Bayer-Aktie im freien Fall – Wirtschaft | ABC-Z
Es gibt da gerade einige Konstanten bei diesem Unternehmen. Erstens: Bayer-Chef Bill Anderson ist wie immer der Mann von nebenan und ganz er selbst. Im blauen Pulli und eng anliegendem Jackett sitzt er bei der Präsentation der Bilanzzahlen für das dritte Quartal vor der Kamera, sportlich, locker, freundlich und verbindlich. Konstante Nummer zwei: Auch wenn alles so erfrischend locker rüberkommt – es bleibt ziemlich angespannt in Leverkusen. Die Ergebnisprognose gesenkt, auch das Geschäftsjahr 2025 verheißt nicht viel Gutes, noch immer hängt der Milliarden-Rechtsstreit um Glyphosat über dem Konzern. Und Bayer-Aktien fallen zwischenzeitlich um bis zu 14 Prozent auf ein 20-Jahres-Tief. Anderson sagt: „Ich freue mich, dass wir Fortschritte machen. Aber wir sind noch nicht fertig.“ Längst noch nicht, könnte man hinzufügen.
Schlecht läuft es vor allem im Agrarbereich mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln, ausgerechnet hier, wo sich Bayer vor sechs Jahren mit der 63 Milliarden Euro teuren Übernahme des US-Herbizidherstellers Monsanto vergrößert hat. 63 Milliarden Dollar für auch heute noch nur schwer kalkulierbare Rechtsrisiken. Denn viele Bauern, die Glyphosat-Produkte von Monsanto genutzt haben, machen das Mittel für ihre schweren Krebserkrankungen verantwortlich und klagen gegen Monsanto. Also gegen Bayer, jenen Konzern, der diese Rechtsrisiken vor einigen Jahren für viel Geld in seine Bilanzen hineingekauft hat.
Ausgerechnet hier also läuft es schlechter als erwartet, vor allem in Lateinamerika, wie Vorstandschef Bill Anderson sagte. „Wetterkapriolen“ und Krankheiten bei den Pflanzen hätten in Argentinien und Brasilien „dazu geführt, dass die Anbauflächen für Mais zurückgegangen sind“. Dazu schwache Marktpreisentwicklungen und der Preisdruck durch Generika bei Pflanzenschutzmitteln – jetzt kündigte Bayer „beschleunigte Kosten- und Effizienzmaßnahmen“ an. Es wird also gespart werden müssen, wo, ist noch nicht angekündigt. Für 2024 rechnet Anderson nun mit einem Ergebnis von zehn bis 10,3 Milliarden Euro anstatt von 10,2 bis 10,8 Milliarden. 2023 war der Gewinn schon um gut 13 Prozent gefallen.
Dabei ist es natürlich nicht so, dass Anderson nicht gewusst hätte, was auf ihn zukommt, als er das Amt Mitte vergangenen Jahres von seinem Vorgänger Werner Baumann übernahm. Der hatte bis zuletzt daran festgehalten: Die Monsanto-Übernahme war richtig, um auf dem Weltmarkt für Agrarchemie an die Weltspitze zu gelangen. Anderson sieht es nicht anders. Eine „lange Straße, keine schnelle Reparatur“, so beschreibt er jetzt die Lage. Es dauert also noch etwas, bis man Herr der Lage ist. Alles in allem natürlich eine frustrierende Situation für die Investoren. Seit Sommer 2018 ist Bayers Börsenwert von knapp 92 Milliarden Euro auf zuletzt nur noch knapp 21 Milliarden Euro gesunken. Im Jahr 2015 – also bevor die Monsanto-Übernahme 2016 eingeleitet wurde – war Bayer zwischenzeitlich der wertvollste Konzern Deutschlands, damals war er rund 120 Milliarden Euro wert. So schnell kann es gehen.
Die Anzahl der Klagen wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat-Produkten aus dem Hause Monsanto stieg zuletzt wieder um rund 5000 auf insgesamt etwa 177 000. Man müsse „die Unsicherheit durch die Rechtsstreitigkeiten eindämmen“, daran arbeite man „rund um die Uhr“. Vom Klein-Klein zum großen Wurf: Bayer will das Thema nach einem ersten Versuch vor zwei Jahren noch einmal durch das Oberste Gericht der USA prüfen lassen. Sollte sich der Supreme Court des Themas annehmen, könnte man in ein bis zwei Jahren weiter sein, so Anderson. Man wolle das Thema „in den nächsten zwei Jahren eindämmen“. Dies sei ein „langer Prozess, und es gibt keine schnelle Lösung“, so Anderson. Keine schnelle Lösung – es sind gerade solche Formulierungen, die Investoren überhaupt nicht gerne hören. Andererseits: Was soll der Bayer-Chef auch sagen? Er kündigt noch an, dass sich „Unternehmen wie wir gegen die nebulöse Finanzierung der US-Klageindustrie“ wehren.