Geopolitik

„Caren Miosga“: „Die scheinen sich das da abgeguckt zu nach sich ziehen“, beklagt Sigmar Gabriel den Kurs seiner Partei | ABC-Z

Dass Donald Trump verfängt, hat auch damit zu tun, dass die Demokraten die falschen Themen bedienen, findet der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel bei Caren Miosga. Und zieht eine Parallele zu seiner eigenen Partei.

Schlussphase im US-Wahlkampf: Während Donald Trump im Madison Square Garden erneut über eine „Einwanderungsinvasion“ klagte, dank derer die Vereinigten Staaten heute ein „besetztes Land“ seien, bemühte sich Kamala Harris an der Ellipse in Washington um eine positive Abschlussbotschaft. Sie verspreche, „stets Einigkeit und gemeinsame Lösungen mit gesundem Menschenverstand zu suchen“.

Das US-Votum beschäftigte am Sonntag auch Caren Miosga. Unter der Überschrift „Harris oder Trump – Amerika vor der Entscheidung“ befragte die ARD-Journalistin den früheren Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), den WELT-Journalisten Jörg Wimalasena, die Politiologin Cathryn Clüver Ashbrook sowie Julius van de Laar, Kampagnenberater und Youth Vote Director im ersten Präsidentschaftswahlkampfs Barack Obamas.

Der diesjährige Präsidentschaftswahlkampf sei „in jeder Hinsicht historisch“, bewertete Cathryn Clüver Ashbrook einleitend. Nie habe es eine derart dichte Abfolge von Ereignissen gegeben. Donald Trump habe bis zum Parteitag einen „sehr disziplinierten Wahlkampf“ geführt. Dann allerdings habe er die Debatte zugespitzt und sich als „Racheengel“ inszeniert. Nun führen die Parteien einen Wahlkampf der Bilder und Gefühle statt der Fakten, womit sich Demokraten traditionell schwertun. Kamala Harris sei es dennoch gelungen, auch jenseits der Wahlempfehlung von Taylor Swift „Frauen jeder Generation“ zu motivieren.

„Das war relativ klassischer Wahlkampf“, ordnete Julius van de Laar die Strategie der Demokraten ein. Während Kamala Harris von CNN bis Fox News vor allem die gängigen Medien besucht hat, versuchte Trump die sporadischen Wähler anzusprechen, die über den Podcast von Joe Rogan oder einem Fototermin bei McDonald’s leichter zu erreichen seien. Insbesondere über das Videoportal TikTok mobilisierte er damit junge Männer, die für gewöhnlich zu den Nichtwählern zählen. Die verkürzte, aber effektive Botschaft des Republikaners laute „She broke it, I’ll fix it“. Ihr falle es schwerer, ihren 80-seitigen Plan herunterzubrechen.

„Das wird alles ganz furchtbar“, befand Jörg Wimalasena hinsichtlich einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps. Es sei die „arbeiterfeindliche, neoliberale Politik“ unter dem Einfluss von Milliardären, die nach 40 Jahren zum heutigen politischen Zustand des Staates geführt habe. Auch Kamala Harris bekomme eine Milliarde „von denen hinterhergeworfen und dafür wollen sie natürlich was“, unkte der Welt-Journalist. Sie wolle lediglich wohltemperierte „Mini-Programme“ aufsetzen, mit denen jene „nicht angepieselt werden“. Ansonsten fehle es ihr an Substanz, sodass „Skandalkandidat“ Trump noch immer konkurrenzfähig sei.

Hätte er das US-amerikanische Wahlrecht, wäre ihm die „unklare Kandidatin“ noch immer lieber als Donald Trump, erwiderte Sigmar Gabriel. Der republikanische Kandidat appelliere an den „inneren Schweinehund“, mobilisiere den Rassismus und punkte bei Männern, die auf sein „Machotum abfahren“. Seine Kontrahentin bezeichne dieser permanent als „Hure“ und „geistig behindert“, beanstandete der SPD-Politiker. „Dagegen ist jeder Demokrat erstmal schlecht gewappnet.“ Für die Partei der Demokraten ergeben sich zwei Optionen. Entweder begeben sie sich auf das Niveau ihrer Gegner oder sie versuchen das Gegenteil.

Trump erzähle auch im direkten Gespräch „einfach Unfug“, wie Gabriel vom G20-Gipfel in Hamburg 2017 aus eigener Erfahrung berichten konnte. Als Angela Merkel dem damaligen US-Präsidenten ebenjenen Unfug „in freundlichen Worten“ nachgewiesen hätte, habe dieser das Thema gewechselt. „Er hat offensichtlich nicht gewusst, worüber er redet.“ Mit Blick auf das Ergebnis der kommenden Wahl zeigte sich der ehemalige Vizekanzler pessimistisch. Wenn der Republikaner gewinne, werde ein innenpolitischer „Rachefeldzug“ die Folge sein. Wenn er verliere, werde er das Ergebnis nicht akzeptieren.

Doch Gabriel übte auch Kritik an der Demokratische Partei. Statt der ökonomischen, materiellen Interessen stünden für diese seit „geraumer Zeit“ ein kultureller Wahlkampf im Fokus. „Wenn ich mir meine Partei in Deutschland angucke: Die scheinen sich das da abgeguckt zu haben“, bemängelte er in Richtung der SPD. Die US-Demokraten seien allerdings diverser. „Wenn Sie das auf deutsche Verhältnisse übertragen würden, dann wäre das eine Koalition von Linkspartei bis CSU.“ In der Opposition sei es noch möglich, die Gruppen zusammenzuführen, in der Regierung treten sie gewissen Teilen automatisch auf die Füße.

Und wie wird die Präsidentschaftswahl nun ausgehen? „Es wäre unseriös, hier eine Prognose zu treffen“, sagte Julius van de Laar. Auf dem Weg ins Weiße Haus dürfte aber Pennsylvania mit seinen 10 Millionen Wahlberechtigten eine Schlüsselrolle zukommen. 2016 konnte Trump diesen mit 44.000 Stimmen gegen Clinton gewinnen, vier Jahre später gewann Joe Biden mit 82.000 Stimmen Vorsprung. Um zu siegen, sei eine Erzählung wichtiger als Sachverhalte. „Es ist immer das Narrativ, das den Wahlkampf gewinnt. Ein Fakt gewinnt vielleicht mal eine Debatte“, erklärte der Berater „Und Donald Trump ist der Meister des Narrativs.“

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