Wirtschaft

Jeff Bezos und der LA-Times-Verleger knicken vor Trump ein | ABC-Z

Amerikas linksliberale Presse zerlegt sich kurz vor dem Termin der Präsidentenwahl selbst. Die „Los Angeles Times“ und die „Washington Post“ geben – anders als in den vergangenen Jahren üblich – keine Wahlempfehlung ab; die bei den beiden Zeitungen für Kamala Harris ausgefallen wäre. Das Magazin „The Nation“ rät seinen Lesern, Harris zu wählen, doch dürfen die Praktikanten des Blattes die Empfehlung gleich wieder auseinandernehmen, mit der Begründung, Harris stehe wie Joe Biden für eine Politik, die das „genozidale“ Vorgehen ­Israels im Gazastreifen unterstütze. Die Entscheidung des „L.A. Times“-Eigentümers Patrick Soon-Shiong und des „Post“-Eigners Jeff Bezos, ihren Redaktionen die Empfehlung zu untersagen, darf man als Panikreaktion vor einem möglichen Wahlsieg von Donald Trump werten. Der hört schließlich nicht auf, seinen Widersachern – darunter auch Medienhäuser – mit Rache und Verfolgung zu drohen.

Ebenso wie bei der „L.A. Times“ (F.A.Z. vom 25. Oktober) wurde jetzt auch bei der „Post“ eine schon vorbereitete Empfehlung von Harris durch eine Intervention von oben gekippt – der Berichterstattung der „Post“ zufolge soll Jeff Bezos, dem das Blatt seit 2013 gehört, persönlich die Entscheidung getroffen haben, keine politischen Empfehlungen mehr zu veröffentlichen, wie das Blatt dies seit 1976 tat. Die „Post“, schrieb der umstrittene Herausgeber Will Lewis, kehre damit zurück zu „den Werten, für die die ,Post‘ stets stand und die wir uns auch von unseren Führungspersönlichkeiten erhoffen“, darunter „Charakter und Courage, Ehrfurcht vor dem Rechtsstaatsprinzip und Respekt für menschliche Freiheit“.

„Trump bestraft seine Feinde und belohnt seine Freunde“

Courage und Charakter indes kann man dem Blatt auch mit Blick auf das Timing kaum zusprechen. Marty Baron, der frühere langjährige Chefredakteur der „Post“, der diese auch während der ersten Regierungszeit von Trump leitete, bezeichnete die Entscheidung als „verstörende Rückgratlosigkeit“ und meinte, Trump werde dies als Einladung zu weiteren Einschüchterungen gegen Bezos und andere sehen. Einen solchen Entschluss elf Tage vor der Wahl als Prinzipientreue zu verkaufen sei höchst unglaubwürdig. „Trump bestraft seine Feinde und belohnt seine Freunde“, sagte Baron auf CNN. Die einzige Erklärung sei, dass Bezos um seine unternehmerischen Pfründen fürchtet, darunter Amazon und der Weltraumkonzern Blue Origin, der einen Vertrag mit der amerikanischen Regierung in Milliardenhöhe hat und mit dessen Managern sich Trump kurz nach der Entscheidung traf.

Die berühmten ehemaligen „Post“-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein verurteilten die Zurückhaltung des Blattes als „Überraschung und Enttäuschung“ angesichts „der Gefahr, die eine zweite Amtszeit Trumps für die Zukunft der amerikanischen Demokratie“ darstelle. Robert Kagan, der seit 25 Jahren Meinungsbeiträge für die „Post“ schreibt, kündigte aus Protest. „Dies ist offenbar Jeff Bezos’ Bemühen, sich bei Trump mit Blick auf dessen möglichen Wahlsieg anzubiedern“, sagte Kagan.

Dass ausgerechnet das Blatt, das kurz nach dem Amtsantritt Donald Trumps 2017 den Slogan „Democracy Dies in Dark­ness“ auf seiner Titelseite einführte, jetzt auf die Kandidatenempfehlung verzichtet, sorgt für bitteren Hohn. Susan ­Rice, frühere US-Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen, sagte: „So viel zu ,Democracy Dies in Darkness‘. Dies ist der scheinheiligste und feigste Akt einer Publikation, die eigentlich Leute an der Macht zur Verantwortung ziehen soll.“

Er warnt vor dem Feind im Inneren

Unterdessen veröffentlichte das linksliberale Magazin „The Nation“, ebenfalls elf Tage vor der Wahl, einen Meinungsbeitrag seiner Praktikanten unter der Überschrift „Kamala Harris hat die Empfehlung von ,The Nation‘ nicht verdient“. Die Haltung des Blattes sei „enttäuschend“, weil „ein der Gerechtigkeit verpflichtetes Magazin eigentlich Abstand von der Empfehlung einer Person nehmen muss, die einen Genozid unterschreibt“, hieß es dort, und: „Allein aufgrund der Vorgänge in Gaza hätte Harris das Endorsement der ,Nation‘ nicht erhalten sollen.“ Der Politikjournalist Matt Yglesias kommentierte, „das allerdümmste“ in Sachen Endorsement 2024 sei, „dass ,The Nation‘ seinen Praktikanten erlaubte, die Erwachsenen in der Redaktion für die Empfehlung von Kamala Harris zu denunzieren“.

Dass sich amerikanische Zeitungen in der Präsidentenwahl hinter den einen oder anderen Kandidaten stellen, gehört zur Tradition, wiewohl ein Verzicht auf solche Empfehlungen nicht völlig unüblich ist. Die Empfehlung ausgerechnet kurz vor einer wohl historisch knappen und folgenreichen Wahlentscheidung zu unterlassen ist indes eine Blamage für die linksliberale amerikanische Presse – besonders angesichts der Tatsache, dass Trump keinerlei Hehl aus seinen autokratischen Ambitionen macht. Immer wieder warnt er vor dem „Feind im Innern“, der ein „größeres Problem“ als etwa Nordkoreas Diktator Kim Jong-un sei. Seinen Widersachern droht er mit Gefängnis oder gar Ausweisung (wie zuletzt dem Sonderermittler Jack Smith, dessen Prozess gegen Trump wegen versuchten Umsturzes anhängig ist).

Währenddessen verbreitet der Trump-Kompagnon Elon Musk über seine Plattform X Maga-Verschwörungstheorien und Falschinformationen über angebliche Wahlmanipulationen – sicher zur Freude seines Kumpels Wladimir Putin. Mit dem steht Musk Berichten des „Wall Street Journal“ zufolge seit zwei Jahren in regelmäßigem Kontakt, und er nutzt Musks Plattform offenbar ungehindert für gezielte Desinformation und erzeugt Chaos und Zwietracht. Unter anderem kursierten auf X zuletzt gefälschte Videos von zerrissenen Stimmzetteln für Trump und von angeblichen Missbrauchsopfern von Harris’ designiertem Vize Tim Walz; Experten zufolge steckt dahinter die russische Propaganda-Einheit „Storm-1516“.

Dass sich angesehene Medienhäuser wie die „Washington Post“ unter diesen Vorzeichen entschließen, sich „herauszuhalten“, dass „The Nation“ sich von seinen Praktikanten infrage stellen lässt, ist eine Niederlage für die amerikanische Demokratie. Sie knicken vor Trumps Medienzirkus ein, in dem der Plattformhetzer Musk und der Sender Fox News den Ton angeben. Dagegen brauchte es ein Gegengewicht. Patrick Soon-Shiong und Jeff Bezos sorgen dafür, dass es ausfällt. Und der „New York Times“ droht ausgerechnet zum Wahltermin ein Streik der IT-Abteilung. Ann Telnaes, Karikaturistin der „Post“, fasste das mit einer durch fette Pinselstriche geschwärzten Zeichnung ins Bild. Titel: „Democracy Dies in Darkness“.

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