Geopolitik

Pflegeversicherung: Bundesregierung erwägt offenbar auch höhere Pflegebeiträge | ABC-Z

Angesichts steigender Kosten für die Pflege kommen
im neuen Jahr möglicherweise erneut höhere Beiträge auf die
Versicherten zu. In der Bundesregierung werde über eine Erhöhung
um 0,15 Punkte auf 3,55 Prozent zum 1. Januar 2025 beraten, berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf
Koalitionskreise. 

Zuvor hatte das Fachmedium Table.Briefings diese Zahlen aus einer Formulierungshilfe des
Bundesgesundheitsministeriums für die Ampelfraktionen zitiert. Die Anhebung
sei notwendig, “um die bereits gesetzlich vorgesehenen Leistungen der
sozialen Pflegeversicherung ab dem Jahr 2025 weiterhin in der bisherigen Form finanzieren zu können”, heißt es demnach darin.

Das Gesundheitsministerium teilte auf Anfrage mit, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe mehrfach gesagt, dass die Pflegeversicherung
kurz- und langfristig stabilisiert werden müsse. Dazu erarbeite die
Regierung derzeit Konzepte, die Beratungen darüber seien noch nicht
abgeschlossen.

Beitragserhöhung von 2023 brachte zunächst Milliardenüberschuss

Die Pflegeversicherung
erwartet für dieses und das kommende Jahr rote Zahlen. Um die Finanzen zu
stabilisieren, hat Lauterbach bereits eine weitere Reform angekündigt.
Eine erste Reform mit einer Beitragsanhebung zum 1. Juli 2023 hatte die
Ampelkoalition schon umgesetzt. Damit stieg der Beitrag für Menschen
ohne Kinder auf 4 Prozent und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4
Prozent. Familien mit mindestens zwei Kindern zahlen – bezogen auf den
Arbeitnehmeranteil – nun weniger als zuvor. Die höheren Einnahmen trugen
dazu bei, dass die Pflegeversicherung im vergangenen Jahr 1,79 Milliarden Euro Überschuss verbuchte.

Die Reform sollte die Pflegefinanzen eigentlich bis 2025 absichern. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen, der auch die Pflegekassen
vertritt, warnte aber schon vor einem größeren Mehrbedarf wegen weiter
steigender Kosten. Für 2024 zeichnete sich demnach zunächst ein Minus
von 1,5 Milliarden Euro ab, für 2025 ein mögliches Defizit von 3,4
Milliarden Euro. Dies entspräche rein rechnerisch einer erneuten
Beitragsanhebung von 0,2 Punkten.

Leistungskürzungen, um das absehbare Minus auszugleichen, hatten Lauterbach
und auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgeschlossen. Der Minister stellte
Vorschläge in Aussicht, wie die Pflegeversicherung “solidarisch gut bezahlt werden kann”. In einem Gesamtpaket soll es neben dem Schließen der Finanzlücke auch um mehr Kapazitäten beim Pflegepersonal gehen – und darum, Pflegebedürftigkeit stärker zu vermeiden. Lauterbach sprach von einer
Herausforderung, die aber lösbar sei. Es stehe “keine Kostenexplosion”
an.

DAK-Chef fordert Coronahilfen von sechs Milliarden zurück

Kritik kommt von der Krankenversicherung DAK. Der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, warnte, die Pflegeversicherung
stecke in einer schweren Finanzkrise, die das Sozialsystem bedrohe. “Es
wäre der falsche Weg, die finanziellen Probleme erneut über höhere
Beiträge und Belastungen der Versicherten zu lösen.” 

Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland sagte Storm zudem, die Erhöhung des Pflegebeitragssatzes reiche
nicht aus, um die Pflegeversicherung im kommenden Jahr sicher zu
finanzieren: “Die Pläne Lauterbachs sind auf Kante genäht.” Spätestens im Herbst 2025 werde die finanzielle Lage
der Pflegeversicherung wieder kritisch, warnte er. “Diese
Unsicherheit darf den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen nicht
zugemutet werden.”

In Deutschland sind fünf Millionen Menschen pflegebedürftig; mehr als
drei Viertel von ihnen werden zu Hause von Angehörigen versorgt. 

Storm forderte
erneut, die Bundesregierung müsse ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag
einlösen, der Pflegeversicherung die Mehrbelastungen aus der
Coronapandemie in Höhe von sechs Milliarden Euro zu erstatten. Damit könne der drohende Beitragsanstieg zum
Jahreswechsel noch verhindert werden.  

Auch
bei der Opposition stießen die Pläne auf Kritik. Der
gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Tino
Sorge, sagte dem RND, die Kosten der
Pflegeversicherung liefen immer weiter aus dem Ruder. “Mit immer neuen Beitragserhöhungen werden nur noch die
akutesten Finanzlöcher notdürftig gestopft”, kritisierte der
CDU-Politiker. 

Bereits höhere Krankenversicherungsbeiträge erwartet

Im kommenden Jahr dürfte für viele gesetzlich Versicherte schon die Krankenversicherung teurer werden. Ein Schätzerkreis ermittelte für den
durchschnittlichen Zusatzbeitrag als Orientierungswert für die Kassen
eine rechnerisch nötige Anhebung um 0,8 Punkte auf 2,5 Prozent. Die
eigentlich bis zum 1. November übliche amtliche Bekanntgabe des
Durchschnittswerts steht aktuell aber noch aus. Sie soll laut
Gesundheitsministerium “in Kürze” erfolgen.

Die konkrete Höhe des
Zusatzbeitrags für 2025 für ihre Versicherten bestimmen die Kassen dann
noch jeweils für sich. Der Durchschnittswert dient dafür als
Orientierung, die Kassen können je nach ihrer Finanzlage auch davon
abweichen. Für 2024 liegt der durchschnittliche Zusatzbeitrag bei 1,7
Prozent. Der gesamte Beitrag, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer
teilen, umfasst daneben noch den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent des
Bruttolohns. Erhöht eine Kasse ihren Zusatzbeitragssatz, haben die
Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht.

Beitragsbemessungsgrenze für 2025 noch ungeklärt

Offen ist auch noch die regelmäßig übliche Anpassung der
sogenannten Beitragsbemessungsgrenze für das neue Jahr, also des Betrags vom
Einkommen, bis zu dem Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Das
Arbeitsministerium legte nach eigenen Angaben einen Entwurf dazu vor
und geht nun davon aus, dass das Kabinett ihn zeitnah beschließt. Die
Fortschreibung der Werte erfolge nach gesetzlichen Vorgaben gemäß der
Lohnentwicklung im Vorjahr.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Sorge, kritisierte, der Streit der Ampelkoalition um die
turnusgemäße Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze nehme den Kassen jede
Planungssicherheit.

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