Geopolitik

Koran-Verbrennung in Hamburg: Wenn der Iran bei der Strafverfolgung in Deutschland mitmischen will | ABC-Z

Die Staatsanwaltschaft wirft drei Exil-Iranern, die vor dem Islamischen Zentrum Hamburg demonstrierten, eine „Beschimpfung von Glaubensbekenntnissen“ vor. Zuvor hatte das iranische Generalkonsulat den Hamburger Senat zu einem rechtlichen Vorgehen aufgefordert. Bei der Kundgebung wurde ein Koran verbrannt.

Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) war ein Außenposten des iranischen Regimes in Deutschland. Über 30 Jahre nachdem der Verfassungsschutz erstmals vor dem IZH als „wichtigem Propagandainstrument der Islamischen Republik Iran“ warnte, verbot das Bundesinnenministerium den Verein im Juli dieses Jahres. Das Zentrum propagiere eine islamistische Ideologie und unterstütze Terroristen, hieß es zur Begründung.

Exil-Iraner hatten ebenfalls seit Langem vor dem Treiben des Vereins gewarnt und immer wieder vor dessen Blauer Moschee an der Außenalster demonstriert. Ein Protest, der bereits am 6. August 2022 stattfand, hat nun ein juristisches Nachspiel für drei exil-iranische Demonstranten. Nach Informationen von WELT AM SONNTAG müssen sich die Beschuldigten demnächst vor dem Amtsgericht Hamburg-St. Georg wegen des Vorwurfs der gemeinschaftlichen Beschimpfung von Glaubensbekenntnissen verantworten.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg wirft ihnen vor, vor dem IZH einen Koran auseinandergerissen und einige Seiten daraus verbrannt zu haben. In der Moschee fand währenddessen ein Gottesdienst mit Tausenden Gläubigen zu einem schiitischen Feiertag statt. Unter den Beschuldigten ist auch die Aktivistin Jasmin Maleki, die im Iran gegen die Mullahs demonstriert hat und 2016 fliehen musste. „Ich habe keinen Koran zerrissen oder verbrannt, sondern eine islamkritische und feministische Rede gehalten“, sagt die 35-Jährige. Dies ist auf dem Video einer Aktivistengruppe zu sehen. Daneben stehen mehrere Männer, die einen Koran zerreißen und Seiten daraus anzünden. „Diese Männer kenne ich nicht“, sagt Maleki. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Mittäterschaft vor.

Bemerkenswert ist: Die bei der Kundgebung anwesenden Polizisten stellten keine Straftaten fest. Anschließend vermerkten sie, diese sei ohne Zwischenfälle verlaufen. Allerdings wandte sich zwei Tage später das Hamburger Generalkonsulat der Islamischen Republik Iran mit einer Verbalnote an den Hamburger Senat. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat am vergangenen Donnerstag erklärt, das Generalkonsulat aufgrund der Hinrichtung des deutsch-iranischen Menschenrechtlers Jamshid Sharmahds im Iran zu schließen. Die diplomatische Note von August 2022 liegt WELT AM SONNTAG vor.

Iran-Konsulat forderte „Vorgehen gegen die Täter“

„Leider haben sich diese kriminellen, sehr beleidigenden und provokativen Handlungen vor den Augen der Polizei vor Ort ereignet“, heißt es darin. „Das Generalkonsulat erbittet die Verurteilung dieses radikalen, kriminellen und höchst provokativen Aktes durch die zuständigen Organe im Senat und ein ernsthaftes, sofortiges und rechtliches Vorgehen gegen die Täter.“ Die Senatskanzlei übermittelte die Verbalnote an die Behörde für Inneres. Im Laufe des Monats änderte die Polizei ihre Sichtweise. Die Staatsanwaltschaft beantragte schließlich im Februar dieses Jahres Strafbefehle in Höhe von 60 bis 90 Tagessätzen gegen die Exil-Iraner. Da Einspruch eingelegt wurde, sind diese nicht rechtskräftig. Einen Termin zur Hauptverhandlung hat das Amtsgericht bislang nicht bestimmt.

Das Institut für Weltanschauungsrecht der Giordano-Bruno-Stiftung, das für eine säkulare Rechtspolitik und staatliche Neutralität eintritt, erhebt diesbezüglich einen schweren Vorwurf. „Der Eindruck drängt sich auf, dass es dem totalitären iranischen Regime gelungen ist, Einfluss auf die deutsche strafrechtliche Verfolgung von Exiliranerinnen und Exil-Iranern auszuüben – das ist gleichermaßen erschütternd wie verstörend“, sagt der Institutsdirektor Jörg Scheinfeld, Professor für Strafrecht an der Universität Mainz. „Dass ausgerechnet das menschenrechtswidrig agierende iranische Regime in Deutschland die Strafverfolgung derjenigen anstoßen kann, die vor ihm geflohen sind und die es zu Recht für seine Religionsperversion kritisieren, zeigt sehr klar, wie absurd und verfehlt die Strafnorm des Paragrafen 166 StGB ist.“

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg wies die Vorwürfe zurück. Diese sei „zum Einschreiten verpflichtet, soweit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen“, sagte Oberstaatsanwältin Mia Sperling-Karstens. „Sie dürfen davon ausgehen, dass die Kolleginnen und Kollegen ausschließlich nach den gesetzlichen Vorgaben handeln und sich bei ihren Entscheidungen nicht politisch instrumentalisieren lassen.“

Der sogenannte Blasphemieparagraf bestraft mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe das Beschimpfen von Religionsgemeinschaften, wenn dieses dazu geeignet ist, den „öffentlichen Frieden“ zu stören. Rechtsprofessor Scheinfeld hält die Norm für aus der Zeit gefallen und ist überzeugt, dass diese „immer wieder von religiösen Fanatikern instrumentalisiert“ wird. „Jeder sollte die Toleranz aufbringen, die Beleidigung von Religionen zu ertragen. Der Gesetzgeber muss klarstellen, dass die Freiheiten der Meinungsäußerung und Kunst sehr viel wichtiger sind als die Verletzbarkeit ‚religiöser Gefühle‘“, sagte er.

Die Schura Hamburg, ein Zusammenschluss von Moscheevereinen unter damaliger Führung des Iran-treuen IZH, hatte nach der Demonstration ebenfalls gefordert, dass die „Täter“ juristisch „zur Rechenschaft“ gezogen werden müssten. Neun Tage nach der Demonstration stellte der Verein Strafanzeige. Darin heißt es, die Koran-Verbrennung stelle eine gefährliche Kampfansage dar und man möge sich an die Stimmung im Anschluss an die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen erinnern. In der Anzeige führte eine von der Schura beauftragte Rechtsanwältin aus, dass solche Handlungen eine vergleichbare Gegenwehr provozieren könnten, wenn sie ungeahndet blieben. Institutsdirektor Scheinfeld spricht diesbezüglich von einer „indirekten Drohung mit Mordanschlägen“.

Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“.

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