Verfassungsschutz: Haldenwang will für CDU in den Bundestag – Politik | ABC-Z
Warnen, das ist gewissermaßen der hauptsächliche Auftrag des Thomas Haldenwang, und warnen kann er eigentlich nicht genug. Erst neulich hat er das deutlichst getan, als er bei der öffentlichen Anhörung der Geheimdienstchefs im Bundestag saß. „Es brennt quasi überall“, sagte er. So vielen Bedrohungen sehe sich die deutsche Demokratie gerade ausgesetzt: russische und chinesische Geheimdienste, islamistische Attentäter, gewaltbereite Linksextremisten, und ganz zuvorderst: Rechtsextremisten. Die, das hat Haldenwang immer wieder formuliert, sieht er als die allergrößte der vielen Gefahren für die Demokratie.
Als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat er sich deshalb mit der AfD besonders angelegt. Bald will er seinen Kampf gegen die Gefahr von rechts allerdings an anderer Stelle weiterführen: im Bundestag. Der Chef des deutschen Inlandsnachrichtendienstes möchte für die CDU als Direktkandidat im Wahlkreis Wuppertal I antreten, seiner Heimat. Darüber soll er kürzlich seine Dienstherrin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, informiert haben, wie am Dienstag die Westdeutsche Zeitung berichtete.
Schon vor Längerem hatte Haldenwang in seiner Behörde und im Innenministerium angekündigt, dass er spätestens zum Jahreswechsel aufhören werde. Er ist immerhin 64 Jahre alt. SPD-Ministerin Faeser wollte die Leitung des Verfassungsschutzes sowieso gerne selbst neu regeln, auf jeden Fall vor dem regulären Bundestagswahltermin kommenden September.
Der CDU-Kreisverband Wuppertal will ihn am 30. November zum Kandidaten küren
Jetzt geht, der Ampel-Implosion wegen, alles ein Stück schneller. Gewählt wird voraussichtlich schon im Frühjahr, und das Sabbatical, das sich Haldenwang dem Vernehmen nach nehmen wollte, fällt damit wohl aus. Am 30. November will der CDU-Kreisverband Wuppertal seine Aufstellungsversammlung für die Bundestagswahl abhalten und dabei Haldenwang zum Kandidaten küren, heißt es aus Parteikreisen. Dann beginnt auch für den Noch-Verfassungsschutzchef der Wahlkampf. Und Faeser muss schneller als gedacht einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin finden, wofür zuletzt mehrere Namen kursierten.
Haldenwang war lange Zeit seiner Karriere eher fürs stille Wegarbeiten bekannt als fürs Lautsprechen. Der studierte Jurist bekleidete in den 90ern und 2000ern verschiedene Verwaltungsposten im Innenministerium und im Bundesverwaltungsamt, ehe er 2009 zum Verfassungsschutz wechselte. Auch da verwaltete er, war für Personaldinge zuständig, arbeitete sich hoch, bis er 2013 zum Vize des damals gerade ernannten Präsidenten Hans-Georg Maaßen bestellt wurde. Besonders eng war das Verhältnis der beiden nie, und mit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 wurde die persönliche Distanz nur größer. Als Maaßen 2018 schließlich über die Debatte zu rassistischen Hetzjagden in Chemnitz geschasst wurde, folgte Haldenwang ihm zunächst übergangsweise – und durfte bleiben.
Auch wenn er bis heute Wert auf die Feststellung legt, unabhängig von den Hausherren- und -damen im Bundesinnenministerium zu sein, erfüllte er von Beginn an die größte Erwartung, die an ihn formuliert worden war: die AfD scharf in den Blick zu nehmen, was sein Vorgänger abgelehnt hatte. Unter Haldenwang erklärte der Verfassungsschutz die Partei zunächst zum Prüf- und dann zum Verdachtsfall für Rechtsextremismus.
Im Bundestag gilt er als engagiert und inhaltlich in allen Bereichen fit
Im SPD-geführten Innenministerium schätzt man die Arbeit des CDU-Manns Haldenwang. Auch von den Abgeordneten des Geheimdienstkontrollgremiums des Bundestags ist meist Gutes über ihn zu hören. Sie nennen Haldenwang einen engagierten, inhaltlich in allen Bereichen fitten Präsidenten, und dazu, weil nun mal Rheinländer, immer für einen lockeren Spruch gut.
Deutlich, für manchen zu deutlich, wurde er vor allem häufig in Richtung AfD. „Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken“, sagte Haldenwang beispielsweise vergangenes Jahr im ZDF, „aber wir können die Bevölkerung wachrütteln, wir können Politiker wachrütteln.“ Mit solchen Ansagen machte sich Haldenwang zum Lieblingsfeind der AfD, die ihn als Gesicht einer als „Regierungsschutz“ missbrauchten Behörde darstellt.
Seine Fachleute haben gerade monatelang an einem neuen Gutachten über die AfD gearbeitet, um festzustellen, ob aus dem Verdachtsfall inzwischen ein Fall des gesicherten Rechtsextremismus geworden ist. Inzwischen soll es nach SZ-Informationen fertiggestellt sein. Haldenwang hat immer mal angedeutet, dass er bei der Partei keine Mäßigung feststelle, eher das Gegenteil.
Noch in diesem Jahr, sagte Haldenwang neulich, wolle der Verfassungsschutz seine Entscheidung öffentlich machen. Das große Finale im Kampf des Thomas Haldenwang gegen die AfD – jedenfalls in seiner aktuellen Funktion. Dass es so kommt, steht jetzt allerdings infrage: Die Zeit bis zur nun vorgezogenen Bundestagswahl sei zu knapp, heißt es in Berlin, jede Neubewertung der AfD durch den Verfassungsschutz möglicherweise ein Eingriff in den Wahlkampf.