Kultur

Wohnhaus in Frankfurt droht der Abriss | ABC-Z

Auf den ersten Blick sieht das siebengeschossige Gebäude mit der Adresse „Am Hauptbahnhof 4“ wie ein ganz normales Wohn- und Geschäftshaus aus den Fünfzigerjahren aus. Den meisten dürfte es durch den Irish Pub im Erdgeschoss bekannt sein. Im ersten Stock befinden sich Büros, darüber Wohnungen. Das Haus hat aber eine besondere historische Bedeutung: In einer der Wohnungen lebte von 1965 bis 1974 Oskar Schindler, der während der nationalsozialistischen Herrschaft mehr als 1200 Juden das Leben rettete. Eine Gedenktafel erinnert an den Unternehmer, der durch Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ weltweit bekannt wurde.

Eine Gedenktafel erinnert am Eingang des Hauses „Am Hauptbahnhof 4“ an Oskar Schindler.Frank Röth

Was aus dem Haus wird, ist unklar. Die Mieter erhielten nach Darstellung der Stadt eine Kündigung, wonach sie bis Ende Oktober ausziehen sollten. Als Begründung sei angegeben worden, das Mietshaus solle abgerissen werden, es sei der Bau eines Boarding-Hauses geplant. Darunter versteht man möblierte Apartments mit hotelähnlichem Service. Das Vorgehen des Eigentümers, einer Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg, veranlasste Planungsdezernent Marcus Gwechenberger (SPD) zu einem ungewöhnlichen Schritt. In einer Mitteilung bezeichnete er die Kündigungen als „nicht hinnehmbar“. Die Mieter müssten der Aufforderung, ihre Wohnungen zu räumen, nicht Folge leisten.

Gwechenberger begründet seine Einschätzung mit dem Baurecht. Ein Boarding-Haus sei an dieser Stelle „definitiv nicht genehmigungsfähig“. Der für das Grundstück geltende Bebauungsplan schreibt vor, dass 60 Prozent der Geschossfläche als Wohnungen zu nutzen sind. Eine Hotelnutzung – als solche wird ein Boarding-Haus eingestuft – wäre auf maximal 40 Prozent der Fläche zulässig. Allerdings kann die Stadt nicht verhindern, dass das Gebäude abgerissen und nach den Vorgaben des Bebauungsplans neu gebaut wird. Es steht nicht unter Denkmalschutz und befindet sich auch nicht im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung.

Bisher liegt kein Bauantrag vor

Er werde sich dafür einsetzen, dass dort „langfristig bezahlbarer Wohnraum erhalten bleibt“, sagte Gwechenberger. Die Mieter würden mit Informationen versorgt, ihnen würden auch Rechtsschutzmöglichkeiten aufgezeigt. Diese Beratung übernimmt die Stabsstelle Mieterschutz im Amt für Wohnungswesen. Deren Leiter Kai Schönbach betont, dass Mieter ihre Wohnung nur aufgeben müssten, wenn ein gültiger Räumungstitel vorliegt. Diesen könne der Vermieter nur über eine Räumungsklage erwirken.

Ob tatsächlich wegen der Kündigung schon Mieter ausgezogen sind, blieb am Donnerstag unklar. Zumindest hätten keine Bewohner um Hilfe nachgesucht, teilte die Stabsstelle Mieterschutz auf Nachfrage mit. Unklar ist auch, was der Eigentümer mit dem Gebäude vorhat. Bei der Bauaufsicht liegen weder ein Bauantrag noch eine Beratungsanfrage vor. Ohnehin hat die Stadt keinen direkten Kontakt zum Eigentümer, es habe lediglich im vergangenen Februar ein Gespräch mit einem von ihm beauftragten Architekturbüro gegeben. Die Gesellschaft „First Solid Rock Portfolio“ in Luxemburg selbst zu kontaktieren, ist schwierig. Telefonisch ist sie nicht zu erreichen, die Geschäftsbeziehungen mit einer Frankfurter PR-Agentur, die Anfang des Jahres Anfragen beantwortet hat, wurden beendet.

Am Donnerstag um 10 Uhr ist das Ultimatum des Vermieters abgelaufen. Nach Darstellung des Stadtverordneten Eyup Yilmaz (Die Linke) ist zu diesem Zeitpunkt kein Vertreter des Eigentümers zu der Liegenschaft gekommen. Yilmaz sprach von „purer Abschreckung“. Auch durch Mängel, die seit Jahren nicht behoben würden, verfolge der Eigentümer eine „widerwärtige Entmietungsstrategie“. Die Stadt müsse den Abriss des Gebäudes „unbedingt verhindern“.

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