Viel Show und PR, aber der Hype ist abgeebbt | ABC-Z
München. Das NFL-Spiel am Sonntag in München wird als Spektakel beworben. Doch der ganz große Football-Boom ist aktuell nicht auszumachen.
Als Tom Brady mit seinen Tampa Bay Buccaneers im November 2022 das erste reguläre Spiel der National Football League (NFL) in Deutschland gegen die Seattle Seahawks 21:16 gewonnen hatte, verlieh der erfolgreichste Spieler in der Geschichte des American Football seiner Begeisterung über die Stimmung in der Münchner Arena Ausdruck. „Das war eine der großartigsten Football-Erfahrungen, die ich je gemacht habe. Die Fans waren unglaublich“, sagte der Quarterback damals dort, wo sonst die Fußballer des FC Bayern mit den Medien sprechen.
Fast ein Vierteljahrhundert hatte der siebenmalige Super-Bowl-Gewinner Brady da bereits in der NFL gespielt und im Rahmen der Internationalisierung auch schon in Londons Wembley-Stadion und in Mexiko-City. „Das war alles toll“, sagte er, „aber das hier hätte nicht besser sein können.“ Ein Jahr später schwärmte Quarterback Patrick Mahomes nach dem 21:14 seiner Kansas City Chiefs gegen die Miami Dolphins ebenfalls von der Atmosphäre in Frankfurt, wo eine Woche danach auch die New England Patriots und die Indianapolis Colts aufliefen (6:10).
An diesem Sonntag treten die Carolina Panthers und New York Giants in München zum vierten NFL-Spiel in Deutschland an (Kick-off: 15.30 Uhr/live bei RTL und DAZN). Erneut sind eine große Party und viel Spektakel drumherum zu erwarten. Vor zwei Jahren hatten die Fans in der Münchner Arena mit ihren Gesängen zu „Country Roads“ und „Sweet Caroline“ für eine bemerkenswerte Atmosphäre gesorgt. Etwas Besseres hätte der NFL nicht passieren können, um American Football in Deutschland für ein breites Publikum interessant zu machen. Doch offenbar hat die damalige Begeisterung nicht so nachhaltig verfangen wie erhofft.
Die TV-Quoten bei RTL stagnieren oder sind rückläufig
Das zeigt sich zum Beispiel bei den NFL-Übertragungen von RTL. Die Einschaltquoten stagnierten zuletzt oder waren teils sogar rückläufig im Vergleich zur vergangenen Saison, obwohl der TV-Sender die Sportart massiv bewirbt. Und auch in München scheint man nicht sicher, ob die Besucherzahlen von 2022 erneut erreicht werden. Zwar ist die Arena mit 75000 Zuschauern offiziell ausverkauft, und angeblich gab es diesmal sogar mehr Kartenanfragen als beim ersten Mal. Dennoch gab es am Freitagmittag auf dem offiziellen Ticketportal der NFL noch Restkarten im sogenannten Resale. Als fraglich gilt zudem, ob wieder jene bis zu 100.000 Menschen in die bayerische Landeshauptstadt kommen werden, die vor zwei Jahren laut Schätzungen wegen des NFL-Spiels da waren.
Der anfängliche Hype scheint etwas abgeebbt, der ganz große Boom von American Football lässt in Deutschland auf sich warten. In München kommt erschwerend hinzu, dass die Carolina Panthers und New York Giants nach neun von 18 Spieltagen mit je zwei Siegen und sieben Niederlagen zu den schwächsten NFL-Teams gehören. Zudem verfügen sie nicht über Superstars wie den heutigen Football-Rentner Brady oder Mahomes. Dabei seien herausragende Sportler „entscheidend, wenn es darum geht, Märkte zu erschließen“, sagte Oliver Bierhoff, der ehemaliger Direktor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und heutige Markenbotschafter der New England Patriots im deutschsprachigen Raum, der tz (Freitagsausgabe).
NFL spricht von 19 Millionen American-Football-Fans in Deutschland
Trotzdem seien die internationalen Auftritte „für die NFL von zentraler Bedeutung“ und die Spiele in Deutschland „ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie die NFL strategisch und insbesondere langfristig ihre Marke weltweit ausbaut.“ Markus Kuhn, der RTL-Experte und ehemalige NFL-Spieler, formuliert es hoffnungsvoll: „Klar ist die Entwicklung der NFL in Deutschland noch lang nicht zu Ende.“ Er glaubt: „Der Football-Boom kommt gerade erst ins Rollen.“ Die PR-Strategen der NFL sprechen von 19 Millionen American-Football-Fans in Deutschland. Hinzudenken lässt sich: zumindest theoretisch.
Um die NFL hierzulande weiter anzuschieben, wird es in München wieder viel Show und Marketing geben. Die US-Hymne wird David Garrett auf seiner Geige spielen, die Sängerin Florentina aus Mannheim wird die deutsche Hymne intonieren, und in der Halbzeit soll der US-Rapper Machine Gun Kelly auftreten. In der Stadt steigen NFL-Partys, es gibt Pop-up-Stores und Team-Pubs (u.a. im Hofbräuhaus/Giants). Und Carolinas Maskottchen, ein schwarzer Panther, streift seit Tagen in Lederhosen durch München. Sein Team trainiert am Campus des FC Bayern und die Giants in der Vereinszentrale an der Säbener Straße. Die Fußballer sind gerne Gastgeber. Sie wissen ja: Sie bleiben die Hauptdarsteller.