe ich auch die Gefahr von merklichen Zinsrestriktionen nicht. Die Fed wird immer ein treuer Begleiter der amerikanischen Wirtschaft sein.

Gute Aussichten für die Inflation sind das trotzdem nicht …

Zölle sind natürlich, wenn sie so erhoben werden, wie sie bei Trump im Wahlprogramm stehen, inflationsfördernd. Auch weil Amerika nach wie vor viele Vorprodukte aus Schwellenländern, beispielsweise aus China importiert. Ich bin allerdings der Meinung, dass das Thema Zölle für Trump eher so etwas wie der Hammer ist, mit dem er droht. Ich glaube nicht, dass sie so hoch kommen werden wie er sie angekündigt hat. Das wäre eine Inflationsbeschleunigung und die war ja ein wichtiges Wahlkampfthema.

Gold notiert niedriger als am Wahltag. Und auch die Prämien handelbarer Kreditausfallversicherungen gegen einen Zahlungsausfall der USA sinken wieder. Wo sind die Sorgen von vor ein paar Wochen abgeblieben?

Sie können einen Dollar nur einmal ausgeben. Gold hatte einen dramatischen Run, Investoren haben einfach mal Gewinne mitgenommen und woanders investiert. Ab und zu braucht es eine Konsolidierung. Das ist völlig normal. Die werden wir auch am Aktienmarkt sehen. Es gab eine Anfangseuphorie, dann hat man geschaut, wo man Geld herbekommt, das war dann vor allen Dingen bei Gold-Anlagen. Die sinkenden Kreditausfallversicherungen zeigen natürlich auch, dass Anleger offensichtlich keine Angst haben, dass die USA sich plötzlich nicht mehr finanzieren kann. Aber das liegt auch an mangelnden Alternativen. Die Alternative war jahrelang China. Aber Peking schafft es nicht, die Wirtschaft auf Vordermann zu bringen und den Kapitalmarkt zu stabilisieren. Auch aufgrund unserer Probleme in Europa und Deutschland ist Amerika damit so was wie der Einäugige unter den Blinden.

Robert Halver, Chefanalyst der Baader Bank

Sie würden also sagen, die Chancen auf eine anhaltende Aktienrallye stehen gut?

Ich würde sagen, das nächste Jahr wird auch ein gutes Aktienjahr. Es wird Schwankungen geben, aber ich gehe fest davon aus, dass die genannten wirtschaftsstimulierenden Maßnahmen von Trump Gefallen finden werden bei den Anlegern, egal ob sie ihn mögen oder nicht.

Die Renditen von US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit kletterten nach dem Wahlsieg auf ein Vier-Monatshoch. Muss das keine Sorgen bereiten?

Ich sehe keine Gefahr, dass die Renditen massiv durch die Decke gehen werden. Da bin ich jetzt wieder bei der US-Notenbank. Die Fed mit ihrer staatstragenden Rolle wird verhindern, dass Amerika so hohe Renditen bekommt, die nicht mehr zu finanzieren wären. Wo die Not am größten, ist die Fed am nächsten.

Gibt es beim DAX nach dem Ampel-Aus noch die Chance auf eine Aufholjagd?

Nein. Die Regierungsdinge interessieren den DAX nicht. Das ganze Ampel-Chaos, das wir lange Zeit hatten, hat den DAX ja auch nicht davon abgehalten, neue historische Höchststände zu machen. Eigene Luft nach oben gibt es nur, wenn wir in Deutschland eine wirtschaftsfreundliche Regierung bekommen, die Reformen anpackt und die Standortqualität radikal verbessert. Dann wäre es ein Sondereffekt für deutsche Aktien. Aber der Aktienmarkt läuft trotzdem insgesamt gut. Der weltwirtschaftliche Impuls aus Amerika für den deutschen Aktienmarkt – trotz der Androhung von Zöllen – ist wichtiger als eine Regierung in Berlin, die jetzt zum Glück gescheitert ist.

Sollten Anleger noch auf den Zug aufspringen oder ist es zu spät dafür?

Ich gehe davon aus, dass es weiter nach oben geht, unter Schwankungen. Es wird eine Konsolidierung geben, das ist klar. Mit regelmäßigen Aktiensparplänen können unsichere Anleger aber von den Schwankungen profitieren. Wenn der Markt nach unten geht, bekommt man dann mehr Aktienanteil für sein Geld. Mein festes Credo ist: Wenn die Aktien einen vernünftigen Hintergrund haben, würde ich, wenn der Markt konsolidiert, wieder einsteigen.

Mit Robert Halver sprach Diana Dittmer

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